Süddeutsche Zeitung

Mitten in Haimhausen:Gebenedeite Höllenstühle

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In Haimhausen steht eine ökumenische Segnung von Motorrädern an, die erste seit 1250 Jahren. Zeit, sich ein paar Gedanken über den Zustand des christlichen Abendlands zu machen.

Glosse von Gregor Schiegl, Haimhausen

Was wäre die Welt ohne die wunderbaren Innovationen aus der bayerischen Landeshauptstadt: der Kühlschrank, die MP3-Datei, der Looping, alles praktische Erfindungen, vor allem wenn man das größte Volksfest der Welt ausrichtet. Konstruiert wurde im Jahre 1894 zu München auch die Hildebrand und Wolfmüller, das erste Serienmotorrad, damit konnte man als Besucher von Traunstein bis zur Theresienwiese knattern und vollgetankt wieder zurück. Heute haben Bikes ein paar PS und Dezibel mehr unterm Tankdeckel, manche glauben deshalb, Satanas selbst müsse diese höllenlärmenden Feuerstühle erfunden haben; in Bibelkreisen wird schon diskutiert, ob dies nicht die vier Millionen Reiter der Apokalypse seien, von denen der Evangelist Johannes berichtet, und ihre Auspuffrohre sind die Trompeten von Jericho.

Ein Blick nach Haimhausen zeigt, wie unrecht man dieser Gruppe von Verkehrsteilnehmern tut. In der kleinen Landkreisgemeinde ist ein Motorradclub zuhause, der sich mit dem Emblem eines Totenschädels samt Zylinderhut auf der Fontanelle schmückt, der sich aber dennoch klar im Reich des ewigen Scheinwerferlichts Gottes verortet, denn sein Name lautet "Lords MC Bavaria" .

Höchste Zeit, dass es auch mal eine Segnung für Lastenfahrräder gibt

Sie werden mit dabei sein, wenn die erste ökumenische Bikersegnung am kommenden Freitag auf dem ehemaligen Volksfestplatz in Haimhausen stattfindet, und so wie im Paradies Wolf und Schaf friedlich zusammenlagen, werden auch hier modernste Rennmaschinen und klapprige alte Motorräder in Eintracht beieinander stehen, ohne einander anzuknurren, und sie werden im Zweitakt gesegnet werden, von der evangelischen Pfarrerin Manuela Urbansky aus Unterschleißheim und ihrem katholischen Kollegen Pfarrer Bernhard Skrabal aus Haimhausen.

Laut Pressemitteilung ist es in Haimhausen die erste Segnung dieser Art "nach 1250 Jahren Jahren", also noch vor der Zeit Karls des Großen. Das klingt ganz beachtlich, ist aber auch ein bisschen irreführend: Motorräder sind schon oft gesegnet worden, auch im Landkreis Dachau, so ein spirituelles Tuning gehört einfach zum Gesamtpaket. Höchste Zeit, dass es auch mal eine Segnung für Lastenfahrräder gibt. Ob da jemand käme, ist die andere Frage. Womöglich sind die Motorradfahrer in ihren Kutten die letzte Bastion Christi, die knatternden Verteidiger des Glaubens. Hört die Signale!

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