Hausaufgabenhilfe des Helferkreises:Gemeinsam lesen und schreiben lernen

Der Karlsfelder Helferkreis unterstützt täglich Flüchtlingskinder bei den Hausaufgaben. Der Nachwuchs kommt gern und zahlreich. Jetzt suchen die Ehrenamtlichen weitere Mitstreiter

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Auf dem Tisch liegen schon viele langgerollte Radiergummi-Krümel. Ngozi tut sich schwer. Die Neunjährige muss Buchstaben so zusammensetzen, dass ein Wort entsteht. Mit einem Bleistift malt sie "Geurk" ins Heft, doch Elisabeth Waldmann protestiert sofort: "Nee. Der Buchstabe steht falsch. Schau mal genau hin. Es heißt Gurke", verbessert sie. Ngozi verdreht die Augen, murrt und radiert. Sie geht in die Ü3, das ist die Übergangsklasse in der Karlsfelder Grundschule. Schreiben und lesen fällt ihr schwer, vor allem aber Deutsch. Immer wieder verwechselt das Mädchen die Artikel, sagt "die Salate" oder "die Blumekol". Aber im Großen und Ganzen spricht sie gut. Sie kommt aus Nigeria, dort ist Englisch die Amtssprache. In der Hausaufgabenhilfe der Asylunterkunft an der Hochstraße motivieren die Ehrenamtlichen sie und verbessern ihre Aussprache. Zumeist sind es Rentner, die nachmittags zwei Stunden mit den acht Grundschulkindern der Einrichtung üben: Mathe, Lesen, Schreiben - eben was gerade anliegt.

Das Projekt liegt ihr am Herzen

"Wir suchen dringend noch ein paar Freiwillige", sagt Elfriede Peil, die die Hausaufgabenhilfe initiiert hat. In der Unterkunft an der Parzivalstraße gibt es das Projekt schon länger und es ist sehr erfolgreich. "Eine Hausaufgabenhilfe ist das A und O, damit die Kinder die Sprache lernen und hier Fuß fassen können", erklärt Peil ihre Motivation. Eigentlich ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit des Helferkreises zuständig. Aber das Projekt auch an der Hochstraße zu etablieren, liegt ihr am Herzen. Einige Neue hat sie schon gewonnen. Anfangs konnten die Helfer nur an drei Tagen mit den Kindern lernen, so klein war der Kreis der Ehrenamtlichen doch inzwischen sind es zehn, so dass jeden Tag eine Betreuung möglich ist. Doch Peil hofft, dass sich noch mehr engagieren. Wenn jemand in Urlaub geht oder mal keine Zeit hat, reißt das ein Loch in die Planung.

Kurz nach dem Schulanfang im September hat die Hausaufgabenhilfe an der Hochstraße begonnen. "Wir merken schon, dass die Kinder Fortschritte machen und dass sie sich besser konzentrieren können, obwohl es manchmal laut ist", sagt Peil nicht ohne Stolz. Der eine liest, der andere muss ein Diktat schreiben, der dritte bekommt etwas erklärt. Bei acht Kindern kann der Lärmpegel steigen. Aber die Sechs- bis Zehnjährigen kommen gern. Sie passen auch aufeinander auf. "Wenn einer mal nicht da ist, fragt ein Junge schon mal: Soll ich ihn abholen?", berichtet Peil. Als die Hausaufgabenhilfe noch nicht täglich war, hat der ein oder andere vergessen zu kommen. "Manchmal müssen die Kinder auch ihre Eltern dolmetschen, etwa beim Arzt oder beim Einkaufen." In vielen Familien sind sie das Sprachrohr zur Außenwelt. Die Eltern halten ihre Kinder aber nicht davon ab, zur Hausaufgabenhilfe zu gehen, sagt Peil. Im Gegenteil - sie seien dankbar, dass ihr Nachwuchs Unterstützung bekommt.

Um die Kinder besser auf den Unterricht vorbereiten zu können, will Peil nun die Lehrer besuchen, um von ihnen Tipps zu bekommen. Die Hausaufgabenhilfe soll aber auch Türen öffnen: Peil hofft so, Kontakt zu den Familien zu bekommen. Die meisten sind erst vor kurzem aus anderen Unterkünften im Landkreis nach Karlsfeld verlegt worden. Die Helfer suchen also noch nach Möglichkeiten, die Flüchtlinge von der Hochstraße integrieren zu können und ihnen unter die Arme zu greifen, etwa im Umgang mit Behörden, so Peil. Sie haben noch keinen Ansprechpartner oder "Lotsen", wie es in Karlsfeld heißt.

"Und der Staat kümmert sich nicht, überlässt einfach alles den Kommunen"

Ngozi zappelt. Sie will fertig werden und spielen. Waldmann ermahnt sie: "Nicht so hektisch, ganz langsam. Du hast doch Zeit." Die Rentnerin ist geduldig. Ngozi ist nicht ihre einzige Schülerin. Sie engagiert sich auch im Alphabetisierungskurs und bringt einer 70-jährigen Kongolesin Deutsch bei. "Die ganze Zeit zu Hause zu sitzen, wäre stink langweilig", sagt sie. Auch Renate Zrupko will sich jetzt sozial engagieren. Sie ist heute das erste Mal da und diktiert Milad ein paar Sätze. Der Viertklässler ist aus Afghanistan und arbeitet sehr konzentriert. Zrupko ist begeistert. Es macht ihr Spaß. Auch Jürgen Vollmer will Peil bei ihrer Arbeit unterstützen. Obwohl er anfangs negativ eingestellt war, gegenüber den vielen Flüchtlingen, die ins Land kamen, gibt er zu. "Das ist doch aus dem Ruder gelaufen", sagt er. "Und der Staat kümmert sich nicht, überlässt einfach alles den Kommunen", schimpft der Karlsfelder. Aber wenn er jetzt die Kinder erlebe und sehe, was man machen könne, "das ist unterstützungswürdig". Beeindruckt ist Vollmer auch davon, dass manch heller Kopf unter den Flüchtlingskindern sitzt. "Ich geh gern zur Schule", sagt der sechsjährige Mohammed. Er kommt aus Syrien. "Ich habe dort schon so viele Sachen gemacht." Er strahlt übers ganze Gesicht.

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