Dachau:CSU-Delegierte küren Gerda Hasselfeldts Nachfolger

An diesem Mittwoch fällt die Entscheidung. Vier Kandidaten aus Dachau und Fürstenfeldbruck bewerben sich für den Bundestag.

Von Gerhard Eisenkolb und Wolfgang Eitler, Fürstenfeldbruck/Dachau

Um zu beschreiben, wie sehr die CSU-Landesgruppenchefin und Wahlkreisabgeordnete Gerda Hasselfeldt die beiden selbständigen CSU-Kreisverbände Fürstenfeldbruck und Dachau in den vergangenen 27 Jahren prägte, genügt es zu vergleichen, wie deren Verhältnis jetzt ist und wie es 1989 war. Als die damalige Bundesbauministerin aus dem Kabinett Kohl sich erstmals um das Bundestags-Direktmandat im Wahlkreis bewarb, gab es ein Hauen und Stechen zwischen den zwei damals in dieser Frage völlig zerstrittenen Parteiverbänden. Es ging um die Dominanz der Mehrheit der Brucker Delegierten und um immer wieder unterlegene und ausgetrickste Dachauer. Solche Fragen sollten in der öffentlichen Wahrnehmung vor der Regelung der Hasselfeldt-Nachfolge keine Rolle mehr spielen. Harmonie statt Streit ist angesagt, wenn sich die 160 Delegierten der Kreisverbände an diesem Mittwoch, 16. November, 19.30 Uhr, in Dachau zur Nominierung im Theatersaal des ASV versammeln.

Was seit Monaten geschieht, kommentiert ein Brucker CSU-Mitglied mit den spöttisch-kritischen Worten: "mit dem Schlafwagen zur Macht". Schon bevor offiziell erste Namen von Bewerbern um die Nachfolge genannt wurden, hatten sich nämlich beide Kreisverbände intern auf ein einvernehmlich abgestimmtes Verfahren geeinigt. Die Parteigliederungen präsentierten sich nach außen so, wie es Gerda Hasselfeldt immer wieder idealtypisch propagierte: als große Familie, in der es harmonisch und vor allem friedlich zugeht. Allerdings wurde beim Schaffen der Harmonie nichts dem Zufall überlassen. Die beiden Kreisvorsitzenden Thomas Karmasin (Fürstenfeldbruck) und Bernhard Seidenath (Dachau) gingen wie nach einem Drehbuch vor. So wurden alle vier Bewerber erstmals Anfang Juni bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vorgestellt.

Nur der Gröbenzeller CSU-Gemeinderat Christian Finkenzeller blieb für einen Tag der einzige Spielverderber. Er preschte kurz vor der offiziellen Kandidatenpräsentation eigenwillig vor, zog aber einen Tag später seiner Bewerbung ebenso überraschend wieder zurück. Wie kolportiert wird, beugte er sich mit diesem Schritt dem Druck der Oberen. Damit herrschten wieder Harmonie und Einvernehmen.

Drei Bewerber aus Dachau, eine Bewerberin aus Fürstenfeldbruck

Die vier CSU-Aspiranten für den Bundestag - als einzige Bruckerin Katrin Mair, Kreisrätin und Schatzmeisterin der oberbayrischen CSU, sowie die drei Dachauer Anton Kreitmair, Präsident des Bauernverbands in Oberbayern und Landtagsabgeordneter, der Vorsitzende der Dachauer CSU-Stadtratsfaktion Florian Schiller, und Georg von Hundt aus Lauterbach - konnten sich in den vergangenen Monaten bei ihren Vorstellungsrunden in den CSU-Ortsverbänden der Landkreise nur gemeinsam vorstellen und vereint für sich werben. Schließlich hatte man sich ja darauf verständigt, fair miteinander umzugehen. Daher gibt es zwar sicher persönliche Favoriten der 85 Fürstenfeldbrucker und der 75 Dachauer Delegierten, die an diesem Mittwoch bestimmen werden, wen die beiden Kreisverbände in den Bundestagswahlkampf schicken werden, aber keine offizielle Wahlempfehlung. Letzteres ist vor allem den Regisseuren wichtig.

Eine Erklärung für diese erstaunliche Situation liefert der Brucker Kreis-CSU-Chef. "Wir haben vier Kandidaten und ich freue mich über die Auswahl", erklärt Karmasin betont sachlich auf SZ-Anfrage. Und sein Dachauer Pendant, der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, ist voll des Lobes über den Verlauf der Vorstellungsrunden: "Die vier Aspiranten haben dabei eine Detailtiefe und ein Wissen präsentiert, das letztlich nur von einem amtierenden MdB zu erwarten gewesen wäre. Davor kann man nur den Hut ziehen und hohe Wertschätzung äußern." Er zollt "dem überaus fairen, ja kollegialen Umgang der vier mit- und untereinander" großen "Respekt".

Für wen sich die 160 Delegierten letztlich entscheiden werden, das spielt für die beiden CSU-Kreisvorsitzenden angeblich nur noch eine sekundäre Rolle. Karmasin könnte, wie er beteuert, mit jedem leben. Mehr Harmonie und weniger Zwist ist fast nicht mehr möglich. "Wir wollten nicht, dass die beiden Kreisverbände gegeneinander antreten, wir wollten es miteinander machen", beteuert denn auch der Brucker Kreisvorsitzende. Dieses Ziel haben die Parteichefs wohl erreicht. Sein Dachauer Kollege Seidenath ergänzt: "Alles in allem hat unsere Demokratie damit im Bundeswahlkreis in den letzten Wochen und Monaten gezeigt, wie gut parteiinterne Ausscheidungen auch ablaufen können."

Florian Schiller macht Eindruck

Nicht einmal die Tatsache, dass Mair als einzige Frau gegen drei Männer antritt, sollte in dem Nominierungsdrehbuch eine Rolle spielen. Da die CSU für die Gleichberechtigung sei, habe der Frauenbonus keine Bedeutung mehr, sagt Karmasin. Allerdings zieht Mair mit einem großen taktischen Vorteil in die Abstimmung. Sollte die Brucker CSU zusammenhalten, könnte sie mit ihrer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang obsiegen. Der Grund liegt auf der Hand: In der ersten Runde würden sich die 75 Dachauer Stimmen noch auf drei Bewerber verteilen. Unter Brucker Delegierten gilt es auf jeden Fall als sicher, dass Mair in die Stichwahl kommt, deren Ausgang offen wäre. In Dachau wagen CSU-Politiker keine Prognose. Anton Kreitmair hätte als Präsident des Oberbayerischen Bauernverbands wohl nur eine echte Chance, wenn sich mehr Landwirte unter den Fürstenfeldbrucker Delegierten befinden würden. Wer anscheinend beeindruckt hat, ist der Dachauer Florian Schiller.

Lange eilte Mair, die schon zweimal auf einem Listenplatz vergeblich für den Bundestag kandidiert hatte, in der Brucker CSU der Ruf voraus, Hasselfeldts Wunschnachfolgerin zu sein. Diesem Eindruck versuchte die CSU-Landesgruppenchefin schon lange vor der Nominierung vehement entgegenzutreten. Auch Hasselfeldt hielt sich an die Spielregel und dementierte deshalb solche Äußerungen. Und sie stand zur von ihrem Politikverständnis geprägten Strategie, ja keinen der Bewerber zu pushen und damit auch niemanden zu verletzen. Sich mit den führenden Kräften im Brucker Kreisverband gut zu stellen, nicht anzuecken und nicht zu polarisieren, so wird intern beschreiben, wie die Brucker CSU die Hasselfeldt-Nachfolge zu regeln versucht - um damit noch ganz nebenbei ihrer Bewerberin zum Erfolg zu verhelfen. Das mag, weil es geräuschlos abläuft, nach außen langweilig wirken, aber man vermeidet auf diese Weise auch interne Verwerfungen und hält zudem die Partei zusammen.

Freilich ist fraglich, was passiert, wenn einer der anderen Anwärter gewinnt. Die Strategie des Dachauer Kreisverbands zielt darauf ab, ein offenes Rennen zu erreichen. Er will die CSU als eine Partei profilieren, die Karrieren fördert und für junge Menschen interessant wird. Insofern geht es am diesem Mittwoch nicht nur darum, wer gewählt wird, sondern wie die Kandidaten abschneiden. Ob ihnen also die Versammlung Achtungserfolge gönnt.

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