Gerichtsprozess:Ehrliche Veruntreuer

Zwei Unternehmens­geschäftsführer sparen Sozialabgaben von Mitarbeitern ein. Vor Gericht geben sie sich aufklärerisch

Von Thomas Hürner, Dachau

Das Gefühl kollektiver Erleichterung legte sich am Montagvormittag über den Sitzungssaal, als Richter Tobias Bauer sein Urteil ausgesprochen hatte. Bauer bedankte sich dann noch bei allen Beteiligten für "die sehr angenehme Verfahrensatmosphäre"; die Staatsanwältin erklärte lächelnd, dass sie auf weitere Rechtsmittel verzichten werde und die beiden Angeklagten sowie ihre Verteidiger sprachen hinterher von einer "Verhandlung, die das Rechtsempfinden eines jeden Bürgers bestärkt".

Die beiden Geschäftsführer eines Landschaftsbauunternehmens im Landkreis wurden schuldig gesprochen für das Vorenthalten und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 532 Fällen, und das bei einem entstandenen Schaden von über 330 000 Euro. Dass jeweils nur eine zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe von elf Monaten ausgesprochen wurde, lag vor allem an zahlreichen mildernden Umständen und der Kooperationsbereitschaft der beiden Angeklagten.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren hatten sie ein Konstrukt angewandt, mit dem Überstunden der Mitarbeiter über Minijobs in einer anderen Firma, bei der einer der beiden Angeklagten ebenfalls als Geschäftsführer tätig war, abgerechnet und damit Sozialabgaben eingespart wurden. Beide Firmen gehören zusammen und nutzen die gleichen Ressourcen, alles wurde fein säuberlich im EDV-System der Unternehmen aufgezeichnet. "Das war buchhalterisch sauber, rechtlich aber natürlich bedenklich", sagte der zuständige Ermittler des Hauptzollamts in Landshut, der als Zeuge geladen war und immer wieder das "vorbildliche Verhalten" der beiden Angeklagten lobte. Diese hätten vom ersten Tag der rund neun Monate andauernden Ermittlungen an "ehrliche Aufklärungsarbeit" geleistet - eine Bereitschaft, die es in seiner täglichen Arbeit "alles andere als oft" zu beobachten gebe.

Sogar die Deutsche Rentenversicherung habe sich für ein "sehr angenehmes Gespräch" mit den Angeklagten bedankt, wie Richter Bauer zu seiner eigenen Verwunderung aus den Dokumenten zitierte: "Das habe ich davor so auch noch nicht gesehen." Ebenso selten sei es, dass sämtlicher Schaden "unter größter Anstrengung" beglichen wurde.

Ausschlaggebend für das milde Urteil war wohl vor allem, dass die Ehrlichkeit der Angeklagten keine bloße Strategie, sondern "ein zentrales persönliches Anliegen gewesen ist", wie einer der Verteidiger sagte. Keiner der beiden Geschäftsführer war zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten, ein besonderes Maß an kriminellen Energien wollten ihnen weder die Justiz noch der Ermittler vom Hauptzollamt unterstellen. Vielmehr hätten sie aus wirtschaftlichen Zwängen gehandelt, erklärte die Verteidigung: Im Gartenlandschaftsbau herrsche Fachkräftemangel, eine starke Konkurrenz, die Nachwirkungen der Finanzkrise und der Ballungsraum München mit seinen unerschwinglichen Mieten hätten ihr Übriges getan. Auch sei die Initiative vor allem von den Angestellten gekommen, die ein höheres Nettogehalt gefordert und die Geschäftsführung auf diese Weise vor ein nur schwer zu lösendes Problem gestellt hätten. "Wir mussten uns ein Konstrukt ausdenken, mit dem wir den Mitarbeitern mehr zahlen können, ohne unsere Kosten zu erhöhen", erklärte einer Angeklagten. Es sei ein schleichender Prozess gewesen, der irgendwann in einer kriminellen Handlung geendet habe - "ein unglaublicher Fehler", wie beide immer wieder beteuerten.

Dass sie diesen Fehler in einer branchenuntypischen Art und Weise begingen, nämlich anhand von formellen Beschäftigungsmodellen, sprach am Ende eher für als gegen die Angeklagten. Schwarzgeld, "ein Usus im Landschaftsbau", wie die Verteidigung anmerkte, sei nie eine Option gewesen. Richter Bauer hob deshalb hervor, dass diese "ungewöhnliche Strafe" gerechtfertigt sei. Ein höheres Strafmaß hätte das Ende der beiden Geschäftsführer-Karrieren bedeutet.

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