Süddeutsche Zeitung

Eingeschränkte Mobilität:Der Fahrstuhl fährt nicht - und die Bahn hört nicht

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Die Hebertshausener sind sauer, weil der Aufzug an ihrem barrierefreien Bahnhof seit Wochen defekt ist

Von Helmut Zeller, Hebertshausen

"Egal, ob jung oder alt, ob körperlich uneingeschränkt mobil oder mobilitätseingeschränkt: Die Bahn macht mobil und zwar alle Menschen, ohne Ausnahme." So weit ein Auszug aus der Leitlinie der Deutschen Bahn. Darüber können Yvonne Irlenborn und Tanja Patti, die Behindertenbeauftragten der Gemeinde Hebertshausen, nur noch den Kopf schütteln.

Der S-Bahnhof der Gemeinde gilt als vollständig barrierefrei - "bedauerlicherweise entspricht dies nicht (immer) der Realität".

Kurzum, der Personenaufzug am Bahnhof, ist seit mehr als zwei Wochen nicht mehr im Betrieb. Eine Störung, die Gemeindebewohner, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, voll trifft.

Yvonne Irlenborn und Tanja Patti wissen zwar auch, dass es immer mal wieder zu einem technischen Defekt kommen kann. Allerdings ist mit der aktuellen Störung des Fahrstuhls die Geschichte längst nicht zu Ende. "In den letzten Jahren (bis hin zu einem Jahrzehnt!) gab es einige Nutzungseinschränkungen dieser Aufzugsanlage, welche unsere Gemeindemitbürger... im Gebrauch der vorhandenen Infrastruktur behinderten". Und nicht nur das. Rufen die Hebertshausener Behindertenbeauftragten die Telefonnummer für Störfälle und Sondermeldungen der Bahnzentrale in München an, sind sie auch nicht schlauer. Jedes Mal hätten sie die Auskunft bekommen, dass die Störung bekannt, ihre Behebung aber nicht datiert werden könne.

Ungeachtet dessen informiert die Bahn jedoch alle Reisenden im Internet, dass die Nutzung des Bahnhofs Hebertshausen für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit barrierefrei zugänglich, demnach mit hindernisfreien Zu- und Ausgängen eingerichtet ist, wie Yvonne Irlenborn der SZ Dachau mitteilt. Täglich erreichten sie und ihre Kollegin Anrufe von Hebertshausenern, die sich entgegen der Leitlinie gar nicht so mobil gemacht fühlen. "Der Informationsfluss seitens der Deutschen Bahn AG ist unzufriedenstellend", so Yvonne Irlenborn und Tanja Patti.

Als Interessensvertretung von Menschen mit einer Behinderung wollen die beiden die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Jetzt haben sie noch einmal einen Anlauf genommen: In einem Schreiben an die Bahn AG wollen sie Antworten auf die Frage, ob die Bahnkunden Kosten erstattet bekommen, wenn sie einen Fahrdienst beanspruchen, um zum nächstgelegenen barrierefreien Bahnhof zu gelangen. Also: Zahlt die Bahn die Kosten einer Taxifahrt nach Dachau oder Röhrmoos?

Und vor allem wollen Behinderte und ihre Vertreter in der Gemeinde wissen, wann der Fahrstuhl endlich wieder funktionieren wird.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2020
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