Anfangen hat 1948 alles mit Gemüse. Die Gärtnerei Roth, die ihr Geschäft heute vor allem mit dem Verkauf von Balkonpflanzen macht, hat vor rund 72 Jahren die Bürger von Hebertshausen mit Tomaten, Gurken und Kartoffeln versorgt. Nun hat sich Besitzer Georg Roth, der das Unternehmen in dritter Generation führt, entschieden, zurück zu den Wurzlen zu kehren - für den Fall, dass es zu Versorgungsengpässen kommt. Wie damals nach dem Krieg.
Normalerweise kauft Roth etwa zehn Prozent seiner Pflanzen zu. Weil "besondere Umstände besondere Maßnahmen erfordern", wie er in einem Facebook-Post schreibt, hat er sich in diesem Jahr gegen Balkonpflanzen und für Gemüse entschieden. "Ich rechne mit erheblichen Umsatzeinbußen", sagt Roth. Eine Investition in zusätzliche Blumen habe daher aus seiner Sicht keinen Sinn ergeben. Die Samen für das Gemüse indes würden kaum etwas kosten, und im Falle eines Falles könne er so einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung mit frischem Gemüse sicherstellen. Es geht ihm dabei nicht um die Nahrungsversorgung in der Woche bis Ostern, Roth rechnet in Monaten. "Es dauert ja, bis alles wächst." Ende Mai seien voraussichtlich die ersten Paprikas und Gurken reif, Anfang Juni dann die ersten Tomaten. Auch deshalb musste er die Entscheidung, sein Konzept umzustellen, frühzeitig treffen. "Da die Kulturzeit dieser Pflanzen sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und keiner von uns weiß wie lange wir in dieser Situation gemeinsam stecken, habe ich mich dazu entschieden, die Produktion von einzelnen Balkonpflanzen für diese Maßnahme zu opfern", erklärt Roth auf Facebook seine Maßnahme.

"Ich bin kein Riesenoptimist", sagt Roth, wenn man ihn fragt, ob er wirklich glaubt, dass es zu Engpässen kommen könnte. Bis Ende April sieht er keine Probleme. Aber wer könne schon sagen, wie es danach weitergehe? Wenn die Grenzen dicht seien und alle Länder sich in erster Linie um die Versorgung der eigenen Bevölkerung kümmern müssten, dann werde nach und nach auch das Gemüse und Samen aus dem Ausland weniger. Und was, wenn in ein, zwei Wochen wieder alles seinen gewohnten Gang geht? "Das Risiko nehme ich gerne in Kauf", sagt Roth. Vergleichsweise seien die Verlust, die durch das nicht verkaufte Gemüse möglicherweise entstehen könnten, gering zu denen, mit denen er jetzt schon durch die jetzige Situation kalkuliert: Die Hochsaison für den Verkauf von Balkonpflanzen beginnt genau jetzt, seine Gärtnerei hat aber noch mindestens bis 19. April zu. Der Verkauf von Zierpflanzen ist im Gegensatz zu dem von Salat und Paprika eben nicht systemrelevant.
Weil Not aber bekanntlich erfinderisch macht, hat Roth nicht nur sein Angebot erweitert, sondern bietet nun neben Grabpflege und Baumarbeiten auch einen Lieferservice an. Bestellt werden kann Gemüse, das Roth vorerst noch von umliegenden Bauern und der Großmarkthalle in München bezieht, aber auch Blumenerde und Pflanzen. Von Mai an könnte dann sein eigenes Gemüse folgen. Einige, die offenbar ähnlich weit in die Zukunft denken wie Roth und in diesen Zeiten zum Hobbygärtner werden, bestellen gar kleine Tomaten-, Kohlrabi- oder Brokkolipflänzchen.

Weil er sich solidarisch zeigen möchte, mit all jenen, die das Haus in diesen Tagen am besten gar nicht verlassen sollten, hat Roth auf die Schnelle einen Onlineshop eröffnet und liefert alle Bestellungen frei Haus. Diese Form der Nachbarschaftshilfe ist für Roth ganz selbstverständlich. Ein neues Geschäftsmodell sieht er darin aber nicht. "Über Wasser halten können wir uns so nicht", stellt Roth klar. Durch die Bestellungen komme zwar immerhin ein bisschen Geld in die Kassen, aber längst nicht genug. Wie viele andere Unternehmer muss auch Roth deshalb auf Rücklagen zugreifen - seine zwei Angestellten in Kurzarbeit zu schicken, das möchte er tunlichst vermeiden. "Meine Angestellten müssen ja auch von etwas leben." Bis Ostern könne er so überbrücken, sagt der Gärtner und hofft, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die er getroffen hat, dann die Gärtnerei wieder regulär öffnen darf und die Menschen kommen, um ihren Balkon für den Frühling auf Vordermann zu bringen. Doch selbst, wenn das der Fall sein sollte, steht für den Hebertshausener fest: "Es wird mit Sicherheit kein gutes Jahr." Soforthilfe vom Staat will er momentan aber noch nicht beantragen. Die sei für die Menschen gedacht, die sie wirklich nötig hätten. Und von einem Kredit, den er dann irgendwann wieder zurückzahlen müsste, hält er nichts.
Aber Roth klingt ohnehin nicht wie ein Mann, der darauf wartet, dass ihm geholfen wird. Mit dem Anbau von Gemüse und dem Lieferservice will er vielmehr anderen helfen - und dabei nebenbei auch seinen kleinen Betrieb retten.