Süddeutsche Zeitung

Poetry Slam:Übertroffene Erwartungen

Der Kulturkreis Haimhausen veranstaltet in seiner Kneipe den ersten Poetry-Slam in der Gemeinde und begeistert das Publikum. Außerdem ist die noch vergleichsweise junge Kunstform mittlerweile keine Frage des Alters mehr

Von Rudi Kanamüller, Haimhausen

Lautes und anhaltendes Klatschen, Jubelrufe und verzückte Gluckser. Ob das bereits ein "kollektiver Orgasmus" gewesen ist, wie die höchste Form der Zustimmung bei diesem Wettbewerb genannt wird? Die Frage wird n der voll besetzten Haimhausener Kulturkreiskneipe nicht explizit beantwortet. Aber nahe heran gekommen, muss er schon sein. Wie auch immer: Mate Tabula aus Germering hat ihn gewonnen. Ihn hat die Publikumsjury beim ersten Haimhausener Poetry-Slam vor das Münchner Schauspieler Wulf Schmid-Noerr und das Haimhausener Urgestein, den Menschenbeobachter Roland Bachl (61), gesetzt. 91 Punkte sprach die Jury Tabula zu, 88 Schmid-Noerr und 85 Bachl.

Tabula, ein junger Familienvater, schreibt Witziges und Hintergründiges rund um sein Familienleben. Wie es zum Beispiel ist, Vater zu werden. Er setzt sich heiter mit dem unter werdenden Eltern spannenden Rätsel auseinander, ob es nun ein Bub oder ein Mädchen wird, oder wie aus einem Jakob schlussendlich doch noch eine Johanna wird. Roland Bachl beobachtet Menschen. Sein Mundartgedicht vom "Leit ausrichten" hat er vor 20 Jahren begonnen. Es ist eine nie endende Arbeit, die ständig überprüft, weitergeschrieben und verändert wird. Den Wettbewerb der Poeten darf jeder annehmen, der sich auf eine Bühne traut, und der geschickt innerhalb von sieben Minuten seinen eigens kreierten Text vorzutragen weiß. Es darf sich dabei um Gedichte, Kurzgeschichten, Rap, oder Freestyle handeln. Für den siegreichen Haimhausener Slammer gab es neben einer gerahmten Urkunde noch einen Büchergutschein über 25 Euro.

Unterhaltsame Moderation

Wenn es nach Andreas Schiebel (55) vom Vorstand des Haimhausener Kulturkreises geht, dann war dies nicht der letzte Poetry-Slam in der 5000 Einwohner Gemeinde. Damit er auch zu einem Erfolg wird, hat sich Schiebel Franziska Ruprecht ins Boot geholt. Eine arrivierte und vor allem routinierte Performance-Poetin aus München, die mit Glitzer, türkisen und roten Kunstblumen im Haar und einem Zylinder auf den blonden Haaren, sehr lässig und cool durch den Abend navigierte, inklusive der notwendigen Regelvermittlung und unterhaltsamer Moderation.

Normalerweise wird derjenige, der als erster die Bühne betritt, mitleidig als Opferlamm bezeichnet. Die Rolle übernahm Franziska Ruprecht höchstpersönlich. Ihr "Ghetto-Adonis" freilich fightete außer Konkurrenz. Dabei geht nicht mehr und nicht weniger darum, das Publikum auf den Abend einzustimmen. Und so kämpften acht Poetry-Slammer unterschiedlicher Altersklassen um die Gunst des Publikums. Fünf davon kamen aus Haimhausen. Die älteren Teilnehmer wirkten auf jeden Fall extrem dynamisch.

Viele örtliche Poeten

So wie es aussieht, wird Haimhausens Kulturszene nun künftig um einen Poetry-Slam bereichert. Diese erste Veranstaltung sei ein "Testballon" gewesen wie Andreas Schiebel vom Kulturkreis im Gespräch mit der SZ sagte. Weil man nicht gewusst habe, wie die Poetenschlacht im Ort bei den Bürgern ankommen würde, sei das Ganze bis zum Schluss "extrem spannend" gewesen. Und mit einem Blick in den voll besetzten Saal der Kulturkreiskneipe sagt Schiebel sichtlich entspannt und zufrieden: "Das hat meine Erwartungen übertroffen." Vor allem aber freute er sich, dass sich doch so viele örtliche Poeten trauten, ihre Werke auf der Bühne vor Publikum vorzutragen. Für die meisten ein völlig neue Erfahrung.

Auf die Bühne wagten sich zum Beispiel die freischaffende Künstlerin Gabriele Middelmann, die Haimhausener Kunstschaffende Lucy Mellers, die Malerin Mette Therbild, die Autorin Helga Grassl und der dichtende Steuerberater Roland Bachl und der Autor Marc Short aus München. Zwischen den Slams spielten Laura (Geige) und Frank (Cello) Avantgardemusik. Dorothea Harrer erzählte Anekdoten.

Die nächste Veranstaltung führt das Münchner Gitarrentrio am Samstag, 11. März, 20 Uhr in die Kulturkreiskneipe von Haimhausen.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2017/lela
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