Georg-Kreisler-Abend:Sensible Spurensuche

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Eine ausdrucksstarke Besetzung: Janet Bens. (Foto: Toni Heigl)

Das Hoftheater Bergkirchen widmet Georg Kreisler einen Abend. Und zeigt die beklemmende Aktualität seiner Texte

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Georg Kreisler und das Hoftheater Bergkirchen: Das ist eine sehr spezielle Beziehung. Hatte doch 2005 das seinerzeit gerade vom Schwarzwald in die Region umgezogene Ensemble für seine erste Produktion in Dachau "Heute Abend Lola Blau" ausgewählt. Immer wieder tauchen Chansons und Couplets aus diesem Kreisler-Musical in diversen Programmen des Hoftheaters auf. Es wurde also Zeit für einen Kreisler-Abend mit dem viel versprechenden Titel "Komm mit mir auf eine wahre Reise. . ." Jetzt fand die Premiere in der gut besuchten Kulturschranne statt.

Die Einladung zur Reise entpuppte sich als zweistündiger, nachdenklich-unterhaltsamer Parforceritt durch Biografie und Werk des Komponisten, Texters, Pianisten, Chansonniers, Essayisten und Buchautors Georg Kreisler. Janet Bens, Tobias Zeitz, Herbert Müller und Bernhard Schneider sangen und lasen, am Klavier kraftvoll und doch einfühlsam begleitet von Robert Scheingraber. Eine ausdrucksstarke Besetzung, die sich nicht vom Melodien- und Sprachschein verführen ließ, die sich vielmehr auf eine sensible Spurensuche begab und Kreislers langes Leben intensiv mit dem Zeitgeschehen verband.

Der 1922 in Wien geborene Kreisler musste 1938 mit seinen Eltern in die USA emigrieren, weil sie nach dem sogenannten Anschluss Österreichs als Juden von den Nazis heftig verfolgt wurden. Er wurde 1943 amerikanischer Staatsbürger und kehrte 1955 nach Europa zurück. 2011 starb Kreisler in Salzburg. Kreisler hat für Charlie Chaplin Klavier gespielt, für die Salzburger Festspiele hat er Nestroys Lumpazivagabundus bearbeitet. Er hat mit August Everding in den Münchner Kammerspielen das Erfolgsprogramm "Zwei alte Damen tanzen Tango" auf die Bühne gebracht. Wie viele Arbeiten Kreislers wurde auch diese von der Kritik zerrissen und vom Publikum geliebt. So zumindest hat es Kreisler immer wieder beschrieben. Kreisler wollte nie Kabarettist sein und ist doch zum Olympier dieses Genres geworden. Im hohen Alter hat er sich zudem verbeten, als Chansonnier betitelt zu werden. Als er "Tauben vergiften im Park" geschrieben habe, habe er nicht geahnt, "dass mich faule Journalisten noch jahrzehntelang damit belästigen würden, sonst hätte ich es mir anders überlegt", ist in seiner Biografie "Letzte Lieder" zu lesen.

Wie gut, dass der sonst so scharfsichtige Kreisler wenigstens in diesem Punkt im Tal der Ahnungslosen gelebt hat. Was gibt es für einen passenderen Auftakt für einen ihm gewidmeten Abend als genau dieses sublim-subversive Chanson, mit dem Tobias Zeitz seinem Publikum zeigte, wohin die Reise gehen sollte? Das "Frühlingslied", so der irreführende Titel, zeigt idealtypisch, wie Kreisler sich mit den ewig Gestrigen, mit den Satt-Selbstgefälligen angelegt hat, wie er menschliche Bösartigkeit und Schwächen so treffend tiefschwarz-boshaft analysiert hat, dass seinen Texten und Liedern etwas Zeitloses anhaftet.

Welche inneren und äußeren Verrenkungen der Mensch unternimmt, nur um einen Job zu ergattern, ließ sich exemplarisch beim hinreißenden Vorsingen "Im Theater ist nichts los" von Lola Blau (Janet Bens) nachvollziehen. Da wurde der Mensch zum Chamäleon, das seine eigene Persönlichkeit hinter tausend liebedienerischen Masken versteckt. Und das Lachen blieb im Halse stecken. Von beklemmender Aktualität angesichts der inzwischen allgegenwärtigen "alternativen Fakten" ist "Das klassische Gedicht". Janet Bens und Herbert Müller machten aus der "Szene für einen Schauspieler und der Bevollmächtigten der Programmdirektion" eine Parabel auf die schleichende Vergiftung der Wahrheit durch Wort- und Inhaltsverdreherei.

Szenenwechsel: Was alles so im Kopf passieren kann, "Wenn die Mädchen nackt sind" hat Kreisler in diesem Gedicht beschrieben. Herbert Müller las es mit einem fast hörbaren inneren Lachen. Es ist genauso wenig weltfrauentagskompatibel wie die beiden Chansons "Sie ist ein herrliches Weib" und "Mein Weib will mich verlassen". Die sang Tenor Bernhard Schneider herrlich überdreht und trug so zum hohen Wiedererkennungswert bei Frau und Mann bei. Das Gedicht zumindest beschreibt - Stichwort zeitlos - wunderbar den heutigen Beauty- und Fitnesswahn.

Beim "Best of Kreisler" durften weder "Telefonbuchpolka" noch "Der Tod, das muss ein Wiener sein" fehlen. Den Zungenbrecher Telefonbuchpolka meisterte Tobias Zeitz ebenso souverän wie er dem morbiden Charme des Wiener Tods huldigte. Und auch der von Kreisler so verachtete "Musikkritiker" bekam sein Fett ab. "Zu leise für mich" sang Janet Bens zum guten Schluss. Der Applaus am Ende dieser wahren Reise war dagegen laut und begeistert - verbunden mit dem Wunsch, endlich wieder "Lola Blau" in voller Länge sehen zu können.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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