Haimhausen:"Sonst gibt es böses Blut"

Der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) und andere Haimhausener Gemeinderäte kritisieren, dass die Wohnbaugesellschaft in Karlsfeld Flüchtlingsunterkünfte baut

Von Rudi Kanamüller, Haimhausen

So hatte sich Leonhard Liegsalz, Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft im Landkreis Dachau, die Diskussion nicht vorgestellt: Im Haimhausener Gemeinderat referierte der Experte über Möglichkeiten, Unterkünfte für Flüchtlinge im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu errichten. Doch plötzlich ging die Debatte nur noch darüber, wer denn nun Vorrang hat, die Asylbewerber oder "unsere Leute", wie der Gemeinderat und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) es ausdrückte. Liegsalz wurde eingeladen, weil Haimhausen wie alle anderen Gemeinden Flüchtlinge aufnimmt. 75 unbegleitete Minderjährige kommen Anfang Oktober. Sie werden in mehreren Wohncontainern beim Recyclinghof untergebracht.

In Karlsfeld baut die Wohnungsbaugesellschaft vier feste Unterkünfte für etwa 200 Asylbewerber. Das erregte Widerspruch: Bernhard Seidenath sagte, man könne nicht nur für Flüchtlinge Unterkünfte errichten. "Wir müssen für unsere Leute bauen, sonst gibt es böses Blut." Denn wenn die Flüchtlinge als Asylbewerber anerkannt seien, könnten sie ihre Familien nachkommen lassen und die Gemeinde müsse die Leute dann auf dem Wohnungsmarkt unterbringen. In diese Kerbe schlug Thomas Mittermair (CSU): "Was mache ich mit den Leuten, wenn die nach der Anerkennung auf den Wohnungsmarkt drängen?" Pragmatisch antwortete Wohnbau-Geschäftsführer Liegsalz: "Tatsache ist, dass Karlsfeld jetzt rund 500 Leute unterbringen muss. Jetzt kommt der Winter." Natürlich wäre es, wie Liegsalz sagte, wünschenswert, viele Sozialwohnungen zu bauen. "Aber wir haben jetzt die Leute vor der Tür."

Nicht zur Sprache kam, dass ein anerkannter Asylbewerber aus gutem Grund, seine Familie nachholen kann: Er genießt dann nämlich die gleichen Rechte und muss die gleichen Pflichten erfüllen wie ein deutscher Staatsbürger. Die 75 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die Haimhausen jetzt aufnimmt, werden jedoch ohnehin später woanders untergebracht werden.

Armgard Körner (Grüne) wandte sich grundsätzlich gegen die Argumentation von Seidenath und Mittermair: "Wir dürfen nicht die Asylbewerber gegen unsere Leute ausspielen." Es gehe doch grundsätzlich um bezahlbaren Wohnraum. Das sei keine Frage von sozialem Wohnungsbau contra Flüchtlingsunterkünfte. Auch Angelika Goldfuß (ÜWG) hielt es für gefährlich, die Dinge, Unterkünfte für Flüchtlinge und sozialer Wohnungsbau, zu vermengen. Goldfuß betonte: "Wir kümmern uns um unsere sozial schwachen Bürger."

Eigentlich ist die Wohnbaugesellschaft für den Bau von Flüchtlingsunterkünften nicht zuständig. "Wir machen das aber als Dienstleister der Kommune", erklärte Liegsalz. Der Bau wird über die Miete finanziert, die der Freistaat Bayern auf zehn Jahre bezahlt. Die Wohnbaugesellschaft setzt kein Eigenkapital ein, das für den Bau von Sozialwohnungen verloren ginge. Nach zehn Jahren können die Unterkünfte wieder abgerissen werden. Dennoch kam wieder Kritik auf: Michael Kuffner (Bürgerstimme Haimhausen) sagte in Anspielung auf die optisch ansprechende Bauweise: "Muss das so ein Luxus sein?" Der Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft widersprach heftig: Die Bezeichnung Luxusbau sei in diesem Zusammenhang "völlig daneben." Im Gegenteil. Im Karlsfeld werde für Flüchtlinge "das Minimum" gebaut, sagte Liegsalz.

Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) bemühte sich um eine Versachlichung der Debatte. Für Traglufthallen zahle man pro Monat rund 80 000 Euro. Hochgerechnet auf zehn Jahre, könne sich jeder ausrechnen, was das in der Gesamtsumme ausmache. Der Bau der Unterkünfte in Karlsfeld dagegen, sagte Liegsalz, koste nicht mal die Hälfte. Die festen Unterkünfte für 200 Asylbewerber sollen in der Nähe des Heizkraftwerkes bis Ende Januar 2016 gebaut werden. Dabei handelt es sich um vier Gebäude, in denen jeweils 48 Menschen untergebracht werden. Errichtet werden die zweistöckigen Unterkünfte in sogenannter Holzständerbauweise. Eine Bauweise, so Liegsalz, die ökologisch und ökonomisch nachhaltig sei. Diese Bauweise praktiziere die Gesellschaft zum ersten Male.

Felbermeier machte deutlich, dass Haimhausen wie alle Kommunen Unterkünfte ausweisen müsse. Im ganze Landkreis gebe es keine Wohnungsangebote mehr. Alles, was man anmieten könne, sei bereits angemietet. Karlsfeld gehe in diesem Dilemma einen "neuen Weg", den er zumindest für nachdenkenswert hält. Felbermeier ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sich die Gemeinden für längere Zeit auf Flüchtlinge einstellen müssten. Haimhausen jedenfalls könne nicht für 500 Menschen Sozialwohnungen bauen. Aber: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass uns das Land und der Bund hier hängen lassen", beruhigte der Bürgermeister. Denn wäre dies der Fall, " saufen wir gnadenlos ab". Die Gemeinde hat bereits Vorratsflächen etwa im Baugebiet Schrammerweg eingeplant.

Und der Wohnungsmarkt? Leonhard Liegsalz sprach von einem "Verdrängungswettbewerb". Davon bleibe keine Gemeinde im Landkreis verschont - aber nicht wegen der Flüchtlinge. Aus dem Problem führe nur ein Weg: Es müssten weiter Sozialwohnungen gebaut werden, betonte Liegsalz. "Wir sind dafür da, dass wir was für Leute machen, die weniger haben." Das Thema, da war man sich einig, soll auf einer Klausursitzung vertieft werden.

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