Unbegleitete Flüchtlinge:Haimhausen nimmt 75 Kinder und Jugendliche auf

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Schulleiterin Stock, Sozialpädagoge Schechinger, Bürgermeister Felbermeier und Schulrätin Brunner (v.l. oben) diskutierten die Flüchtlingsunterbringung. (Foto: Heigl, Jørgensen)

Noch nie haben so viele Haimhausener die Bürgerversammlung besucht. Sie haben viele Fragen, bekommen aber nur wenige Antworten.

Von Rudi Kanamüller, Haimhausen

300 Stühle in der Aula der Haimhausener Grund- und Mittelschule reichten bei weitem nicht. Und die Bemerkung von Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), dass er sich an so einen Besucheransturm bei einer Bürgerversammlung in den letzten 20 Jahren nicht erinnern könne, sagte alles. Es war ein Thema, das am Montagabend knapp sieben Prozent der Haimhausener Bevölkerung auf die Beine brachte: die Unterbringung von 75 Flüchtlingen auf einem Grundstück nahe der Kläranlage. Was zu diesem Zeitpunkt nur die Mitglieder des Gemeinderates wussten: Es handelt sich ausnahmslos um "minderjährige, unbegleitete Jugendliche", die speziell betreut werden müssen. Die übergreifenden Informationen zur Situation im Landkreis steuerte Landrat Stefan Löwl (CSU) bei. Bei der anschließenden Diskussion wurde viel Hilfsbereitschaft signalisiert, es wurden aber auch Sorgen, Befürchtungen und Ängste formuliert. Andere Themen der Bürgerversammlung (Ausbau der Lindenallee, Finanzsituation der Gemeinde) rückten an den Rand.

Die Bürgerversammlung begann mit einer Krachernachricht von Bürgermeister Peter Felbermeier: In die eigentlich für erwachsene Flüchtlinge vorgesehene Container-Wohnanlage werden ausschließlich minderjährige, unbegleitete Jugendliche einziehen, die speziell und rund um die Uhr betreut werden müssen. Außerdem wisse derzeit weder Landratsamt noch Gemeinde, wie viele Jugendliche, die zwischen 14 und 18 Jahre alt sind, schulpflichtig, beziehungsweise berufsschulpflichtig sind. Mittelschulrektorin Cornelia Stock fand deutliche Worte: "So viel in so kurzer Zeit können wir nicht leisten." Und: "Es bringt nix, wenn wir in die Klassen hinten zehn Leute rein setzten." Hier brauche es nicht nur Übergangsklassen, sondern vor allem auch Lehrer. Cornelia Stock bekräftigte die Bereitschaft des Lehrerkollegiums, sich zu engagieren. "Die ist sehr groß." Aber die jetzige Dimension würde den "Rahmen sprengen". Felbermeier appellierte erneut an Bürgerschaft und freiwillige Helfer: "Wir sind total auf Sie angewiesen. Die Gemeinde mit ihrem kleinen Team kann das nicht leisten. Wir brauchen ein Führungsteam und jemand, der den Hut aufhat."

Schulrätin Agnes Brunner brach eine Lanze für die jungen Flüchtlinge, die vielfach eine "wahnsinnig lange Reise" hinter sich hätten und erst einmal froh seien, ein Dach über dem Kopf zu haben. Sie forderte die Bildung "flexibler Strukturen". Darum gehe es in der Schule und in der Gemeinde und außerdem "um Mut". Brunner: "Die Weltprobleme sind für den Ort momentan nicht maßgeblich." Dagegen sei Beschäftigung und Sport enorm wichtig, sagte Sozialpädagoge Andreas Schechinger. Es dürfe keine Langeweile unter den Jugendlichen aufkommen.

Polizeihauptkommissar Werner Kretz von der Dachauer Polizeiinspektion trat dem Vorurteil entgegen, wonach durch die Flüchtlinge die Kriminalität zugenommen habe. Kretz: "Das Vorurteil ist unbegründet. Gott sei dank." Man habe einem Mann aus der rechtsradikalen Szene verboten, sich im Umkreis der Asylunterkünfte aufzuhalten. Er war aufmerksamen Nachbarn aufgefallen. Kretz verhehlte aber nicht, dass in Markt Indersdorf einige Probleme mit Ladendiebstählen durch Asylbewerber aufgetreten seien. Ein weiteres Problem seien Belästigungen von jungen Frauen am S-Bahnhof. Kretz und Löwl sehen die Helfer gefordert, die den Leuten erklären müssten, "dass ein Nein auch ein Nein bedeutet".

Insgesamt plant das Dachauer Landratsamt mit etwa 1900 Flüchtlingen zum Jahresende. Von allen Flüchtlingen, die in Oberbayern ankämen, müsse der Landkreis 3,1 Prozent aufnehmen. Das Hauptproblem, so Stefan Löwl, werde sein, "die Menschen hier zu integrieren". Die Gesellschaft sei gefordert. "Stellen Sie sich vor, Sie leben in Aleppo. Da danke ich jeden Tag Gott, dass ich nur diese Probleme habe." An die Haimhausener appellierte der Landrat: "Geben Sie den Leuten eine Chance. Wenn wir sie in die Gesellschaft aufnehmen, braucht auch niemand was zu befürchten."

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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