Haimhausen:Chansons im Wohnzimmer

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"Ich habe etwas Frankophiles in mir", sagt Kerstin Dietrichs. Bei ihrem Konzert in der Haimhauser Kulturkreiskneipe konnte man das hören. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kerstin Dietrich bestreiten in der Kulturkreiskneipe ein gefühlvolles Konzert mit einer gelungenen Mischung aus Jazz, Pop und Soul.

Von Anna-Sophia Lang, Haimhausen

Nach dem Konzert sagt Kerstin Dietrich: "Ich war viel nervöser als sonst." Sie lacht, als sie mit angezogenen Beinen in bequemen Hausschuhen auf dem Rand der niedrigen Bühne sitzt, etwas verlegen, sichtlich erleichtert, glücklich. Ein bisschen hat man ihr die Aufregung angemerkt während der zwei Stunden, die sie in der Kulturkreiskneipe mit ihrer Band gespielt hat. Es war kein gewöhnliches Konzert für sie. Ihr Auftritt war eine Heimkehr. In das Dorf ihrer Kindheit, zu den Anfängen ihres Gesangs. Dietrich ist Sängerin, Schauspielerin und Sprecherin. Ihre Karriere brachte sie von der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München zur Film School nach Prag, an die Film Academy und die American Musical and Dramatic Academy in New York. Sie trat im Prinzregententheater und im Metropoltheater in München auf, spielte ein Jahr lang die Sophie im Musical "Mamma mia", war fest am Theater Bonn engagiert, gastierte unter anderem bei den Bregenzer Festspielen und den Kurt-Weill-Festspielen in Dessau.

In Haimhausen ist sie aufgewachsen, hier hat sie mit dem Singen begonnen. Ihre ersten Gesangsstunden hatte sie bei Marja-Leena Varpio. Der Frau aus dem Vorstand des Haimhauser Kulturkreises, auf dessen Bühne Dietrichs nun zum ersten Mal in ihrem Leben steht. Es schließt sich ein Kreis an diesem Abend.

Caedée hat Dietrichs sich als Namen für ihre Band ausgedacht, es ist ein Spiel mit ihren Initialen. Der französische Klang ist kein Zufall. "Ich habe etwas Frankophiles in mir", sagt Dietrichs, "ich liebe französische Musik." Eine Liebe, die sie hörbar macht. Die Chansons, die Caedée spielt, gehören zu den schönsten Momenten des Abends. Dann glänzt Dietrichs Stimme. In "Je veux" und "Paris sera toujours Paris" von Zaz bringt sie genau die richtige Mischung aus Koketterie, Lebenssehnsucht und Eleganz. "Dernière danse" ist lässig-melancholisch. Ein Stück, bei dem Dietrich den Reichtum ihrer Stimme zeigt. Sie ist stark und zärtlich, verspielt und erwachsen. Es ist das erste Lied, das die Gruppe im Sommer 2014 zusammen spielte.

Die Unverstelltheit überträgt sich auf die Zuhörer

Eigentlich war Dietrichs nur auf der Suche nach Musikern, die mit ihr auf der Hochzeit ihres Bruders spielen wollten. Als sie das erste Mal mit Andrés Schwarzer und Jörg Baier zusammenspielte, war klar, dass es nicht bei dem einmaligen Spiel bleiben würde.

So stehen nun drei Musiker auf der Bühne, die nicht besser zueinander passen könnten. Sie strahlen große Ruhe aus, konzentrieren sich ganz auf ihr Spiel, ohne Zeit mit selbstdarstellerischen Moderationen zu verschwenden. Ihr Umgang miteinander ist familiär. Die Unverstelltheit überträgt sich auf die Zuhörer. Eine Atmosphäre wie bei einem Wohnzimmerkonzert. So sanft wie sie ist auch ihre Musik. Bei "Moonlight Sipping", einem ihrer selbstgeschriebenen Lieder, spielt Schwarzer ein wunderbar träumerisches Gitarrensolo. Später zeigt Baier, dass er nicht nur begleiten, sondern auch ekstatische Rhythmen aus seiner Cajón holen kann. Die aufregendsten Momente des Konzerts sind die, in denen die drei Musiker sich vom Träumerischen lösen und sich an wilderen Stücken versuchen.

Über allem schwebt Dietrichs wunderschöne Stimme. Sie erzählt von Liebe und Enttäuschung, von Verzweiflung und der Fähigkeit wieder aufzustehen, vom Spiel mit dem Feuer und vom Tod. Mal ist sie sanft und verständnisvoll, mal wütend und vorwurfsvoll. Leicht ist sie immer, auch in den Höhen schreit sie nicht, Intonation und harmonisch schwere Stellen bewältigt Dietrich mühelos. Caedée kann Chanson, verbaut Elemente aus Jazz, Soul und Pop, immer wieder auch in eigenen Stücken. Auf eine Kategorie festlegen lässt sie sich nicht. Carla Bruni und Zaz stehen neben Götz Alsmann, Sia, Muse und Queen. Dietrich singt deutsch, französisch, englisch. Stücken anderer Musiker einen eigenen Stempel aufzudrücken, geht allzu oft gehörig schief. Bei Caedée entsteht daraus etwas sehr Entspanntes.

Ein Heimspiel

Dafür, dass sie schon auf so vielen großen Bühnen stand, ist Dietrichs überraschend schüchtern. Sympathisch der Moment, in dem sie von der Bühne rennen muss, weil sie ihre Pfeife vergessen hat. Ja, sie ist aufgeregt. Es ist schließlich ein besonderer Abend. So viele, die im Publikum sitzen, kennt sie. "Da will man es noch besser machen", sagt sie nach dem Konzert. Sie war lange unterwegs, jetzt ist sie zurück. Nicht nur für dieses Konzert. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Prag, New York, Haimhausen. Warum?

"Ich habe zu Hause gebraucht nach dem ganzen Hin und Her." Hier im Fünfeinhalbtausend-Seelen-Ort kann sie sich besser fallen lassen in ihr künstlerisches Tun. Seit dem Herbst hat sie einen Hund, mit dem wohnt sie in einer Wohnung im Haus ihrer Eltern. "Ich habe es wieder für mich entdeckt." Dann muss sie aufhören zu sprechen. Die nächste alte Bekannte kommt auf sie zu, gratuliert ihr, will wissen, wie es ihren Eltern geht. Man kennt sie eben hier, in ihrem Dorf.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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