Gegen Gebührenbescheide:Lautstarker Protest

Hunderte Bürger aus dem ganzen Landkreis kommen nach Ried, um ihrer Empörung über die umstrittene Straßenausbaubeitragssatzung Ausdruck zu verleihen. 880 Menschen unterschreiben für ein Volksbegehren

Von Petra Schafflik, Markt Indersdorf

Die Protestaktion der Bürgerinitiative gegen die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) hat am Samstag mehr Menschen angelockt, als erwartet. Aus dem gesamten Landkreis strömten aufgebrachte Bürger zum Gasthof Doll in Ried bei Markt Indersdorf. Schon eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn war kaum noch ein Parkplatz zu finden. Mehr als 400 Zuhörer drängten sich in den Saal. Und als der Sprecher der Bürgerinitiative Florian Ebner das Wort ergriff, kehrten vor der Tür nicht wenige Gäste um, weil sie einfach nicht mehr in den Saal kamen. Aber ihren Protest wollten die meisten doch Ausdruck geben und so trugen sich viele in eine Unterstützer-Liste der Freien Wähler ein für ein Volksbegehren gegen die Straßenausbaubeitragssatzung.

Knapp 880 Unterschriften sind so bei der Veranstaltung abgegeben worden, teilt die Bürgerinitiative mit. Das zeigt eindrücklich, wie groß auch im Landkreis die Verärgerung der Bürger ist über die Satzung, die Anwohner bei Straßenerneuerungen zur Kasse bittet. Applaus erntete jeder Redner, der forderte, diese Regelung abzuschaffen. Mit Standing-Ovations bekam Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der zudem Rechtssicherheit für Altfälle und eine solide Gegenfinanzierung für die Gemeinden verlangte. "Mit dem Unfrieden in den Dörfern muss jetzt Schluss sein", sagte Aiwanger.

Gegen Gebührenbescheide: Zahlreiche Menschen trugen ihre Namen in die Unterstützer-Listen der Freien Wähler ein.

Zahlreiche Menschen trugen ihre Namen in die Unterstützer-Listen der Freien Wähler ein.

(Foto: Toni Heigl)

Die Freien Wähler machen sich vor der anstehenden Landtagswahl stark für ein Ende der ungeliebten Satzung. Aber sie sind keineswegs die einzigen und schon gar nicht die ersten. Seit längerem engagieren sich Bürgerinitiativen in Bayern gegen das als ungerecht empfundene Regelwerk. Mehr als 160 lokale Aktionsbündnisse sind in der "Allianz gegen Strabs" organisiert. Mit zu den rührigsten zählt die Initiative aus Schongau, die in Ried mit Trillerpfeifen auf sich aufmerksam machte. Leiser, aber dennoch sehr erfolgreich, arbeitet die Dachauer Initiative, die Franz Liedl, Florian Ebener und Engelbert Loderer erst vor wenigen Monaten gegründet haben. Mit ihrem Engagement trafen die drei Aktivisten offenbar den Nerv vieler Landkreisbürger. "Die große Unterstützung macht uns Mut", sagte Ebner, überrascht von der enormen Resonanz. "Genau dieses Zeichen brauchen wir", freute sich der für den Landkreis Dachau zuständige FW-Landtagsabgeordnete Benno Zierer.

Viele von denen, die gekommen sind, sind selbst betroffen, andere zeigen sich solidarisch. "Wir buckeln und werkeln. Ich fühle mich abgezockt", schimpfte ein Erdweger. Er hat bereits einen Gebührenbescheid daheim liegen. Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist wütend, weil die Gemeinde die Rechnung verschickt hat, obwohl sich jetzt eine Neuregelung der Satzung abzeichnet. Franz Egger aus Lauterbach will indes vorsorgen: Noch werden in seinem Wohnort in der Gemeinde Bergkirchen die Anwohner nicht zur Kasse gebeten. Die Regelung liegt dort auf Eis. Trotzdem haben im kleinen 900-Einwohner-Dorf schon 100 dagegen unterschrieben, so Egger. Ein anderer Zuhörer aus Markt Indersdorf fürchtet, dass die Gemeinde eines Tages von ihm 80 000 Euro verlangen wird. Eine beängstigende Summe, wie er findet. Die Planungen für die Straßenerneuerung in seinem Wohngebiet gebe es schon, sagt er.

Gegen Gebührenbescheide: Die Bürgerinitiative trifft einen Nerv: Ihr Aufruf zum Protest lockt mehr Leute an, als in den Saal passen.

Die Bürgerinitiative trifft einen Nerv: Ihr Aufruf zum Protest lockt mehr Leute an, als in den Saal passen.

(Foto: Toni Heigl)

Einig waren sich Zuhörer und Redner, dass die Satzung ungerecht ist. Die Allgemeinheit solle für die Straßen zahlen, fordern sie. Denn vor allem der Schwerlastverkehr belaste die Fahrbahnen und nicht die Bürger mit ihren Autos, betonte Ebner. Von der bisherigen Regelung gehe ein falsches Signal aus, sagte Armin Riedl vom mitgliederstarken Haus- und Grundbesitzerverband im Landkreis. Die Gemeinden würden verleitet, Straßen verkommen zu lassen, denn nur beim Neubau zahle der Bürger. Im übrigen treffe die Satzung nicht nur Eigentümer, "sondern indirekt auch Mieter", so Riedl. Ungerecht sei auch, dass nicht überall in Bayern die Anlieger zur Kasse gebeten werden, betonte der Sprecher der bayernweiten Allianz gegen die Satzung Jürgen Jordan. Die "riesige Beratungsindustrie" rund um das umstrittene Regelwerk monierte FW-Chef Aiwanger. An der Beratung werde bei vielen Projekten mehr verdient als am Straßenbau.

Wie aber soll nun der Protest zielführend kanalisieren werden? Nachdem das Thema durch das geplante Volksbegehren der Freien Wähler an Aufmerksamkeit gewinnt, hat die Landtags-CSU bei ihrer Klausurtagung in Kloster Banz entschieden, die Satzung abzuschaffen. Viele Bürger glaubten, das Thema sei erledigt, so Rosmarie Brosig von der Allianz. "Naive Leute", raunt da ein Tischnachbar. Jordan, selbst CSU-Mitglied, setzt mehr Vertrauen in den Beschluss der CSU-Landtagsfraktion. Doch damit ist es aus Sicht von Freien Wählern und aktiven Gegnern nicht getan. Es brauche Übergangsregelungen, eine Klarstellung für Altfälle und vor allem einen Fördertopf, aus dem die Gemeinden künftig das Geld erhalten, das bei Straßenerneuerungen bisher die Anlieger berappt haben. Die Gegner wollen ein Gesetz, das alles regelt, und zwar bis zur Sommerpause des Landtags, also vor der Landtagswahl. Um den öffentlichen Druck zu verstärken, will die Bürgerinitiative nun weiter Unterschriften sammeln für ein Volksbegehren.

Gegen Gebührenbescheide: Während Jürgen Jordan dem CSU-Beschluss vertraut, wollen die meisten lieber weiter Unterschriften sammeln.

Während Jürgen Jordan dem CSU-Beschluss vertraut, wollen die meisten lieber weiter Unterschriften sammeln.

(Foto: Toni Heigl)

Viele Landkreisbürger haben auf diese Gelegenheit offenbar nur gewartet. Die Listen im Vorraum der Veranstaltung füllten sich schnell. Der eine oder andere Besucher nahm sogar Vordrucke mit, um in seiner Nachbarschaft um Unterstützung zu werben.

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