Gleichberechtigung von Frauen im Landkreis:"Der Zwang hilft"

Grünen-Kreischefin Marese Hoffmann plädiert für eine Frauenquote - übergangsweise

Interview von Anna-Sophia Lang, Dachau

Pünktlich zum Frauentag hat der Bundestag das jahrelang diskutierte Gesetz zur Frauenquote verabschiedet. Große Unternehmen müssen nun 30 Prozent weibliche Aufsichtsräte einsetzen. Das Gesetz ist ein Meilenstein, zeigt aber zugleich, dass die Gleichberechtigung nicht gerade mit großen Schritten vorangeht. 1911 wurde der Frauentag zum ersten Mal in Deutschland, Österreich-Ungarn, Dänemark und der Schweiz begangen. Die Frauen forderten damals das Wahlrecht und politische Teilhabe. Wählen dürfen Frauen zwar in den meisten Ländern. An der politischen Teilhabe mangelt es trotzdem. Wie weit ist der Landkreis Dachau bei der Gleichstellung von Männern und Frauen? Die SZ sprach mit Marese Hoffmann, Sprecherin der Grünen im Kreistag, über frühe Rollenprägungen, Altersarmut und den Sinn der Frauenquote - die Grünen im Bundestag haben sich bei der Abstimmung ihrer Stimmen übrigens enthalten.

SZ: Frau Hoffmann, wie gut vertreten sind Frauen in der Politik im Landkreis?

Marese Hoffmann: Da sehe ich leider seit Jahren keine Verbesserung. Was sich im vergangenen Mai im Kreistag abgespielt hat, war eine Lehrstunde in nicht gelingender Gleichstellung. In der CSU gab es mehrere hochkompetente Landratskandidatinnen, die das Amt auch gerne übernommen hätten. Die wurden aber gar nicht aufgestellt. Und das, obwohl es ein bayerisches Gleichstellungsgesetz gibt. Die einzige Landratskandidatin überhaupt, Michaela Steiner von den Freien Wählern, ist hinten runter gefallen. Wenn man gewollt hätte, hätte man sie viel mehr unterstützen können. Die Wahl war auch in anderer Hinsicht lehrreich: Sie hat gezeigt, dass die Frauen parteigerecht gewählt haben und nicht solidarisch miteinander waren.

Sind das die einzigen Gründe?

Die Frage ist doch: Wer wird auf die vorderen Listenplätze gesetzt? Wenn da keine Frauen stehen, sind ihre Chancen natürlich gering. Bei den Grünen setzen wir grundsätzlich Frauen auf jeden ungeraden Listenplatz, also eins, drei und so weiter. So schwer es uns auch manchmal fällt dafür Frauen zu finden, der Zwang hilft.

Das war aber nicht immer so.

Mit Eva Rehm hatten wir vorher wenigstens eine weibliche Landrats-Stellvertreterin. Es ist ein ziemlich trauriger Trick, dass man bei der letzten Wahl die Stelle eines vierten Stellvertreters kreiert hat, damit man wenigstens eine Frau dabei hat. In ganz Bayern gibt es nur drei weibliche Landräte. Dabei könnte sich einiges ändern, wenn wir in diesen Positionen mehr Frauen hätten. Landräte sind eine besonders wichtige Schaltstelle in der Politik. Sie sind ganz entscheidend für das, was in Bayern passiert.

Gleichberechtigung von Frauen im Landkreis: Marese Hoffmann, die Sprecherin der Grünen, ist eine der wenigen weiblichen Führungsfiguren in der Kommunalpolitik des Landkreises.

Marese Hoffmann, die Sprecherin der Grünen, ist eine der wenigen weiblichen Führungsfiguren in der Kommunalpolitik des Landkreises.

(Foto: Toni Heigl)

Wie sieht es in den Ortsverbänden aus?

In den Ortsverbänden der CSU haben wir nur zwei weibliche Ortsvorsitzende. Bei der SPD hat sich einiges geändert, da gibt es jetzt ein viel besseres Männer-Frauen- Verhältnis. Bei den Freien Wählern ist es ähnlich.

Wie stark sind Frauen in den Unternehmen?

Die größten Betriebe im Landkreis sind MAN, Autoliv und Helios. Im Helios-Beirat, der wichtige strategische Entscheidungen trifft, sitzen zehn Männer und zwei Frauen. Im Management von Autoliv sind es zehn Männer und eine Frau, im Aufsichtsrat von MAN sogar 14 Männer und nur eine Frau. Viele Frauen machen schlechter bezahlte Jobs in nach wie vor typischen Frauenberufen wie Erzieher oder Pfleger. Es ist kein Zufall, dass beim Franziskuswerk mehr Frauen arbeiten als in anderen Betrieben im Landkreis. Außerdem arbeiten wesentlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit. Und das alles, obwohl sie oft das bessere Abitur machen und bis zum Bachelor ganz vorne stehen.

Und dann geht es bergab?

Die hierarchische Struktur besteht nach wie vor eindeutig zum Nachteil der Frauen. Die Männer geben ihre Positionen nicht gern freiwillig ab. Das Dramatische ist, dass Unternehmen und Politik die äußeren Gegebenheiten nicht wirklich verändern. Quoten sind immer nur Krücken, aber in diesem Fall nötig. Die politischen Strukturen müssen Zwang ausüben, bis sich etwas verändert hat. Ich bin die erste, die sagt: Schafft die Quote ab - wenn sich die Situation von Frauen verbessert hat.

Welche Rolle spielt die Gesellschaft?

Die gesellschaftliche Sozialisation steht auf der anderen Seite der Thematik. Das fängt im Kindergarten an, wenn dort nur Frauen arbeiten. Da lernen die Kinder: Das ist ein Beruf für Frauen, nicht für Männer. In der Schule sind die Mädchen die Braven, die ihren Mund in den naturwissenschaftlichen Fächern nicht aufmachen. Am Ende entscheiden sie sich schnell für schlecht bezahlte "Frauenberufe". Sie brauchen Vorbilder, von denen sie von klein auf lernen, dass es Spaß macht, zu entscheiden und zu führen. Und dass man nicht immer die Bescheidene sein muss. Für Mädchen muss es selbstverständlich sein, dass eine Frau Schulleiterin ist oder Landrätin oder dass es eine Frau ganz oben im Klinikum gibt. Angela Merkel allein reicht nicht.

Frauen erzählen

Anlässlich des internationalen Weltfrauentages lädt die Arbeitsgemeinschaft Frauen in der SPD zu einem Erzählcafé in das Haus der Begegnungen der Dachauer Straße 16 in Markt Indersdorf ein. Unter dem Motto "Frauen erzählen Frauengeschichten" werden am Sonntag, 8. März, von 14 bis 17 Uhr, Teilnehmerinnen aus aller Welt von ihrer Arbeit und ihrem Leben berichten. Es gibt Kaffee, Tee und Gebäck. SZ

Was ist mit den Buben?

Bei ihnen ist es genau das Gleiche: Sie müssen erleben, dass es ganz normal ist, dass ein Mann im Kindergarten arbeitet. Und dass es Sachen gibt, die Mädchen und Buben beide machen müssen. Das gilt auch für Männer: Die Familien- und Hausarbeit wird zu 80 Prozent von den Frauen geleistet. Wenn Männer das nicht realisieren, dann nützt auch kein Gleichstellungsgesetz. Sehr viele junge Männer sind schon anders, aber das Thema ist noch nicht gegessen.

Stichwort Beruf und Familie: Welche langfristigen Konsequenzen hat die Mehrfachbelastung für die Frauen?

Sie haben gebrochene Erwerbsbiografien. Das führt dazu, dass ihre Rentenansprüche geringer sind. Außerdem: Wer jahrelang nur in Teilzeit arbeitet, kann wenig für eine zusätzliche Altersabsicherung zurücklegen. Diese Nachteile sind gravierend. Der Armutsbericht der Caritas zeigt, dass 60 Prozent derer, die im Alter auf Grundsicherung beziehen, Frauen sind.

Wie kann man dieses Problem lösen?

Familienzeiten - dazu zählen nicht nur Kinderbetreuung, sondern auch die von älteren Angehörigen - müssen massiv aufgewertet werden. Nicht nur für Frauen, auch für Männer. Man muss diesen Tätigkeiten einen anderen Stellenwert in Bezug auf Rentenansprüche geben. Wir brauchen eine Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit. Frauen und Männer müssen gemeinsam nach Lösungen suchen. Dann könnte sich etwas ändern.

Was können Frauen selber tun?

Frauen sollen sagen: "Wir müssen auch für unsere Rechte kämpfen und einstehen." Ich hoffe, dass die jungen Frauen sich nicht zurücklehnen und denken, es sei schon alles gut. Es gibt noch immer eine ganze Menge zu tun.

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