Süddeutsche Zeitung

Haftstrafen für Jugendliche:Hobby: Gangster

Aus Langeweile begehen zwei Dachauer Jugendliche im Alter von 17 und 19 Jahren mehrere schwere Verbrechen, darunter bewaffnete Raubüberfälle. Die Jugendstrafkammer am Landgericht verurteilt die beiden zu Haftstrafen.

Von Viktoria Großmann

Coolness, Langeweile, Ausbruch aus einem gut situierten Elternhaus - das erschienen Richterin und Staatsanwalt als die wesentlichen Motive für die Taten eines 17-Jährigen und eines 19-Jährigen aus Dachau. Wegen schweren bewaffneten Raubüberfalls in zwei Fällen sowie weiteren Taten müssen der 19-Jährige für fünf Jahre, der 17-Jährige für vier Jahre und sechs Monate in Haft. Der 19-Jährige hatte nur eine kleine Vorstrafe, sein Mittäter gar keine.

Beide hatten im Verlaufe des Verfahrens gestanden, im Januar eine Tankstelle und im Februar einen Spielsalon in Dachau überfallen zu haben. Dem Älteren wird ein weiterer Einbruch zur Last gelegt. Der Jüngere hatte zudem eingeräumt, dass er seine damals erst 13-jährige Freundin ohne deren Wissen beim Sex gefilmt hatte. Das Video hatte er danach im Freundeskreis verbreitet mit der Absicht, wie die Richterin zitierte, "sie in ihrer Ehre zu kränken und herabzuwürdigen". Das Mädchen galt zum Zeitpunkt der Tat rechtlich noch als Kind. Der Angeklagte habe gewusst, dass das Mädchen labil war und sich selbst verletzte. Bei dem Überfall auf den Spielsalon habe er zudem seinen älteren Bruder "mit hineingeritten". Dieser hatte Bedenken geäußert, sich aber letztlich überreden lassen. Sein Prozess wird gesondert nach Erwachsenenstrafrecht geführt.

"Sie wollten Wut ausleben."

"Sie haben Verstand. Sie sollten ihn für etwa gewinnbringendes einsetzen", gab die Richterin an der Jugendstrafkammer des Landgerichts München II dem Jüngeren mit auf den Weg. "Ihnen traue ich alles zu, bis hin zum Studium." Die hohen Strafen für beide begründete sie mit dem besonders planvollen und auch höchst aggressiven Vorgehen. Sie hatten den Mitarbeiter der Tankstelle mit einer Schreckschusspistole und einem Messer bedroht. In den Spielsalon gingen sie bewaffnet mit Springmessern und Schreckschusspistolen. Der Ältere war später noch in eine Shisha-Bar eingebrochen und hatte dabei auch große Zerstörungswut an den Tag gelegt. "Sie wollten Wut ausleben", sagte die Richterin.

Der Ältere hatte die Waffen besorgt und für die Beteiligen besonders auffällige Schuhe gekauft - damit bei der Tat die Aufmerksamkeit möglicher Zeugen den Schuhen gelte, sagte die Richterin. Zudem habe er darauf geachtet, dass sich der zweite Überfall anders abspiele als der erste, dass es keine feste Rollenverteilung gebe. "Sie wollten Verwirrung stiften." Für seine Opfer habe er keine Empathie gezeigt.

Hat ein Rapvideo die Jugendlichen auf die Idee gebracht, eine Tankstelle zu überfallen?

"Sie sollten sich einmal fragen, was ist wichtig ist im Leben", sagte die Richterin in ihrer etwa halbstündigen Urteilsbegründung. "Sind es dämliche Videos?" Die Jugendlichen hatten erklärt, der Musikclip eines Rappers habe sie auf die Idee zu dem Überfall auf die Tankstelle gebracht. "Vielleicht versteht die Jugendstrafkammer ja nicht, was Jugendliche heute so machen", fuhr die Richterin fort. "Sie wollen also das Leben genießen. Aber das hat eben dort Grenzen, wo Sie sich dafür strafbar machen." Sie rechnete den beiden an, dass sie sich persönlich, schriftlich und mündlich in der Verhandlung bei ihren Opfern entschuldig hatten. "Nur auf die Idee, sich bei ihren Eltern zu entschuldigen, sind Sie bedauerlicherweise nicht gekommen." Die Eltern hatten für ihre Söhne die Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld übernommen. Eine gute Prognose stellte die Richterin dem älteren auch aus, weil er aus einem "gesicherten, guten, ja liebevollen Elternhaus" stamme.

Zu dem jüngeren gewandt sagte sie: "Ihre Eltern sind ein gutes Vorbild. Sie führen ein ehrbares Leben. Sie haben diese Eltern enttäuscht." In der Haftzeit kann der jüngere zunächst seinen Schulabschluss machen. Beide könnten eine Lehre zumindest beginnen. "Sie sollen Ihre Haft nicht nur absitzen. Sie sollen auch profitieren." Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2018
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