Süddeutsche Zeitung

Hebertshausen/Prittlbach:Prittlbacher India Pale Ale

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"Fruchtig aromatisch, fast ein wenig wie Mango": Hobbybrauer Dieter Scholz stellt im eigenen Keller das Bier für das örtliche Dorffest her. Und das schmeckt den Vorkostern und auch Bürgermeister Richard Reischl, der sonst nur Radler trinkt

Von Petra Schafflik, Hebertshausen/Prittlbach

Bedächtig schwenkt die Runde der Vorkoster bauchige, dünnwandige Weingläser in der Hand, dann wird konzentriert der Geruch des rotbraun schimmernden Getränks beurteilt. "Fruchtig aromatisch, fast ein wenig nach Mango." Alle nehmen vorsichtig einen ersten Schluck, dann noch einen, anerkennendes Nicken: "Dieses Bier kann ausgeschenkt werden", erklären Bürgermeister Richard Reischl und Vorstand Roland Scholz vom Schützenverein Germania. Das Spezialbier, das Dieter Scholz in seiner kleinen Kellerbrauerei Prittlbach fürs Dorffest am Samstag, 27. Juni, eingebraut hat, findet allgemeine Zustimmung.

Sichtlich stolz sind die zur Bierprobe geladenen Vorstände der örtlichen Vereine auf "unseren neuen Bräu", der jetzt eine Tradition begründet: Ab sofort wird beim Dorffest im der kleinen 400-Einwohner-Ortschaft Bier aus einer ortsansässigen Brauerei ausgeschenkt. "Wir sind total happy, das ist richtige Handwerkskunst", betont Schützenvorstand Scholz.

Die besonderen Biere, die Dieter Scholz im heimischen Keller handwerklich herstellt, sind keine Massenware. Auf dem Tisch, um den sich die Gäste der Bierprobe versammelt haben, stehen deshalb auch nicht übliche Halbe-Gläser oder Maßkrüge, sondern langstielige, dünnwandige Gläser, die sich nach oben verjüngen. "So kann sich das Aroma entfalten, lässt sich der Geruch besser beurteilen", erklärt Brauer Scholz. Der Prittlbacher, der beruflich in der Softwarebranche tätig war, widmet sich seit sechs Jahren intensiv dem Bierbrauen. Als es darum ging, einen Sud fürs Dorffest anzusetzen, entschied er sich dafür, "das Bier zu brauen, das mir selbst am besten schmeckt". Ausgeschenkt wird nun kein Helles oder Märzen, sondern ein "India Pale Ale", ein "neumodisches" Bier mit jahrhundertalter Tradition. Diese IPA-Biere, wie sie Kenner kurz nennen, werden stärker gehopft und haben mit sechs Prozent einen höheren Alkoholgehalt als handelsüblicher Gerstensaft. Das kommt daher, dass diese Biere im England des 18. Jahrhunderts für den Export nach Indien entwickelt wurden und monatelange Seereisen ohne Qualitätsverlust überstehen sollten. Diesen historischen Hintergründen zollt Brauer Scholz auf dem Flaschenetikett Tribut, dort ist eine skizzierte Karte des Seewegs nach Indien abgebildet.

Wer sich wegen der historischen Wurzeln in England Sorgen macht, ob dieses Bier auch bayerischen Gaumen munden wird, dem sei gesagt, dass die Vorkoster am Mittwochabend im Schützenheim begeistert waren. Und auch dem Bürgermeister, der nach eigenem Bekunden Bier nicht besonders mag und "höchstens mal ein Radler" trinkt, schmeckte das aromatische Prittlbacher IPA gut. Sogar besser als das deutlich hellere, leichtere Bier, das Scholz zum Schluss aus einer unetikettierten Flasche mit einem Augenzwinkern als "dritte Sorte" ausschenkte und das sich als Augustiner herausstellte. Natürlich wird das Prittlbacher IPA nach dem Reinheitsgebot hergestellt, nur Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe sind enthalten. "Sonst dürfte es ja gar nicht Bier heißen", betont Brauer Scholz. Wasser aus dem direkt durch den Ort strömenden Prittlbach wird aber nicht verwendet, das könnte möglicherweise der Lebensmittelüberwachung nicht gefallen, erklärt er lachend seinen Gästen.

Fürs Dorffest hat Dieter Scholz 140 Liter eingebraut und auf Bügelverschluss-Flaschen gezogen, zwei Sude nach dem gleichen Rezept, aber in einer leicht unterschiedlichen Verfahrensweise setzte er dafür an. Weil er herausfinden wollte, auf welche Weise aus den identischen Zutaten das höchstmögliche Aroma herauszuholen wäre. Also wurde die sogenannte Kalthopfung, bei der eine Hopfenzugabe erst nach der Hauptgärung erfolgt, bei einer Charge einmal, bei der anderen in zwei Partien durchgeführt. Dass die Biertester tatsächlich einen feinen Geschmacksunterschied bemerken, freut den Brauer. Sein spezielles Prittlbacher IPA wird auch beim Dorffest nicht in Krügen, sondern als Viertelliter-Schoppen in Gläsern ausgeschenkt. Der Bierpreis wurde auf zwei Euro je Glas festgesetzt, was dem handwerklichen Produkt angemessen ist, befand das Festkomitee des Schützenvereins, der das Dorffest traditionell jedes Jahr ausrichtet. Weil nicht sicher ist, wie das neue Bier bei den Besuchern ankommt, andererseits 140 Liter möglicherweise nicht ausreichen, um den Durst der erwarteten 200 Gäste zu stillen, "fahren wir zweigleisig und schenken auch Augustiner aus", sagt Heinz Seebauer vom Festkomitee.

Zum Prittlbacher Dorffest trifft sich Jung und Alt am Samstag, 27. Juni, ab 16 Uhr auf dem Dorfanger. Für musikalische Unterhaltung sorgt die Indersdorfer Blaskapelle.

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SZ vom 19.06.2015
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