Grüne im Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck:Enttäuschung an der Basis

Die Grünen-Abgeordnete Walter-Rosenheimer erklärt den Koalitionsvertrag. Viele bleiben trotzdem skeptisch

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Das Interesse an einer Debatte mit Beate Walter-Rosenheimer, Bundestagsabgeordnete der Grünen, über den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist groß. "Schön, dass es so viele sind", sagt Walter-Rosenheimer, als sie in ihrem Berliner Büro 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Zoom-Konferenz zählt. Die Veranstaltung findet nur wenige Tage vor der Abstimmung der Grünen über den Koalitionsvertrag statt, bei der am Montag 86 Prozent der Mitglieder zustimmen. Der vorab geäußerten Kritik zu urteilen, dürfte das Votum nicht alle Grünen im Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck freuen.

Walter-Rosenheimer verteidigt in ihrem 30-minütigen Eingangsstatement weitgehend die Vereinbarungen mit SPD und FDP ("mit Schweiß erkämpft"), aber die grüne Basis sieht das häufig ganz anders. Reinhard Jurk, Sprecher des Ortsverbandes Gröbenzell, bemüht schließlich sogar das Zitat von FDP-Chef Christian Lindner aus dem Jahre 2017: "Lieber nicht regieren als schlecht regieren." Die Gröbenzeller Grüne Katja Raths sieht es noch düsterer: "Das wird unser Ruin werden."

Besonders die Themen Verkehr und Klimaschutz bewegen die Diskutanten. Hubert Schulz weiß von einer ADFC-Konferenz zu berichten, bei der die Teilnehmer überaus enttäuscht auf den Koalitionsvertrag reagiert haben. "Da stehen nur zwei Sätze über den Radverkehr drin", sagt Schulz. "Verkehr - das ist ein großer Wermutstropfen", sagt auch Walter-Rosenheimer. Es sei schlimm, dass das Ressort bei der FDP gelandet sei. Dort gelte offenbar immer noch das Motto "Freie Fahrt für freie Bürger", kritisiert die Bundestagsabgeordnete. Die Grünen konnten auch das Tempolimit von 130 auf Autobahnen nicht durchsetzen. "Bayern wird beim Straßenausbau nicht mehr bevorzugt", kann Walter-Rosenheimer als einzig Positives vermelden. Sie erklärt der virtuellen Versammlung, dass FDP-Chef Lindner den Koalitionsvertrag davon abhängig gemacht habe, dass er Finanzminister wird".

Viel zu wenig hätten die Grünen beim Klimaschutz herausgeholt, ist die fast durchgängige Meinung der Versammlung. Es wird gefragt: "Wo waren eigentlich die roten Linien der Grünen?" Die FDP habe sich mit ihren durchgesetzt. Kritik gab es auch an der nicht vereinbarten steuerlichen Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. "Das ist verheerend", kommentiert Dominik Knöpfle. "So ist das leider", antwortet Walter-Rosenheimer. "Die SPD war da die größte Bremse." Auf den kritischen Beitrag von Karsten Christoph einzugehen, fehlt ihr die Zeit. "Wir haben noch eine Sitzung", sagt Walter-Rosenheimer, als sie sich nach einer guten Stunde um 19.40 Uhr verabschiedet. Christoph moniert, dass die Partei der Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr zugestimmt hat. "Das geht an meinem grünen Herz vorbei", kritisiert er. "Diese Pille ist mir zu bitter."

Walter-Rosenheimer, die sich dem linken Flügel der Partei zurechnet, hat zuvor noch durchblicken lassen, wie enttäuscht sie ist, dass Toni Hofreiter nicht Landwirtschaftsminister werden soll. "Da haben sich die Grünen nicht mit Ruhm bekleckert", sagt sie. Die Fraktion sei bei dieser Personalentscheidung zugunsten Cem Özdemirs nicht gefragt worden. Eine Diskutantin sagt: "Das verstehe ich nicht, wir hätten mit Hofreiter einen Profi gehabt." Walter-Rosenheimer verspricht, die Grünen würden versuchen, "das Beste daraus zu machen." Gut gelungen sei der Bereich für Kinder und Jugendliche mit der Kinder-Grundsicherung und der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Dafür wird jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also auch die Zustimmung der Union, benötigt. Die Alternative wäre erneut Opposition gewesen. Walter-Rosenheimer kennt das schon: "Da stellst du dann wieder ständig Anträge, die abgelehnt werden."

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