Man möchte sich nicht vorstellen, unter welchen Zwängen und Schmerzen diese Kinder gelitten haben, als die Bilder und Videos von ihnen entstanden sind. Die Medien hatte sich ein damals 19-jähriger Landkreisbürger auf sein Handy heruntergeladen, sie zeigen zum Teil schweren sexuellen Missbrauch an Kindern: Eine Sechsjährige muss ihren Intimbereich vor dem Fotografen präsentieren, eine Zwölfjährige sexuelle Handlungen an einem Mann durchführen und ein weiteres Video zeigt eine Sechsjährige, die vor laufender Kamera sexuell missbraucht wird. Jetzt musste sich der Angeklagte wegen des Besitzes von kinderpornografischen Inhalten vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.
Der Fall flog durch US-amerikanische Provider auf, wie Richterin Cornelia Handl im Telefonat nach der Verhandlung erklärte. Die Provider, also Internetanbieter, sind verpflichtet, verdächtige Inhalte an die halbstaatliche US-amerikanische Organisation "National Center for Missing & Exploited Children" (Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder) zu melden. Das Zentrum gibt es anschließend an die entsprechenden Strafbehörden weiter - in diesem Fall an die "Zentralstelle Cybercrime" der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg.
Der Angeklagte zeigt Reue
Daraufhin ließ die Behörde im Mai vergangenen Jahres das Haus durchsuchen, in dem der Angeklagte mit seiner Mutter lebt. Mehrere Gegenstände wurden dabei sichergestellt, das Handy mit Sim-Karte, ein USB-Stick, zwei Laptops und drei Computer - lediglich auf dem Smartphone wurden Kinderpornos gefunden. "Das Handy bekommen Sie nicht mehr", sagte Richterin Handl beim Prozess in Richtung des Angeklagten. Er nickte. Der mittlerweile 20-Jährige ist im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Straßenwärter, er wirkte ruhig, seine Hände lagen gefaltet auf der Anklagebank, er knetete sie immer wieder und ließ seine Verteidigerin für ihn sprechen. Sie räumte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft komplett ein und erklärte für ihren Mandanten, warum er sich die Kinderpornos heruntergeladen hatte: "Es war Neugier, etwas Fremdes, etwas, das man vorher nicht kannte."
Außerdem seien die Downloads ein Fehler gewesen, "den man nicht rechtfertigen und leider nicht mehr rückgängig machen kann". Gleichzeitig habe sich ihr Mandant nach der Hausdurchsuchung schnell Hilfe geholt. In sieben Stunden bei einem Psychotherapeuten habe er die Tat aufgearbeitet und dabei zeigte sich, dass der Angeklagte keine pädophilen Neigungen habe, so die Verteidigerin. Darüber hinaus meldete er sich bei einem Medienworkshop der Brücke Dachau an, der Verein fördert unter anderem die gesellschaftliche Eingliederung von straffälligen Heranwachsenden. Unter anderem geht es bei dem Medienworkshop einen Tag lang um Medienkompetenz und den Umgang mit kinderpornografischen Inhalten, so Sozialpädagoge Karl Hartmann von der Brücke Dachau.
Staatsanwalt fordert Jugendarrest
Im Gespräch erfuhr Karl Hartmann vom Angeklagten, dass er ein "Sport- und Bewegungsmuffel" sei und einen großen Teil seiner Freizeit am liebsten mit digitalen Endgeräten verbrachte. Zum Tatzeitpunkt und auch aktuell lebt der 20-Jährige noch bei seiner Mutter. Sozialpädagoge Hartmann plädierte daher für die Anwendung von Jugendstrafrecht, da der Download der Kinderpornos wohl ein "singuläres Ereignis" gewesen sei und erklärte für den Angeklagten: "Ihm ist schon bewusst, dass die Kinder missbraucht und misshandelt wurden und dadurch ihr ganzes Leben zerstört wurde."
Staatsanwalt Marcel Böger willigte ein, Jugendstrafrecht anzuwenden, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt - trotz seiner Ausbildung - noch von seinem Elternhaus abhängig war. Zu Lasten des Angeklagten spreche, dass die Dateien zum Teil schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, wie das Video, in dem eine Sechsjährige sexuell missbraucht werde. Außerdem waren es mehrere Medien, die sich der damals 19-Jährige heruntergeladen hatte: "Das war nicht nur Neugierde." Als Strafe forderte der Staatsanwalt ein Wochenende im Jugendarrest und, dass der Angeklagte die Kosten des Verfahrens trage. Daraufhin erklärte die Verteidigerin, dass ihr Mandant die Verfahrenskosten von rund 7600 Euro mit seinem Netto-Gehalt von rund 1000 Euro nicht stemmen könne, da er für seinen Arbeitsweg hohe Spritkosten und gleichzeitig keine Rücklagen habe.
Richterin Handl urteilte, dass der 20-Jährige insgesamt 500 Euro, mindestens 100 Euro im Monat, an den Landesverband Bayern des Kinderschutzbundes überweisen muss. Außerdem trägt er mit 1500 Euro einen Teil der Prozesskosten, die übrigen rund 6000 Euro muss die Staatskasse übernehmen. Handl sah den Freiheitsarrest als nicht notwendig: "Ich denke, der Angeklagte hat schon viel aus der Tat gelernt." Ähnlich wie der Staatsanwalt rechnete sie dem 20-Jährigen positiv an, dass er noch nicht vorbestraft gewesen sei, nichts dagegen gehabt hätte, dass sein Handy eingezogen worden sei und er sich schnell zu Psychotherapie und Medienworkshop angemeldet habe. Trotzdem betonte sie: "Die Bilder und Videos zeigen schweren sexuellen Missbrauch, zum Teil von noch sehr jungen Kindern."