Gemeinderat Vierkirchen:Die Windel-Frage

Der Vierkirchener Gemeinderat berät einen ungewöhnlichen Antrag von Anna Braun (SPD).

Von Benjamin Emonts, Vierkirchen

Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) muss kurz lachen, als er auf den Windel-Antrag seiner Fraktionskollegin Anna Braun angesprochen wird - doch dann wird er ernst. Die Idee hinter dem Antrag hält er für durchaus berechtigt. In einem Zeitalter, in dem Plastiktüten aus ökologischen Gesichtspunkten immer unbeliebter werden, sollten Einwegwindeln aus Plastik auch hinterfragt werden, findet SPD-Gemeinderätin Anna Braun. Wiederverwendbare Stoffwindeln sollten ihrer Ansicht nach von der Gemeinde finanziell gefördert werden. Der entsprechende Antrag wird an diesem Donnerstag im Vierkirchner Gemeinderat behandelt. "Ich glaube, die Diskussion wird sehr kontrovers", frohlockt Bürgermeister Dirlenbach.

Stoffwindeln Mehrwegwindeln Wiederverwendbare umweltfreundliche Windeln Baby

Mit den umständlichen Exemplaren früherer Tage haben die neuen Stoffwindeln nichts mehr gemein.

(Foto: Marco Herz/Windelmanufaktur)

Er selbst ist sich allerdings nicht sicher, welches Windelmodell er als Baby getragen hat. "Da müsste ich meine Mutter fragen." Immerhin erinnert er sich an einen Vorfall mit einer Kastanie, die ihm als Kind mal auf den Kopf gefallen ist und eine Platzwunde hinterlassen hatte. Die Wirtin wickelte ihm damals als Erste-Hilfe-Maßnahme einen Turban aus - jetzt kommt's - einer Stoffwindel um den Kopf. "Zum Glück", sagt Dirlenbach heute.

Aber Spaß bei Seite. Die Windelwahl ist offensichtlich ein ernstes Thema. Wer ein bisschen im Internet stöbert, findet nicht nur eine riesige Auswahl an teils niedlich aussehenden Stoffwindeln mit Pünktchen, Blümchen oder kleinen Schiffchen. Er stößt vor allem auf umfangreiche Diskussionen insbesondere junger und angehender Mütter. Es dreht sich darin immer um die Fragen: Welcher Windeltyp ist denn nun der bessere? Welcher ist preisgünstiger? Welcher umweltverträglicher? Welcher praktischer? Und natürlich: Welcher modischer?

Designer-Stücke in allen Farben

Dazu muss man wissen, dass die Stoffwindeln von heute fast nichts mehr mit denen von früher zu tun haben. Die Modelle von heute heißen etwa Erdbeere oder Zaunkönig, es sind wahre Designer-Stücke in allen Farben und Mustern. Die alten Exemplare sahen dagegen aus wie bessere Verbände, die den kleinen Kindern notdürftig, aber durchaus mühsam umgebunden wurden. Meist bestanden sie aus Leinen, erinnern sich Erwachsenen an ihre Kindertage. Die Zeit damals war nicht immer sehr hygienisch.

Anna Braun

SPD-Gemeinderätin Anna Braun nimmt sich Ismaning oder Starnberg zum Vorbild. Die Gemeinden unterstützen bereits finanziell den Kauf von Stoffwindeln, um die Umwelt zu schonen.

(Foto: SPD/oh)

"Viele wissen leider nicht, dass die neuen Systeme nicht mehr so umständlich sind und noch dazu pfiffig und modern aussehen", sagt Gemeinderätin Braun. Sie habe sich zwar nicht wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt, doch will sie erfahren haben, dass die Stoffwindeln in der Gesamtrechnung 70 Prozent günstiger kommen als Einwegwindeln. Für die Babys seien sie hautfreundlicher und komfortabler. Weiter gibt Braun zu Bedenken, dass ein Baby während der Wickelphase etwa 4000 Einwegwindeln verbrauche, was rund eine Tonne nicht abbaubaren Plastikmüll verursache. Und sie führt an, dass Kleinkinder mit Stoffwindeln ungefähr ein halbes Jahr früher sauber würden. Die Stoffwindeln fühlten sich für Kinder feuchter an, sodass sie früher lernten, Mama oder Papa rechtzeitig Bescheid zu geben.

Windel-Subventionen in anderen Kommunen

Eine Erstausstattung Stoffwindeln inklusive des Windelvlies kostet nach Brauns Schätzung etwa 250 Euro. Sie wünscht sich, dass die Gemeinde entweder einen Pauschalbetrag von 100 Euro oder alternativ 30 Prozent der Anschaffungskosten ersetzt, sobald die Eltern einen Kaufbeleg vorzeigen. Die Förderung soll insgesamt auf einen Betrag zwischen 1000 und 2000 Euro gedeckelt werden. Bei 3o bis 35 Babys, die in der Gemeinde jährlich zur Welt kommen, könnten einige Eltern von der Förderung profitieren. Bürgermeister Dirlenbach sagt: "Uns fällt kein Zacken aus der Krone. Und wir hätten etwas für die Umwelt getan."

Andere Kommunen wie Unterföhring, Grünwald, Ismaning oder Starnberg schütten bereits Windel-Subventionen aus. Braun sagt, sie habe den vollen Rückhalt der immerhin siebenköpfigen SPD-Fraktion, der größten im Vierkirchener Gemeinderat. Bürgermeister Dirlenbach bereitet allerdings Bauchschmerzen, dass er gerade erst die Hebesätze für die Grundsteuer angehoben hat, um den gemeindlichen Haushalt zu entlasten. Er befürchtet deshalb, das Windel-Geld könnte zum falschen Zeitpunkt auf der Tagesordnung stehen. Ob die Stoffwindeln ökologisch wirklich viel verträglicher sind, ist übrigens nicht ganz klar. Das Trocknen und Waschen verlangt viel Strom, Wasser und chemisches Waschpulver. Es spielt also auch eine Rolle, welche Geräte man benutzt oder ob man einen Windeldienst in Anspruch nimmt, den es auf dem Land aber leider noch nicht gibt. Braun findet aber, dass man beide Windeltypen je nach Bedarf auch kombinieren darf.

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