Gegen die Konzernpolitik:Aufstand der Pfleger

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Linken-Politikerin Renate Schiefer hat einen Mitstreiter aus ihrer Partei mit ins Café Gramsci in Dachau gebracht. (Foto: Toni Heigl)

Die Warnstreiks am Amperklinikum bleiben ohne Erfolg, die kommunalpolitische Debatte über die Missstände verläuft im Sand - jetzt will die Linke mit den Betroffenen ein breites Bündnis schmieden

Von Jana Rick, Dachau

Es ist nur eine kleine Runde, die sich im Café Gramsci in der Altstadt von Dachau zusammenfindet. Eine erstaunlich kleine Runde, um ein Thema zu behandeln, das seit Monaten in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wird. Es geht um den Pflegenotstand im Helios-Amper-Klinikum in Dachau. Es gab - ohne spürbaren Erfolg - Warnstreiks der Beschäftigten, auch eine ergebnislose kommunalpolitische Debatte über die Missstände. Der Landkreis hält 5,1 Prozent der Anteile an der Klinik AG. Nun will Renate Schiefer, Kreissprecherin der Linken, ein breites Bündnis gegen die Konzernpolitik von Helios schmieden. Am Dienstagabend wird einmal mehr klar, wie überlastet die Pflegekräfte sind und dass sie sich allein gelassen fühlen. Kritik wird laut: An den Chefärzten und an Landrat Stefan Löwl (CSU), dem stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Amperklinikum AG.

"Wir wollen unsere Klinik zurück", unter diesem Slogan lud Renate Schiefer ein. Am Tisch sitzen fünf Pflegerinnen und Pfleger, darunter auch Mitglieder der Unabhängigen Betriebsgruppe am Klinikum, und vier Parteimitglieder der Linken. "Meine Idee ist es, eine Bürgerinitiative zu gründen", sagt Schiefer. "Ich möchte, dass Bürger beteiligt sind, ich möchte Streikunterstützung anbieten und für Kundgebungen und Aktionen sorgen." Die Pflegekräfte, die aus Angst ihre Namen nicht veröffentlicht wissen wollen, sprechen von unhaltbaren Zuständen auf den Krankenstationen: "Die Unterbesetzung ist drastisch und chronisch", sagt eine Pflegerin. "Eigentlich sollten wir zu fünft auf der Station sein, aber das sind wir nie. Eher zu dritt oder zu zweit. Manchmal stehen wir alleine da", sagt ein Pfleger. Ein Pfleger überrascht mit der Nachricht, dass den Leiharbeitern zum Ende des Monats gekündigt werde. Wie Helios-Pressesprecher Marten Scheibel am Mittwoch der SZ bestätigt, werden fünf Leiharbeitskräfte die Klinik verlassen. Jedoch sei dies eine normale Konsequenz des wechselnden Bedarfs an Personal. Die Klinik greife auf Leiharbeitskräfte zurück, um "kurzfristige Spitzen in der Belegung zu kompensieren". Im November sollen junge Pfleger aus Neapel nach Dachau kommen, sagen Pfleger. Diese müsse das Stammpersonal jedoch erst einmal einarbeiten. Also eine zusätzliche Arbeitsbelastung. "Das sind alles Details, die man von außen her nicht kennt", erklärt eine Pflegerin der Linken-Politikerin Schiefer. "Aber es sind Fakten."

Ihnen geht es um die Wertschätzung ihrer Arbeit

Deshalb fühlten sie sich, erklären die Teilnehmer des Treffens übereinstimmend, auch von Politikerreaktionen gekränkt. Namentlich wird Landrat Stefan Löwl genannt, der die Sorgen der Pflegekräfte nicht ernst nehme, wenn er behaupte, dass "von außen" Gerüchte gestreut und "schlechte Stimmung" gemacht werde. Auch vermissen die Beschäftigten, wie sie sagen, die Solidarität der Chefärzte. Ihnen geht es um die Wertschätzung ihrer Arbeit. Die Gruppe sucht nun Unterstützung in der Dachauer Bevölkerung und will in der Politik Gehör finden - die Partei scheint dabei nicht entscheidend zu sein; das wird deutlich. Bisher ist die Linke aber auch die einzige Partei im Landkreis, die auf die Pfleger zugeht. So empfinden es die Betroffenen. "Es werden alle mal krank", sagt eine Pflegerin. "Es geht alle etwas an." Renate Schiefer hört zu und verspricht Unterstützung: Die Pfleger wollen die Menschen in Dachau mobilisieren, sich auf Arbeitskampfmaßnahmen konzentrieren. Schiefer spricht in der "Wir-Form" und hat schon eine Liste mit Aktionen: Unterschriften sammeln, Flyer erstellen, eine Bettenaktion auf die Beine stellen.

Ob und in welcher Form das geplante Bündnis zustande kommt, ist nach mehr als zwei Stunden Gespräch nicht ganz klar. Auch über den Namen gibt es keinen Konsens. Das Bündnis könnte "Empört euch! Engagiert euch! Mehr Personal im Dachauer Klinikum" lauten. Eine Pflegerin sagt: "Das kann man an einem Abend gar nicht klären". Sie bezieht ihre Worte auf die Gesamtsituation. Auf jeden Fall gehen die Teilnehmer mit dem Gefühl nach Hause, dass sie von Renate Schiefer gehört werden und Unterstützung bekommen. Zurück bleibt auf dem Tisch ein ausgedrucktes Papier: Das Streikrecht der Pflegekräfte der Klinik. Die Unabhängige Betriebsgruppe sagt: "Es wird zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen kommen."

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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