Süddeutsche Zeitung

Hebertshausen:Vorsichtiges Ja zum DB-Wohnheim und Parkhaus

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Der Gemeinderat stimmt mit großer Mehrheit für das Projekt am Hebertshausener Bahnhof, viele Fragen sind jedoch noch offen. Die Gemeinde will in den kommenden zwei Jahren nun beobachten, ob der ÖPNV-Verkehr im Großraum München auch nach der Pandemie weiter zunimmt. Weitere Entscheidungen fallen frühestens 2023

Von Horst Kramer, Hebertshausen

Möglicherweise leben in einigen Jahren 100 Auszubildende der Deutschen Bahn in einem Wohnheim westlich des Hebertshausener Bahnhofs, möglicherweise steht dann ein Parkhaus für zweihundert oder mehr Autos auf dem Gelände des jetzigen Parkareals. Dies so vorsichtig zu formulieren, ist angebracht - obwohl der Hebertshausener Gemeinderat sich dieser Tage in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit für eine Fortführung des Projekts aussprach.

Eine wichtige Voraussetzung für das Parkhaus scheint derzeit zu schwanken: Die weitere Zunahme des ÖPNV-Verkehrs im Großraum München. Das Coronavirus fegte zeitweilig die Züge und Busse leer, die sonst so rappelvolle Parkflächen am Bahnhof wirkten lange Zeit verweist. Erst jetzt füllen sie sich langsam wieder. Deswegen beschloss das Gremium nun, mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zwei Jahre zu warten. "Damit wir wissen, wie sich die Situation des Pendelverkehrs nach den Coronawellen einpendelt und welche Rolle Homeoffice in Zukunft spielt", erklärte Bürgermeister Richard Reischl (CSU).

Er hatte eingangs der Sitzung nochmals die gesamte Geschichte des Projekts aufgerollt. Vom aus allen Nähten platzenden Parkplatz bis zur Not der Deutschen Bahn, Auszubildende zu finden. Bürgermeister Reischl erinnerte an die Taktverdichtung auf 15 Minuten bis 2029, welche die MVG angekündigt hat und für die zahlreiche neue Mitarbeitende nötig sind. Es schien sich im vergangenen Jahr eine Win-Win-Situation anzubahnen: Die Gemeinde stellt einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf, damit die DB westlich der Bahnlinie ein Wohnheim für ihre Nachwuchskräfte errichten kann. Die DB und ihr Partner MVV bauen auf dem Parkplatzgelände ein Parkhaus - der Vorteil liegt auf der Hand: Statt weitere Grünflächen für umweltschädliche Autos zu verschwenden, wird in die Höhe gebaut, Anschlüsse für E-Mobile inklusive.

Die Pläne, welche die Repräsentanten der DB, der Münchner P+ R Park&Ride GmbH und des gemeinnützigen Hamburger Azubi-Werks im März vorstellten, ließen manche Ratsmitglieder und manche Anwohner zucken: In der "ersten Ausbaustufe", so hieß es damals, sollten die Gebäude rund 15 Meter in die Luft ragen: Das P+R-Gebäude wäre für 360 Fahrzeuge ausgelegt, das Wohnheim für rund 240 Menschen. Der in Walpertshofen lebende Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler meldete - auch im Namen zweier Nachbarn - Bedenken an und warnte vor einem "sozialen Brennpunkt", der entstehen könnte. Reischl zeigte sich erstaunt ob des Begriffs: "Für Auszubildende ist eine derartige Bezeichnung unangebracht", betonte der Rathauschef. Da denke man eher an einen kriminellen Kontext oder schwer erziehbare Jugendliche, so Reischl weiter, "aber nicht an ganz normale junge Menschen, die einen sicheren Job suchen."

Nichtsdestotrotz suchte Reischl in den vergangenen Wochen den Dialog. Herausgekommen ist ein Kompromiss: Das Azubi-Werk plant nur noch mit einhundert Bewohnern des Heims - eine Mindestgröße für den wirtschaftlichen Betrieb einer derartigen Einrichtung, zitierte Reischl den Azubiwerk-Vorsitzenden Patrick Fronczek. Eine Aussage, die Göttler anzweifelt: "Kleinere, dezentrale Einrichtungen lassen sich ebenfalls wirtschaftlich betreiben", so der Bezirksheimatpfleger. Er hält das Projekt auch in der reduzierten Form "für sozial unverträglich". Jede sozialpädagogische Erfahrung zeige, dass nur Jugendgruppen von 30 bis maximal 50 Minderjährigen sozial verträglich integriert werden könnten, und auch das nur bei entsprechendem Begleitpersonal, wie Göttler in einem zweiten Schreiben an die Gemeinde mitteilt.

Fronczek hatte schon im März dargelegt, dass pädagogisches Personal vor Ort sein werde. Käme das Vorhaben tatsächlich zustande, sollen die ersten fünf Jahre als eine Art "Probezeit" dienen - doch dass ein Wohnheim, wenn es einmal steht, wieder zurückgebaut wird, weil es zu Problemen gekommen ist, scheint zweifelhaft. Reischl zieht einen Vergleich: "Wenn irgendwo einhundert oder zweihundert Menschen in eine Neubausiedlung ziehen, wird es auch mal Ärger zwischen Nachbarn geben - das ist überall so."

Ein Parkhaus gegebenenfalls auf Gemeindekosten zu bauen, hält der Rathauschef für ziemlich unwahrscheinlich: "Wir sprechen hier von Größenordnungen von vier bis 4,5 Millionen Euro." Göttler machte in diesem Zusammenhang eine interessante Bemerkung: Eine Ausweitung des Parkplatzareals halte er "nicht für ausgeschlossen". Die Familie Göttler besitzt einigen Grund westlich der Bahn, die jetzigen Parkplatzflächen gehörten ebenfalls der Familie.

Der augenblickliche Gesprächsstand zwischen der Kommune und den ÖPNV-Partnern ist noch nicht in Vertragsform gegossen. Der Gemeinderat beauftragte daher "die Verwaltung die vertraglichen noch zu vereinbarenden Inhalte vorzubereiten und dem Gemeinderat wieder vorzulegen". Die SPD-Fraktion stimmte geschlossen dafür, die CSU mit Ausnahme der Prittlbacherin Monika Gasteiger. Die FBB-Fraktion stimmte geschlossen dagegen mit Ausnahme des Ampermochingers Hans-Jürgen Schreier.

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SZ vom 30.06.2021
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