Grünzug:Kompromiss der Naturschützer für Karlsfeld

Falls es der Gemeinde gelingt, ein umfassendes Landschaftsschutzgebiet ausweisen zu lassen, soll das geplante Gewerbegebiet nicht blockiert werden.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Der Bund Naturschutz hat ein Konzept vorgelegt, wie die Reste des regionalen Grünzugs zwischen den beiden größten Landkreiskommunen Dachau und Karlsfeld dauerhaft erhalten werden können. In einem ersten Schritt soll danach ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden, wie es auch die Stadt Dachau und die Gemeinde Karlsfeld anstreben. Allerdings sieht der Entwurf der Naturschützer ein größeres, zusammenhängendes Gebiet vor, insbesondere auf Karlsfelder Seite. Der BN will mit dem Konzept einen Paradigmenwechsel in der Raumordnungspolitik der Kommunen herbeiführen.

"Es geht darum, erst Freiräume zu sichern und dann erst zu bauen", erklärte der Dachauer Ortsgruppenvorsitzende des Bunds Naturschutz (BN), Peter Heller, bei einem Pressegespräch am Mittwoch. Und seine Karlsfelder Kollegin Marion Matura-Schwarz ergänzte: "Wir reden immer von Wachstum, alles muss wachsen. Aber wo wächst die Natur? Die Flächen sind endlich." Durch landwirtschaftliche und gewerbliche Nutzung sei das Moosgebiet über Jahrzehnte immer weiter beschnitten und zerstückelt worden, beklagen die Naturschützer - mit verheerenden Folgen für die Natur, aber auch für die Menschen. "Die verantwortlichen Kommunalpolitiker gönnen ihren eigenen Bürgern die Luft zum Schnaufen nicht", sagte BN-Kreisvorsitzender Roderich Zauscher.

Versiegelung und Verbauung hätten die wichtigen Funktionen des Grünzugs als Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet stark beeinträchtigt. Schon jetzt würden an der Schleißheimer Straße besorgniserregende Luftschadstoffwerte gemessen. Mehr Verkehr und Bebauung würde die Lebensqualität der Bürger dramatisch verschlechtern, warnte Peter Heller. Auch in seinem Wohnort Dachau Ost. "Wir erleben hier, wie ein Stadtteil immer mehr eingekesselt wird."

Neuer Konflikt

Dass der Vorstoß des BN gerade jetzt kommt, ist kein Zufall: An der Schleißheimer Straße am Rand zur Stadt Dachau treibt Karlsfeld wieder mit Hochdruck Pläne für ein Gewerbegebiet voran. 2010 war die Gemeinde mit einem ähnlichen Vorhaben in einem Ratsbegehren gescheitert. Nun gibt es einen neuen Anlauf der Gemeinde, und erneut bahnt sich eine Konfrontation an, die in einem Bürgerbegehren gipfeln könnte. Dabei schien die Gemeinde bereits eine Kompromisslösung gefunden zu haben: Um die Sorge zu entkräften, dass die Gewerbegebietsausweisung der Zersiedelung der letzten Grünflächen zwischen Dachau und Karlsfeld Tür und Tor öffne, hatte die Gemeinde beschlossen, weite Teile des noch unbebauten Mooses als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen und damit dauerhaft vor einer weiteren Bebauung zu schützen. Dieser Kompromiss war zunächst euphorisch gefeiert worden. Dann obsiegte in den Reihen der Bürgerinitiative Grünzug Dachau und Karlsfeld das Misstrauen, ob dieser Antrag nicht doch nur ein taktischer Trick der schwarz-roten Gemeinderatsmehrheit sei.

Mit dem nun vorgelegten Konzept erhöhen sich die Chancen auf einen Kompromiss wieder - vorausgesetzt die Gemeinde Karlsfeld ist zu weiteren Zugeständnissen bereit. "Der Antrag Karlsfelds zum Landschaftsschutzgebiet reicht nicht aus", sagt BN-Kreisvorsitzender Zauscher. "Die Parzellen sind zu klein." Der Bund Naturschutz fordert daher eine durchgängige Verbindung vom Tiefen Graben bis zum Krebs- und Saubach. Im Süden sollen außerdem Gebiete aufgenommen werden, die eine Brücke vom Karlsfelder See bis zum Schwarzhölzl schlagen.

Naturflächen sollen nicht nur erhalten, sondern auch aufgewertet werden

"Von der Fläche her ist das kein großer Wurf", sagte Roderich Zauscher. "Aber es sind wichtige Flächen. Es muss ein Landschaftsschutzgebiet angeboten werden, von dem auch die Bevölkerung etwas hat." Dann wäre der BN auch bereit, "die Kröte zu schlucken" und das von der Gemeinde Karlsfeld geplante Gewerbegebiet hinzunehmen, sagte Zauscher. Dafür müsse das Landschaftsschutzgebiet aber zunächst einmal rechtssicher beschlossen sein.

Im Konzept des Bunds Naturschutz ist die Sicherung der Flächen allerdings nur ein erster Schritt. Sie soll die Voraussetzung schaffen, Lebensräume entlang von Bächen und Gräben wieder besser miteinander zu vernetzen und einen Teil der Würm eines Tags wieder frei durch das geschützte Gebiet mäandern zu lassen und Luftbarrieren wie die mehr als 500 Meter lange Bretterwand in der Rothschwaige sukzessive zurückzubauen.

Der Bund Naturschutz hat sein Konzept nach eigenen Angaben bereits Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) vorgelegt ,ebenso Landrat Stefan Löwl (CSU). Den Antrag für das Landschaftsschutzgebiet stellen die Kommunen, darüber entscheiden muss aber der Kreistag. Im Jahr 2010 hatten die Kreis-Grünen schon einmal ein Landschaftsschutzgebiet zwischen Dachau und Karlsfeld beantragt. Nach positiven Vorberatungen im Kreisausschuss war er im Kreistag 2011 überraschend doch noch gescheitert; Landwirte und Grundeigentümer hatten sich quer gestellt.

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