Hebertshausen:Bürgermeister schreibt Brandbrief

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Richard Reischl wirft Kultusminister vor, die Grund- und Mittelschulen zu "zerstören"

Von Thomas Radlmaier, Hebertshausen

Er hat es wieder getan: Richard Reischl, Bürgermeister der Gemeinde Hebertshausen, erregte im Juli 2018 bayernweit Aufsehen, als er auf Facebook einen Brandbrief an "seine CSU" schrieb und darin gnadenlos mit der Asylpolitik der Parteispitze abrechnete. Jetzt hat Reischl erneut ein Schreiben auf Facebook veröffentlicht, das es in sich hat. Er sei in "der misslichen Situation, mal wieder offen mitteilen zu müssen, was mich maßlos ärgert und mich schier den Glauben verlieren lässt an unsere große Politik", so der CSU-Politiker. Der Adressat ist diesmal der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).

Reischl schimpft gegen die Bildungspolitik der Staatsregierung. Es geht ihm insbesondere um die Grund- und Mittelschulen. Seit neun Jahren würden diese Schulformen "kaputt reformiert und geändert", meint Reischl. Sie würden gar "systematisch von solch einer Politik zerstört". Er belegt diese These mit fünf Gründen, die er nacheinander aufzählt. Zuerst weist er darauf hin, dass Lehrkräfte fehlen. 1400 Stellen sind unbesetzt. Es bräuchte Anreize für jungen Menschen, sich für diesen Beruf zu entscheiden, findet der Bürgermeister. Stattdessen würden Grund- und Mittelschullehrer zu mehr Stunden bei weniger Gehalt verdonnert. Zudem würde Teilzeit erschwert. "Das ist Ihre Lösung Herr Kultusminister Michael Piazolo?", fragt Reischl. "Diese Lehrkräfte haben Aufmerksamkeit verdient, mehr Geld, mehr Aufstiegschancen, mehr Respekt."

Zweitens ist Reischl gegen den Übertritt an die Realschule ab der fünften Klasse. Das habe zur "Massenhysterie" geführt und dazu, dass Realschulen aus allen Nähten platzen würden. Außerdem fordert er, dass jede Schule einen Lehrer erhalte, der sich mindestens acht bis zehn Wochenstunden um IT-Administration kümmere. Reischl findet auch, dass Grundschulklassen mit "26 oder 27" Kindern viel zu groß sind. Er fragt, wie solle eine Lehrkraft, die vielleicht gerade ein Referendariat absolviere, in einer ersten Klasse allen Schülern gleichermaßen und sie fördern können? Er plädiert dafür, die Schüleranzahl auf maximal 16 zu begrenzen. "Haben Sie mal den Mut, an einer Grund- und Mittelschule mit hoher Ausstattung an Lehrkräften, kleinen Klassenstärken, Förderlehrern, Schulsozialarbeitern, IT-Fachkräften, geändertem Rahmenlehrplan über fünf bis acht Jahre Erfahrungen zu sammeln", so Reischl an Piazolo. Er würde dafür die Hebertshausener Grund- und Mittelschule als Modelleinrichtung anbieten.

Er schließt mit den Worten: "Wahrscheinlich werden Sie diesen Brief ignorieren, abtun als eine Botschaft vom immer frustrierten Reischl, doch ich gebe meinen Glauben nicht auf, irgendwann auf offene Ohren zu stoßen." Das Echo auf Facebook zu Reischls Brief war bis Freitagnachmittag enorm. Mehr als 360 Menschen haben ihren Gefallen daran ausgedrückt, mehr als 170 haben ihn geteilt.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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