Hebertshausen:Ein kleines Wunderwerk

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Die Farben, die der Künstler Jerry Zeniuk in den Fenstern aufgreift, sind die liturgischen Farben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die 900 Jahre alte Kirche St. Georg ist nach zehn Jahre dauernden Bauarbeiten rundum renoviert. Dem kleinen Gotteshaus mit einer Aussegnungshalle, das fast vergessen war, kommt nun eine neue Bedeutung zu. Weihbischof Bernhard Haßlberger weiht den Altar ein.

Von Horst Kramer, Hebertshausen

Obwohl keine Kerze, keine Lampe brennt, leuchtet der Kirchenraum wie von selbst. Ein hellwarmes Dauerlicht erfüllt das karg eingerichtete Innere der kleinen Kirche St. Georg, die auf einem Hügel über Hebertshausen thront. Es sind die bunten Glasfenster des Künstlers Jerry Zeniuk, die diese zauberhafte Atmosphäre schaffen, zusammen mit den schlicht-weißen Wänden und den geschichtsträchtigen Artefakten, die im Kirchenschiff verteilt sind. "Art creates space", sagt Zeniuk, "Kunst schafft Raum." Historie kann das auch, eine spiritueller Stätte ebenfalls. In dem mindestens 900 Jahre alten Gotteshaus verbinden sich diese Sphären auf eine einzigartige Weise. Zehn Jahre dauerten die Arbeiten an der St. Georg-Kirche. Nun weihte Weihbischof Bernhard Haßlberger den Altar ein.

"Etwas Großes wurde hier geschaffen", betonte Pfarrer Monsignore Michael Bartmann bei einem Pressegespräch. Nicht zuletzt, weil das Erzbischöfliche Ordinariat, die Gemeinde Hebertshausen und der "Verein zur Erhaltung der St. Georg Kirche" an einem Strang zogen. Rund vier Millionen Euro investierte die Kirche, zwei Millionen Euro kamen von der Kommune und zirka 50 000 Euro schoss der Verein aus Spendenmitteln hinzu. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich St. Georg schnell als zu klein für die stetig wachsende Gemeinde Hebertshausen. Mit dem Neubau der Pfarrkirche 1960 verlor sie vollends ihre liturgische Bedeutung und verfiel langsam, trotz einer Renovierung Anfang der Siebziger Jahre. Im Ordinariat war wohl Diözesanbaumeister Hanns-Martin Römisch eine treibende Kraft für die Wiederbelebung der Georgskirche. Schon in den Neunziger Jahren hatte er bei der Gemeinde angeklopft. Beim jetzigen Altbürgermeister Michael Kreitmeir stieß er schließlich auf offene Ohren. Dass der St. Georg-Verein die Kirche schon ab 2005 mit einen neuen Anstrich versah, brachte vermutlich weitere Dynamik in das Projekt. Ebenso, dass der Verein beständig wuchs - inzwischen zählt er 150 Mitglieder.

Es galt, ein Fresko aus dem 12. Jahrhundert zu sichern

Gemeinde und Kirche haben ein gemeinsames Interesse: "Unseren verstorbenen Bürgerinnen und Bürgern und ihren Angehörigen einen würdigen Abschied zu gewährleisten", formulierte es Kreitmeirs Nachfolger Richard Reischl. Nicht weit von St. Georg mit seinem Friedhof liegt der kommunale Friedhof: Beide benötigen ein Leichenhaus, beide eine Aussegnungshalle. Kirche und Gemeinde einigten sich darauf, dass St. Georg zukünftig als gemeinsame Aussegnungshalle fungieren soll. Für nicht religiös geprägte Menschen schuf die Kommune im Rahmen des Projekts eine zweite kleinere Abschiedshalle, die in die Mauer des Kirchenareals integriert ist

Den verstorbenen Bürgern der Gemeinde soll in der neuen Aussegnungshalle ein würdiger Abschied bereitet werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Restaurierung des Kirchengebäudes standen jedoch zunächst zwei erhebliche Probleme entgegen: sein baulicher Zustand sowie die Lage an einem abrutschgefährdeten Abhang. Mit dem Münchner Architekt Markus O. Kuntschner begleitete jedoch ein erfahrener Planer das Projekt von Anfang bis zum Ende, lobte Römisch. Im Jahr 2010 fiel der Startschuss für die Planungen, 2015 begannen die Bauarbeiten. Zuerst sicherte eine österreichische Spezialfirma den Hang, dann wurde der Kirchturm stabilisiert. Parallel wurden der Aufbahrungsraum umgebaut und die Aussegnungshalle errichtet.

Im Kircheninneren galt es, ein Fresko aus dem 12. Jahrhundert zu sichern, auf das die Restauratoren schon vor fünfzig Jahren gestoßen waren. Vieles auf dem Gemälde ist nur noch fragmentarisch zu erkennen. Der diözesale Kunsthistoriker Alexander Zeisig konnte es mit seinen Kollegen entschlüsseln. Die Darstellung illustriert eine Parabel aus dem Lukasevangelium: der arme Lazarus und der reicher Prasser. Die Bildmitte zeigt, wie sich Lazarus sich nach seinem Tod in "Abrahams Schoß" wiederfindet - eine Metapher für das Paradies. Rechts ist eine Hölle mit leidenden Sündern zu erkennen. Historisch spektakulär ist ein Reiter auf der linken Seite des Freskos. Laut Zeisig handelt es sich um den Staufer-Kaiser Friedrich I "Barbarossa" (1122 - 1190). Der hatte 1153 den Wittelsbacher Graf Konrad zum Herzog erhoben und damit den Konflikt mit seinem Welfen-Rivalen Heinrich den Löwen angeheizt, der bald darauf München gründen sollte. Dass sich Friedrich in Sichtweite zu Heinrichs Territorium abbilden ließ, könnte durchaus als politisches Signal gewertet wer, so Zeisig. Das Fresko ist nicht die einzige kunsthistorische Preziose der Georgskirche. Dazu zählen eine Pieta aus dem 15. Jahrhundert, ein mittelalterlicher Taufstein sowie mehrere Epitaphe aus Sandstein und Rotmarmor, manche sind ein halbes Jahrtausend alt. Die Statue des St. Georg ist eine Schnitzarbeit neueren Datums. Im Chorraum soll noch ein Denkmal für die mehr als 4000 russischen Soldaten aufgestellt werden, die von der SS in den Jahren 1941 und 1942 auf dem nahen Schießplatz ermordet worden waren, sowie für die KZ-Häftlinge, die damals den Friedhof erweitern mussten.

Die Statue des St.Georg ist eine Schnitzarbeit neueren Datums. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der US-Amerikaner Jerry Zeniuk, 1945 in Deutschland geboren, unterstreicht die Bedeutung des Ortes durch die Wahl der Farben für seine Glasfenster. Auf der Südseite hat er warme Töne verwendet, auf der Nordseite wird das Licht durch kühle Töne gefiltert. Der Altarraum leuchtet dagegen in strahlendem Weiß. "Die Summe aller Farben", erklärt der Diözesanbaumeister Römisch, ein Symbol für den Herrgott.

© SZ vom 05.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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