Gemeinderat reagiert:Mit Parkscheinautomaten gegen das Chaos

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Wer künftig mit dem Auto zum S-Bahnhof in Karlsfeld fährt, muss für einen Stellplatz in der Nähe zahlen. Ein Euro pro Tag soll das Ticket kosten. So will die Gemeinde verhindern, dass Pkws unrechtmäßig abgestellt werden

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Wenn es ums Parken geht, kennen mache Autofahrer keine Grenzen: Sie stellen ihre Fahrzeuge in private Einfahrten oder versperren damit Rettungswege. Einige lassen ihren Pkw in zweiter Reihe mitten auf der Straße stehen, sehr zum Verdruss von Anwohnern und Passanten. Am Karlsfelder Bahnhof soll das Chaos ein Ende haben. Dafür plädierte jetzt der Umwelt- und Verkehrsausschuss. Die Lösung heißt: Parkscheinautomaten. Wer künftig mit dem Auto zur S-Bahn fährt, muss für einen Stellplatz in der Nähe zahlen. Ein Euro pro Tag soll das Ticket kosten - genauso viel wie jenseits der Ortsgrenze in München-Allach.

Außerdem will man die gefährliche Kreuzung Bayernwerk-/Zugspitzstraße/Föhrenweg entschärfen. Ein Ansinnen, das den Anwohnern schon lange unter den Nägeln brennt. Die Verkehrsregelung ist dort keineswegs eindeutig, nicht jeder weiß, wann er Vorfahrt hat. Es ist eine unübersichtliche Kreuzung. Besonders schwierig ist die Situation für Fußgänger. Und davon gibt es nach einer Zählung der Verkehrsplaner von Gevas an dieser Stelle viele. Etwa 350 Menschen queren die Fahrbahn dort jeden Tag. Es sind nicht nur Anwohner aus der Siedlung westlich der Bahn, sondern auch Schüler der Fachoberschule (FOS), Kinder, welche die Verbandsgrundschule besuchen, aber auch Pendler, die zur S-Bahn wollen. Das Büro Gevas hat der Gemeinde deshalb ans Herz gelegt, dort für mehr Sicherheit zu sorgen. Nun soll ein Zebrastreifen an der Würmbrücke auf die Straße gemalt werden, um die Wege der Fußgänger zu kanalisieren. "Es ist die schnelle, kleine Lösung", sagt Franz Trinkl (SPD). Natürlich ist es auch die kostengünstigste.

Seit Langem ist dort ein Kreisverkehr im Gespräch. Doch der bleibt wohl bis auf weiteres eine Zukunftsidee, denn der würde nach ersten Prognosen etwa 800 000 Euro verschlingen. Geld, welches der Karlsfelder Gemeindekasse fehlt.

Die vorläufige Entschärfung der Kreuzung soll dadurch erzielt werden, dass der Föhrenweg zur Sackgasse wird. Sehr zur Überraschung der Gemeinderäte hat das Büro Gevas eine eindrucksvolle Zählung vorgelegt. Demnach hat sich auf der schmalen Straße, auf der an vielen Stellen kaum zwei Autos aneinander vorbeikommen, ein Schleichverkehr entwickelt. Jeden Tag fahren dort etwa 450 Fahrzeuge, nur etwa 100 sind aus der Siedlung. Sogar einige Schwerlaster preschen durch den engen Weg ohne Gehsteige vorbei an Radfahrern und Fußgängern. Die meisten Fahrzeuge kommen offenbar aus dem westlichen München und Gröbenzell. Laut Günter Rustler, dem Verkehrsfachmann der Gemeinde, nutzen sie eine Parallele der A99, wohl zur Umgehung von Staus oder auch nur befürchteten Staus, um dann über Föhrenweg und Bayernwerkstraße Richtung Dachau zu fahren. Ein Pfosten an der Einmündung zur Birkenstraße soll die Ausweichroute demnächst schließen und damit das Verkehrsaufkommen an der Kreuzung Bayernwerk-/Zugspitzstraße deutlich senken.

Zum Thema Parken am Karlsfelder Bahnhof schlugen die Verkehrsplaner von Gevas und Rustler zunächst vor, nichts an der Situation zu ändern, die Sache jedoch im Auge zu behalten. Solange Erlbau die große Brache an der Bayernwerkstraße noch nicht bebaut habe, das Gymnasium, das unweit vom Bahnhof errichtet werden soll, noch nicht steht, und auch die Planungen zur Hirmerei in Allach nicht umgesetzt seien, könne man noch nicht genau absehen, wie sich die Lage entwickele. Vor allem nicht, wo Läden entstehen, die eine Kurzzeitparkzone bräuchten. Außerdem sei der Parkdruck momentan nicht so stark.

Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU) wollte die Argumente so nicht stehen lassen. Auch wenn man derzeit etwa zehn Prozent Luft gewonnen habe, weil durch die Corona-Krise seit Mitte März längst nicht mehr so viele Autos am Bahnhof stehen wie früher und sich die Situation langsam wieder normalisiere - so wie übrigens auch während der Hauptverkehrszeiten auf der Münchner- und der Bajuwarenstraße, wo seit geraumer Zeit keine Staus mehr sind. "Seit der Nachricht, dass es bald einen Impfstoff geben wird, sind die S-Bahnen wieder voller", sagte Wanka. Außerdem lebe man in einer Wachstumsregion. "Diese wird die zehn Prozent Luft, die wir jetzt durch Homeoffice gewonnen haben, schnell wieder auffressen. In einem Dreivierteljahr ist alles wieder so wie es war: wahnsinnig voll." Um dem Einhalt zu gebieten, plädierte Wanka in der Sitzung für Parkgebühren.

Auch unter ökologischen Gesichtspunkten sei diese Lösung sinnvoll, so der Verkehrsreferent. "So können wir die Bürger anregen, den Bus zu nehmen." Die Grünen zeigten sich begeistert von der Idee. "Wildes Parken kann nicht unser Ziel sein", sagt Thomas Nuber (Grüne). Seit der Tarifreform beim MVV müssen die Karlsfelder für die Benutzung der Busse nicht mehr extra zahlen, denn sie liegen nun in der M-Zone. Wer also künftig das Parkticket sparen wolle, könne mit den Linien 160, 711 und 701 zum Bahnhof fahren. "Zu 90 Prozent verkehren die Busse im Zehnminutentakt", sagt Wanka.

Das Bündnis für Karlsfeld und die SPD überzeugte das nicht. Wer außerhalb der Hauptverkehrszeiten zum oder vom Bahnhof nach Hause wolle, müsse schon mal 20 Minuten auf den Bus warten, sagt Peter Neumann (Bündnis). Das erzeuge Hol- und Bringverkehr.

Sein Hauptargument gegen die Einrichtung einer kostenpflichtigen Parkzone ist jedoch die prekäre Finanzsituation der Gemeinde. Automaten und Schilder müssten aufgestellt werden, Parkplätze markiert und kontrolliert werden. Die Verkehrsplaner von Gevas sprachen nach einer vorsichtigen Schätzung von Kosten in Höhe von 80 000 Euro. Im Moment sei das zu viel, meint Neumann. Die SPD war vor allem der Ansicht: "Momentan ist damit nichts gewonnen", sagte SPD-Gemeinderat Franz Trinkl. Denn die Parksituation am Bahnhof sei derzeit relativ entspannt und die Parkeinnahmen pro Jahr betrügen voraussichtlich nur bis zu 50 000 Euro. Es wäre also ein Draufzahlgeschäft ohne Not, so Trinkl.

Die Mehrheit sprach sich dennoch dafür aus, etwa 95 Parkplätze an der Bayernwerk-, der Zugspitz- und der Johann-Heizer-Straße bis zum Betreuten Wohnen kostenpflichtig zu machen. Man wolle aber nicht sechs Euro pro Tag erheben so wie im Münchner Innenraum, sondern nur einen Euro pro Tag. Auf diese Weise soll sich der Parkdruck nicht ins dahinter liegende Wohngebiet ausdehnen.

© SZ vom 17.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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