Hans Well und die Wellbappn:Güllebohrung im Bayernland

Hans Well und die Wellbappn: Hans Well (2. von rechts) und die Wellbappn mit den Well-Kindern, Jonas, Tabea und Sarah sind als Ensemble inzwischen so ausgereift, dass sie sich durchaus mit der legendären "Biermösl Blosn" zu ihren besten Zeiten messen lassen können.

Hans Well (2. von rechts) und die Wellbappn mit den Well-Kindern, Jonas, Tabea und Sarah sind als Ensemble inzwischen so ausgereift, dass sie sich durchaus mit der legendären "Biermösl Blosn" zu ihren besten Zeiten messen lassen können.

(Foto: Toni Heigl)

Nicht nur die Dachauer bekommen bei Hans Well und seinen Wellbappn ihr Fett weg, auch Bauern, Autoindustrie, die CSU und der Ministerpräsident. Alles schön verpackt in bairischen Reimen, musikalisch untermalt, so wie es das Publikum im Thoma-Haus liebt

Von Renate Zauscher, Dachau

Schon vor Beginn der Veranstaltung, beim Blick auf die Bühne, wissen die Besucher im Thoma-Haus, was sie erwarten dürfen. Da stehen und liegen unterschiedlichste Instrumente bereit: ein mächtiger Kontrabass, eine riesige Tuba, Geige und Bratsche, Akkordeon und Gitarre, sogar ein etwas urtümlich aussehendes Gerät, das sich Brummtopf nennt. Ein klarer Hinweis darauf, dass Hans Well und seine mittlerweile erwachsenen Kinder, die Wellbappn, im Leierkasten erwartet werden. Wie viele in der großen Well-Familie sind auch seine Kinder musikalische Multitalente.

"Larifari" hat Hans Well das neue Programm genannt. Das klingt nach bayerisch-frechem Kasperltheater. Das lässt schon erahnen, wie respektlos Vater und Kinder Well die Zeitläufe und augenfälligsten ihrer Protagonisten aufs Korn nehmen werden. Aber zunächst sind die Dachauer selbst Ziel ihres Spotts: die Stadt im "paradiesischen Speckgürtel" Münchens, wo im Krankenhaus "am besten der Pflegenotstand funktioniert", oder wo man mit dem "Schwarzen Graben" ein schlagendes Argument gegen Flächenfraß hat. Wo aber auch die AfD frustriert erkennen muss: "Dachau ist nimmer das, was es einmal war", weil "auf jeden AfD-Treffen-Teilnehmer mindestens 30 Gegendemonstranten kommen".

Klar, dass dieser Spott ebenso wie die frechen Kommentare über das heimatliche "Hausen", in dem man bei der Suche nach nutzbarer Geothermie nur auf Gülle gestoßen ist, in Form bairischer Gstanzln daherkommt: Auch die Biermösl Blosn, deren intellektueller Kopf Hans Well war, hat ihre bitterböse Kritik an der gesellschaftlichen wie politischen Lage immer volksmusikalisch verpackt.

Es ist faszinierend, wie das klappt mit dem Musizieren von Hans Well und seinem Nachwuchs: Die Instrumente gehen auf der Bühne von Hand zu Hand. Mal nimmt Sarah, mal Tabea das Akkordeon zur Hand. Mal spielt Jonas auf der riesigen Tuba, mal auf Bass oder Trompete. Selbst dem Brummtopf kann er eindrucksvolle Geräusche entlocken. Sarahs Instrument ist meistens die Bratsche, Tabea brilliert in Stücken wie dem ungarischen Csardas wie ein Zigeunerprimas auf der Geige. Sie ist diejenige im Geschwistertrio, die die Musik zu ihrem Hauptberuf machen will und an der Hochschule in München studiert.

Hinter bayerisch-weltmusikalischer Vielseitigkeit und der Lustigkeit von Hans Wells Sprachbildern und seinem inhaltlichen Einfallsreichtum verbirgt sich aber - wie könnte es anders sein bei einer Well-Formation - ein höchst kritischer Blick auf die nicht immer nur lustige Gegenwart. Viele der Texte sind brandaktuell: Das "Klagelied aus dem Zyklus der Klagelieder" etwa, in dem die Bauern von ihrem traurigen Los singen. Sie seien "die ärmsten, ohne Narkose kastrierten Schweine" im Land. Daran sind natürlich vor allem die Grünen schuld: "Die woll'n a Blumenparadies, obwohl der Boden unsrer is".

Ob Klimawandel mit "Malariazone im Allgäu" und "zehn Millionen Bangladeschi vor Salzburg", ob bayerische Weltraumfantasien, bei denen die CSU zuletzt von einem Schwarzen Loch verschluckt wird, oder der Spott über die Autoindustrie und ihre Lobby: Hans Well hat für alle und alles bitterböse Kommentare bereit.

Zu voller Form politischen Kabaretts läuft Well auf, wenn er aus dem von ihm immer auf den neuesten Stand gebrachten "Buche Bayerns" liest und dabei natürlich vor allem einen Herrscher namens Markus im Blick hat: "Markus den Frommen" nämlich, wahlweise auch "Markus den Hinterfotzigen", den "Blender" oder neuerdings den "frisch Ergrünten", den "Naturfreund", der seine nächste Sitzung in einem Baumhaus im Hambacher Forst abhalten will - natürlich nicht ohne vorher ein Kreuz daran befestigt zu haben. Für Hans Well ist die Welt eine Fundstätte erschreckender, grotesker, auch belustigender Steilvorlagen für seine Texte. Und auch wenn manche davon erst am Morgen vor dem Auftritt entstehen und auf der Bühne improvisiert werden muss: Hans Well und die Wellbappn haben inzwischen ein Niveau erreicht, das durchaus an das der Biermösl Blosn zu ihren besten Zeiten heranreicht. Entsprechend begeistert ist das Publikum im Thoma-Haus - gerade dort, wo Wells Spott mitten ins Herz der bayerischen Politik zielt.

Politisch ist auch ein anderes Projekt von Well und seiner Frau Sabeeka Gangjee-Well: Sie haben den Deutschen Hörbuchpreis 2019 in der Kategorie Sachbuch für das von ihnen zusammengestellte Hörbuch "Rotes Bayern - Es lebe der Freistaat" erhalten. Als Lesung mit Texten von Zeitgenossen der Münchner Revolution 1918 und mit Musik der Wellbappn hatte es vor Kurzem Premiere im Residenztheater.

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