Süddeutsche Zeitung

Halbzeit im Rathaus Röhrmoos:Der Ruhepol

Der Röhrmooser Bürgermeister Dieter Kugler (CSU) ist seit drei Jahren im Amt. Er gibt sich als Meister der Gelassenheit, der die zentralen Herausforderungen der gesamten Gemeinde zum normalen Alltagsgeschäft herunter dimmt. Die Nähe zu den Menschen ist sein politisches Programm. Ganz besonders mag er Trauungen

Von Wolfgang Eitler, Röhrmoos

Wer ehrlich wissen will, was es bedeutet, Bürgermeister zu sein, müsste mit den Ehefrauen und Ehemännern reden. Man müsste sie fragen: Wie oft ist Ihr Mann oder Ihre Frau zuhause? Genaueren Einblick könnte die Anzahl der Telefongespräche bringen, die nach dem Ende eines Arbeitstags vermeintlich privat geführt werden, weil der eine oder andere Bürger noch ein dringendes Anliegen unbedingt vortragen muss. Und wenn sich ein Bürgermeister den Luxus eines privaten Termins gönnt, dann hat er sich dafür zu entschuldigen, wie Dieter Kugler (CSU). Er kann am Patrozinium von Sankt Johannes von Röhrmoos und dem anschließenden Dorffest nächste Woche nicht teilnehmen.

"Fragen Sie meine Frau bitte nicht", sagt Dieter Kugler. Er lächelt dabei. Er kann seinen Gemütszustand nicht verbergen. Es ist offensichtlich, dass ihm seine kommunalpolitische Tätigkeit auch nach drei Jahren großen Spaß bereitet. Er sagt es nicht direkt. Der kurze leise Zug um den Mund beim Halbzeitgespräch über die erste Amtsperiode reicht als Antwort völlig aus. Das Lächeln muss er mit seiner Frau und seinen drei Kinder und drei Enkeln erklären. "Fragen Sie nicht." Er wiederholt die Bitte, die sich selbstredend erklärt.

In seinem Fall wäre es eine Überraschung gewesen, wenn er wegen der zahlreichen Termine gejammert hätte. Denn der Röhrmooser Bürgermeister Dieter Kugler mag die Nähe. Sie ist sein tatsächliches politisches Programm. Wegen dieser Freude am persönlichen Gespräch, am Händeschütteln, am Gratulieren bei Jubiläen, am Lob für ehrenamtliche Tätigkeiten in der Gemeinde, ist er gewählt worden. Ein anderer Typus von Bürgermeister, der die öffentliche Präsentation vorzieht, würde auf die Frage nach der persönlichen Bilanz von Programmen sprechen. Kugler erzählt von den, wie er sagt, "Kleinigkeiten".

Da sind Anwohner an der Waldstraße auf ihn zugekommen und haben sich dafür bedankt, dass endlich die Rinne an der Trasse gepflastert worden ist und das Wasser ordentlich abließen kann. Dass er kurz nach seiner Wahl 2014 einen zusätzlichen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs geschaffen hat, fanden auch viele Röhrmooser sehr gut. Dass er die Trauungen nach Röhrmoos ins Rathaus zurückgeholt hat und dass er das Ritual persönlich vollzieht, wird ihm ebenfalls hoch angerechnet. Unter seinem Vorgänger wurden Standesämter zusammengeschlossen. Wenn Röhrmooser heiraten wollten, mussten sie nach Indersdorf. "Die Trauungen schaffen Identität", sagt Kugler. Er sieht sich in der Rolle des Identifikationsstifters.

Das Selbstbildnis hatte ganz zu Beginn einen Riss bekommen, weil sich seine Partei, die CSU, mit der zweitgrößten Fraktion, den Freien Wählern angelegt hatte und ihr den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters verweigerte. Sie wäre allenfalls bereit gewesen, Otto Dörr zu akzeptieren, nicht aber Kuglers direkten Konkurrenten um das Bürgermeisteramt, Volker Nist. Aber mittlerweile sind die daraus entstandenen Konflikte entschärft. Im engeren Kreis der Fraktionssprecher werden Themen so genau vor besprochen, dass Diskussionen im Plenum des Gemeinderats nicht mehr notwendig sind. Dafür haben die Röhrmooser ihren Dieter Kugler gewählt. Für die Ruhe, für die Entspannung, die er ausstrahlt, und für eine Politik der maximalen Gelassenheit.

Kugler entschärft Konflikte, bevor sie evident werden. Er versteht sich als Ruhepol. Vorgänger Hans Lingl von den Freien Wählern wurde beschimpft für die Idee eines Ortszentrums. Kugler änderte den Titel in den harmlos klingenden Namen "Am Bücherlweiher" und suggeriert wegen des kleinen Wäldchens in dem fünf Hektar großen Baugebiet in zentraler Lage das Idyll. Die wesentlichen Beschlüsse sind einstimmig gefallen. Und wann wird gebaut? "Wir sind mit der Baugenehmigung fertig, wenn wir fertig sind", sagt Kugler. "Wir lassen uns nicht drängen."

Kugler nimmt sich die Zeit, von der zahlreiche Kommunalpolitiker in der Region München sagen, dass sie wegen des Siedlungsdrucks keine mehr haben. Denn erschwingliche Wohnungen werden dringend gebraucht. Ob sie in Röhrmoos entstehen? Wegen des teilweise kontaminierten Bodens beim Bücherlweiher, der hohe Kosten verursacht, sind soziale Aspekte des Wohnungsbaus nicht mehr berücksichtigt worden. Im zweiten Bauabschnitt gibt es ein Einheimischenmodell. Mit seiner Neigung zur Gelassenheit entspricht Kugler beispielsweise den Empfehlungen von international bekannten Städteplanern, die davor warnen, in Hektik zu verfallen. Die Bürgermeister in einem Ballungsraum wie München sollten stattdessen darauf achten, dass "Qualität entsteht".

Für den Landkreis Dachau hat Röhrmoos die Funktion eines entscheidenden Gelenkstücks in der gesamten Entwicklung. Der Ortsteil Schönbrunn beherbergt den neben den Helios-Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf größten Arbeitgeber. Die dortige gemeinnützige Franziskuswerk GmbH verwaltet eine der wichtigsten Einrichtungen für behinderte Menschen in ganz Bayern. Der gesamte Ort wird im Sinne der Inklusion umgebaut. Auf fast 38 Hektar soll die Konversion hin zu einem Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen gelingen. Kugler war Mitglied der Jury beim städtebaulichen Ideenwettbewerb. Er könnte nun ins Schwärmen geraten. Er aber sagt: "Wir arbeiten am Konzept für Schönbrunn. Wir werden auch das abarbeiten."

Wer Dieter Kugler jemals erlebte, wenn er irgendein Fußballspiel der SpVgg Röhrmoos besuchte, muss sich über diesen Charakterzug zur Gelassenheit wundern. Aber der Furor in ihm blitzt im Gespräch doch noch kurz auf. Der Kämmerer bricht in ihm durch. Der 59-Jährige ist Finanzexperte, war in dieser Eigenschaft für die Gemeinde Neufahrn zuständig und fungierte als einer der Sprecher der bayerischen Kämmerer. Dem Freistaat, fordert er, muss es gelingen, die finanzielle Lage der Kommunen zu verbessern, damit sie in der Lage sind, Grundstücke zu erwerben, um Kindergärten und Schulen zu errichten. Dem bayerischen Gemeindetag hat er mehrere Lösungen vorgeschlagen. "Die werden angenommen", sagt er selbstbewusst. Gerade Röhrmoos braucht Hilfe. Denn trotz aller zurückhaltender Entwicklungspolitik steigt die Zahl der Bewohner. Der neue Hort, der erst im September fertig wird, ist bereits ausgebucht.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2017
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