Gesundheitsamt Dachau:Warum immer mehr Kinder dick werden

Pommes und TV sind schuld am Übergewicht von Kindern, hieß es immer. Eine neue Studie mit Dachauer Beteiligung verspricht nun neue Erkenntnisse.

Helmut Zeller

Dicke Kinder geraten in einen Teufelskreis, aus dem es so leicht kein Entkommen gibt. Übergewicht begünstigt falsche Ernährung und führt zu weniger Bewegung und damit zu noch mehr Gewicht. Davor will Regina Ensenauer, Oberärztin am Haunerschen Kinderspital in München, Kinder bewahren. Sie erforscht in Zusammenarbeit mit dem Dachauer Gesundheitsamt in einer zweijährigen Studie die vorgeburtlichen Einflüsse, die zu späterem Übergewicht führen können. Eine erste Erhebung im Landkreis Dachau hat ein erschreckendes Ergebnis gebracht: Von 538 Kindern im Einschulungsalter waren 8,3 Prozent übergewichtig oder fettleibig.

Dicke Kinder

Fettleibigkeit bei Kindern ist ein zunehmendes Problem. Schon bei der Einschulung bringt fast jedes zwölfte Kind zu viele Pfunde auf die Waage. Anwärter auf den Weltrekort waren im Jahr 2004 die georgischen Kinder Luka Meliksischwili (rechts), der mit 15 Monaten 26 Kilo auf die Waage brachte und der damals 5-jährige Georgiy Bibilauri mit  62 Kilo.

(Foto: AFP)

Seit den 1980er Jahren hat das Problem bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen, der Anteil der dicken Kinder ist um die Hälfte gestiegen. Deutschlandweit leiden heute 15 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren an Übergewicht, mehr als sechs Prozent sind an Adipositas (Fettleibigkeit) erkrankt. Die Folgen sind - auch in finanzieller Hinsicht - gravierend: Die Betroffenen leiden an psychischen Belastungen, erkranken an Depressionen, Diabetes, entwickeln Bluthochdruck und Gelenkschäden.

Die Ursachen für Übergewicht sind schon lange bekannt: ungesunde Ernährung, falsches Essverhalten und mangelnde Bewegung der Computer- und TV-Generation. Auch die genetische Veranlagung spielt eine Rolle, doch neuere Untersuchungen weisen auf noch ganz andere Faktoren hin, die bisher kaum Beachtung fanden.

Darauf konzentrieren sich Regina Ensenauer und ihr Forschungsteam für die großangelegte Studie des Haunerschen Kinderspitals der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Das Gewicht der Mutter zu Beginn und eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft haben bereits einen Einfluss auf eine spätere Entwicklung von kindlichem Übergewicht. Der kausale Zusammenhang, von dem die Wissenschaftler überzeugt sind, ist so einfach nicht zu erkennen: Im Einschulungsalter oder in der Pubertät auftretendes Übergewicht kann bereits im Mutterleib Grund gelegt worden sein.

14000 Kinder brauchen die Wissenschaftler, um aussagekräftige Daten für ihre große Studie zu bekommen. Die Gesundheitsämter von Landshut, Passau, Augsburg Stadt, Rosenheim, Ansbach und Dachau machen mit. Regina Ensenauer lobt das Dachauer Team, das die Untersuchung seit vergangenen Jahr engagiert unterstütze. In Dachau habe das Gesundheitsamt die wissenschaftliche Studie für wichtig befunden und sehr aufgeschlossen reagiert. Die Eltern der Vorschulkinder erhalten zusammen mit der Einladung zur Schuleingangsuntersuchung einen kurzen Fragebogen. Bei den Kindern, die dann teilnehmen, wird Körpergröße, Gewicht und Taillenumfang gemessen. Übrigens, betont Ensenauer, ist natürlich nicht nur der Nachwuchs übergewichtiger Mütter angesprochen: Für die Studie sind ja gerade auch die Daten normal- oder auch untergewichtiger Mütter nötig.

Allerdings wünschen sich die Wissenschaftler beim nächsten Einschulungstermin 2011 noch mehr Resonanz: Von 1226 Schulanfängern wurden nur 538 gemeldet; das entspricht 44 Prozent, nötig wären allerdings 60 bis 70 Prozent. Oberärztin Regina Ensenauer und das Dachauer Gesundheitsamt betonen, dass die Daten komplett anonym gespeichert würden. Offenbar sind viele Eltern im Landkreis misstrauisch oder sehen einfach auch nur nicht, die Bedeutung der Studie. Die kann, wie Ensenauer erklärt, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schließlich geht es darum, dass geeignete Maßnahmen zur Prävention gefunden werden - damit Kinder erst gar nicht in diesen Teufelskreis geraten.

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