"Geschichten aus dem Dachauer Land":Am Ende des Regenbogens

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Bei Gaggers wurde 1751 ein sagenhafter Goldschatz entdeckt. Die Menschen in dem beschaulichen Weiler leben trotzdem immer noch bescheiden, aber zufrieden.

Von Gregor Schiegl, Odelzhausen

Ringsum Äcker und Felder auf den Hügeln, dahinter der Wald. Rotoren einer Windkraftanlage drehen sich behäbig in der Ferne, und das Schieferdach des Kirchturms im zwei Kilometer entfernten Nachbardorf Sittenbach sticht spitz ins Blau des Himmels. Das ist Gaggers: 20 Häuser, zwei Straßen, eine Bushaltestelle. Früher gab es mal einen Landwirt, der nebenbei einen Getränkemarkt betrieben hat. Hat sich nicht gelohnt. Es gab auch mal einen Hof mit eigener Hausbrauerei und Bierkeller, in den das Eis der umliegenden Weiher geschichtet wurde. Aber das ist lange her, 1963 ist die Brauerei abgebrannt. Johann Gronegger schaut auf seinen Zettel. Der 54-Jährige hat sich ein paar Stichpunkte über seinen Heimatort notiert. Viel ist es nicht. "Es ist relativ ruhig hier." Ach ja, 2008 ist Gaggers an die Kanalisation angeschlossen worden. Oder war's 2009?

Gaggers ist Endstation. Oder Einstieg, je nachdem, aber dann muss man schon sehr früh aufstehen. Um 5.45 Uhr fährt der Bus 732 los, um 6.30 Uhr ist man in München-Pasing. In Gaggers wohnen viele Pendler und junge Familien, 21 Einwohner sind unter 18. Am Ortsrand steht ein neues Haus, himmelblau, der erste Bewohner, der nicht aus Gaggers stammt. "Wir leben inzwischen auch schon im Einzugsbereich von München", sagt Johann Gronegger. Er ist froh, dass er sich nur auf seinen Traktor setzen muss. In zwei Minuten ist er am Arbeitsplatz. Ohne Stress. Ohne Stau. An einem Wohnhaus prangt eine Sonnenuhr mit dem Motiv eines pflügenden Bauern. Darunter steht: "Das schönste Wappen auf der Welt ist der Pflug im Ackerfeld".

Hühner gibt es hier keine mehr

1856 kam sein Vorfahre, ein gewisser Michael Gronegger nach Gaggers, seitdem sind die Groneggers Landwirte. Im Stall stehen 60 Kühe, ein bäuerlicher Familienbetrieb, vor ein paar Wochen sind ein paar Kälbchen dazu gekommen. Der Sohn geht auf die Landwirtschaftsschule. Vermutlich werden die Groneggers bald die einzigen Bauern sein, die Landwirtschaft im Haupterwerb betreiben. Es gibt nur noch zwei. Der Strukturwandel geht auch an Gaggers nicht spurlos vorbei.

Das ist deshalb besonders traurig, weil man im Ort vermutet, der Dorfname Gaggers könne eventuell etwas mit "Gackern" zu tun haben. Die Gründer des Klosters von Taxa bei Odelzhausen soll auf ein wundermächtiges Huhn zurückgehen, das ein Ei legte, auf dem ein Stern zu sehen war. Aber Hühner gibt es in Gaggers nicht mehr. Die letzten besaß Xaver Arzberger. Der Fuchs hat sie vor vier Jahren geholt. Er habe noch gesehen, wie der Fuchs über den Zaun setzte, erzählt er. Seitdem hat es sich ausgegackert.

Ärger haben die Bauern hier auch mit den Wildschweinen, die sich in den Wäldern des Grafen von Hundt aus Unterweikertshofen breit machen. Der Forstwirt "züchte" die Sauen regelrecht statt sie zu schießen, sagen sie hier, er jage nur die Rehe. Die anderen Jäger drücken ab, sobald sie einen Schwarzkittel sehen, dafür verschonen sie die Rehe. Auch in Gaggers sind sich nicht alle ganz grün. Trotzdem gibt es einen starken Zusammenhalt. Wenn die Kinder früher heimkommen, kümmern sich die Nachbarn um sie, das ist sehr praktisch. "Jeder kennt jeden", sagt Johann Gronegger. "Man hilft sich gegenseitig." Und einmal im Jahr gibt es auch ein Dorffest.

Goldrausch in Gaggers

Man kann allerdings nicht über Gaggers sprechen, ohne das Jahr 1751 zu erwähnen. Einen Kilometer vom Ort fand das Hirtenpaar Franz und Anna Sondermayr beim Viehtreiben in einem Wäldchen konkav geformte Goldmünzen im Boden. Nach dem Volksglauben handelt es sich um "Regenbogenschüsselchen": Dort, wo der Regenbogen die Erde berührt, hinterlässt er eine Goldspur, heißt es. Sie bringt den Findern Glück. Das konnten die Sondermayrs gut gebrauchen. In ihrer Hütte warteten vier Kinder auf Essen, das fünfte war schon unterwegs. Die schwangere Anna Sondermayr grub weiter. Immer mehr Gold kam zum Vorschein. Die Geschichte sprach sich herum, bald herrschte ein Goldrausch wie im Wilden Westen. Am Ende durchwühlten bis zu 200 Schatzsucher gleichzeitig den Boden. Bis zu 1400 Regenbogenschüsselchen kamen ans Tageslicht.

Natürlich waren sie nicht göttlichen Ursprungs, sondern von Menschenhand geschaffen. Die Münzen, jede 7,6 Gramm schwer, stammten vom keltischen Stamm der Vindeliker und wurden vor mehr als 2000 Jahren in der Latènezeit geprägt. Nur elf Münzen blieben vom legendären Goldschatz erhalten. Die Originale liegen in der Bayerischen Münzsammlung. Im Huttermuseum in Kleinberghofen, bei dem Wolfgang Assmann auch Vorstandsmitglied ist, kann man die Nachbildungen bestaunen. Assmann ist ein Experte für den Schatz von Gaggers. Der Hobbyarchäologe aus Walkertshofen beschäftigt sich schon lange mit der Frühgeschichte, weltweit, aber auch im Landkreis. Er weiß auch, wo der Schatz gefunden wurde. Ausnahmsweise zeigt er die Stelle - passenderweise nach einem Regenguss, wenn die Regenbogenschüsselchen besonders leicht zu finden sein sollen. Jedenfalls für Sonntagskinder.

Der Feldweg ist schlammig, die letzten Meter geht es durchs nasse Gras, links und rechts steht der Mais mannshoch. Eine genaue Ortsbeschreibung verbietet sich. Noch heute rücken Schatzsucher mit Sonden und Schaufeln an. Der Boden des Wäldchens hinter dem Maisfeld ist aufgegraben, im Feld trampeln immer wieder Leute herum. Das wollen die Grundbesitzer nicht. Vor einiger Zeit hat Wolfgang Assmann mit ihrem Einverständnis ein 50 mal 50 Meter großes Feld um die historische Fundstelle fachmännisch untersucht. Viel Metall kam an die Oberfläche, rostige Nägel, die beim Odeln mit aufs Feld ausgetragen wurden. Aber kein Gold.

Gold für die Götter

Warum der Schatz vergraben wurde, ist unklar. Eine Theorie besagt, die Kelten hätten ihn vor Feinden versteckt; im Jahr 100 vor Christus rückten Kimbern und Teutonen ins Siedlungsgebiet der Vindeliker vor. Die andere Theorie, der auch Wolfgang Assmann zuneigt, ist die, dass es sich um einen Weihefund an einem religiösen Platz handelt. Sozusagen ein Geldopfer. Als Zahlungsmittel waren Goldmünzen bei den Kelten eine Rarität. Die meisten Münzen waren aus Silber, nur sechs Prozent des Währungsumlaufs waren aus Gold.

In Gaggers gibt es heute keine Nachkommen mehr jener Glücksritter von damals. Der einzige verbliebene Schatz im Ort ist die Marienkapelle, ein barockes Kleinod, das die Gemeinde mit Spenden 2004 neu hergerichtet hat. Durch Gucklöcher kann man das Innere bewundern, die Nachbildung der Madonna aus Altötting. Ihr Gesicht ist schwarz, auch das Jesuskind hat dunkle Haut. Vermutlich eine Folge des Alterungsprozesses. Johann Gronegger hat seine eigene, charmante Erklärung für das Mirakel: "In Gaggers waren wir schon immer sehr integrationsfreundlich." Sicherheitshalber wurde die Pietà ausgelagert, für die Dorfkapelle war sie doch etwas zu wertvoll. Sie befindet sich heute in der Kirche im Nachbarort Sittenbach. Dort findet auch das gesamte Vereinsleben von Gaggers statt, dort gibt es sogar einen Tante-Emma-Laden. Und in Sittenbach gehen die Leute aus Gaggers auch zur Kirche.

Bei der Schatzsuche 1751 trat der Sittenbacher Pfarrer Anton Rottmanner besonders raffgierig auf. Er setzte Gesinde und Gemeinde ein, das Gold zu bergen und ihm abzuliefern. Außerdem schwor er sie auf Stillschweigen ein - trotz der Androhung empfindlicher Strafen durch eine staatliche Kommission. Die ließ sich in Odelzhausen nieder und verhörte 14 Tage lang Kleinbauern, Mägde und Tagelöhner. Aber Pfarrer Rottmanner hatte seinen Schäfchen die Ahnungslosigkeit gut eingeimpft. Der Großteil des Schatzes blieb unauffindbar.

Arm und ehrlich

Nur die Sondermayrs gaben ihren ganzen Fund ab: 582 Goldschüsselchen. Eine einzige Münze ist laut Wolfgang Assmann im Schnitt heute 3000 Euro wert. Die Ehrlichkeit der armen Hirten machte so viel Eindruck, dass man Franz Sondermayr 900 Gulden als Entschädigung auszahlte. Leider war das Bewusstsein für archäologische Schätze zu dieser Zeit noch nicht entwickelt. Kurfürst Max III. Joseph ließ den Keltenschatz für Golddukaten einschmelzen, die er dringend für seine Kriegskasse im Kampf gegen Preußen benötigte. Von den wenigen erhaltenen Münzen des Goldschatzes ist die wertvollste die mit dem Stempel eines Hirschkopfs. Er stellt vermutlich Cernunnos dar, einen keltischen Gott für Fruchtbarkeit und Wachstum. Das Motiv wurde auch zum Emblem des 2008 gegründeten Archäologischen Vereins für Stadt und Landkreis Dachau.

Pfarrer Rottmanner wurde wegen angeblicher Unterschlagung zwei Monate ins Gefängnis gesperrt. Später renovierte er das Pfarrhaus und verpasste er der bescheidenen Dorfkirche von Sittenbach einen neuen Look. Er donnerte sie mit einer prächtige Rokoko-Decke auf, Johann Georg Dieffenbrunner aus Augsburg bemalte das Deckegewölbe mit einer Szene des Heiligen Laurentius: Der römische Diakon starb als Märtyrer, weil er den ihm anvertrauten Kirchenschatz nicht an den Kaiser herausrücken wollte. Eine erstaunliche Parallele zu den Vorgängen 1751. Allerdings übernahm sich Rottmanner mit seiner Bauwut. Als er im Alter von 59 Jahren starb, war er hoch verschuldet. Eine Steintafel an der Kirche von Sittenbach erinnert heute noch an ihn.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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