Süddeutsche Zeitung

Haimhausen:Gemeinsame Skepsis vor der Digitalisierung

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Bei einem Werksbesuch zeigt sich, dass Sozialdemokrat Schrodi und Unternehmerin Haniel ein paar Ansichten teilen

Von Rudi Kanamüller, Haimhausen

Das Wichtigste sei, sagen Gastgeberin und Gast übereinstimmend, "dass wir miteinander reden und im Gespräch bleiben." Deshalb vereinbaren sie zum Schluss ihres gut zweistündigen Gedankenaustausches, sich in zwei Jahren am gleichen Ort wieder treffen zu wollen, um Bilanz zu ziehen. Bilanz darüber, was von den angesprochenen Themen umgesetzt wurde, beziehungsweise was daraus geworden ist. Die Gastgeberin ist Andrea von Haniel, Betreiberin der Haimhauser E-Werke Haniel, die zu 100 Prozent Ökostrom produzieren. Ihr Gast ist Michael Schrodi, Bundestagskandidat der SPD für den Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck. Ihre Themen: die Energiepolitik im allgemeinen, die Energiewende und die speziellen Probleme und Anliegen kleinerer Energieversorger.

Michael Schrodi, im Zivilberuf Gymnasiallehrer für die Fächerkombination Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Viscardi-Gymnasium in Fürstenfeldbruck ist zunächst einmal ein aufmerksamer Zuhörer, der sich die vier Öko-Stromwerke zeigen und erklären lässt. Es ist Schrodis erster Termin an diesem Tag. Zuvor hat er noch Schularbeiten korrigiert. Noch ist "Kandidat sein" kein Fulltime-Job. Aber es könnte sich dazu auswachsen, wenn die Terminanfragen weiterhin so gehäuft reinkämen, wie derzeit. "Zehn sind es manchmal am Tag", sagt er. Der Besuch beim E-Werk Haniel ist für Schrodi mehr als eine Pflichtübung. "Gute Kontakte zur Politik sind wichtig", ist auch Andrea von Haniel überzeugt. Sie wolle den Leuten, die für uns künftig in Berlin sitzen und dort mitreden "etwas mit auf den Weg geben".

Andrea von Haniel, die auch auf europäischer Ebene im Verband der Energieversorger aktiv ist, wird Schrodi später eine ziemlich große Schautafel zeigen, auf der in einer Excel-Tabelle ziemlich viel Kleingedrucktes in unterschiedlichen Farben steht. "Das ist unser Gesetzes- und Versorgungsrahmen, den wir umsetzen müssen", sagt sie. Damit ist auch schon das Problem umrissen, mit dem sich hauptsächlich kleinere Energieversorger herumschlagen müssen, und was Unternehmern, wie Andrea von Haniel zu schaffen macht. Dabei sei es nicht einmal so sehr die Europäische Union, die sich hier hervortue. "Wir, die Deutschen, setzen halt oft noch 120 Prozent drauf und machen uns das Leben zusätzlich schwer."

Sie meint den bürokratischen Aufwand, der gerade bei der Energieversorgung betrieben werden müsse. Zum Beispiel durch das Anliefern von Daten an alle möglichen Stellen, wie den vorgeschalteten Energieversorger oder die Bundesnetzagentur. Der Staat müsse sich nicht überall einmischen, lautet ihr Credo. "Ein bisschen mehr Vertrauen in die Fähigkeit von Bürgern und Unternehmern wäre schon ganz gut", sagt Haniel, die auch vor der "Entsolidarisierung durch Mieterstrommodelle" warnt. Diese betreffe auch die zahlreichen "Bürgerenergiegenossenschaften, die immer beliebter werden. Nur: "Die übernehmen keine Verantwortung für die Versorgungssicherheit."

Die Energiewende ist auch eines der Leib- und Magenthemen von Michael Schrodi. Er interessiert sich für die Frage, ob bei den nachhaltigen Energien und vor allem bei welchen überhaupt noch Wachstumsmöglichkeiten bestünden? Vor allem aber, "an welchen Schrauben man dabei noch drehen könnte, beziehungsweise welche Techniken geeignet seien, überschüssigen Strom hier zu speichern und nicht in irgendwelche europäischen Netze einzuspeisen. Gleichwohl: "Wir brauchen die Stromautobahn." Schrodi lässt für sich dabei keinen Zweifel aufkommen, dass "die Energiewende für jeden einzelnen bezahlbar" bleiben müsse. Ein besonderes Anliegen sei ihm dabei, die "Regionalität bei der Energieversorgung nicht nur zu fördern, sondern auch zu erhalten".

Das findet natürlich die volle Unterstützung bei Andrea von Haniel, für die die Vorteile kleinerer Energieversorger auf der Hand lägen. "Wir haben das Ganze im Blick und kennen die Wertschöpfungskette". - Im Gegensatz zu den großen Versorgern, bei denen alles aufgespalten sei. Andrea von Haniel: "Ich hoffe, dass diese Struktur nicht zerstört wird." Wobei aber längst Gefahr von ganz anderer Seite droht, wie Andrea von Haniel und Michael Schrodi feststellten: durch die mögliche Einführung von intelligenten Stromzählern, die digitale Daten empfangen können und in ein Kommunikationssystem eingebunden sind. Andrea von Haniel sieht denn auch den nutzen solcher Systeme kritisch: "Wir öffnen hier eine Flanke." Für sie stehe jedenfalls fest: "Meine Kundendaten sind mir heilig." Michael Schrodi äußert sich ebenfalls zurückhaltend: "Aufhalten werden wir die Digitalisierung nicht können. Es kommt aber darauf an, wie wir damit umgehen."

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SZ vom 26.07.2017
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