Süddeutsche Zeitung

Gedenkgottesdienst:Das Leiden der Frauen

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Versöhnungskirche gedenkt der weiblichen KZ-Häftlinge mit Gottesdienst

Vor 75 Jahren wurden die ersten Frauen ins KZ Dachau verschleppt. Mit einem Gedenkgottesdienst erinnert die Evangelische Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte am Sonntag, 15. Oktober, an die weiblichen Häftlinge, von denen mehr als 80 ermordet wurden. Am 13. Oktober 1942 trafen Ursula Krause und drei weitere Frauen aus dem KZ Ravensbrück in Dachau ein. Sie wurden als erste weibliche Häftlinge registriert. Der SS-Arzt Sigmund Rascher hatte die Frauen in Abstimmung mit Heinrich Himmler angefordert, um sie für wissenschaftlich unsinnige, voyeuristisch motivierte Versuche zu missbrauchen. Diese Frauen blieben nur einige Monate in Dachau. Erst im April 1944 wurden wieder Frauen dorthin verschleppt, wo sie im Häftlingsbordell arbeiten mussten - ihre Leiden wurden nach 1945 nicht als NS-Verfolgung anerkannt.

Bis zur Befreiung waren insgesamt fast 8000 Frauen im Dachauer KZ-System, mehr als 5000 von ihnen waren jüdische Ungarinnen. Viele der Frauen mussten in der Rüstungsindustrie arbeiten. Im Außenlager Agfa-Camerawerk in München-Giesing kam es zum offenen Widerstand von Frauen gegen den Arbeitsterror. Als die Frauen im Januar 1945 nur noch ungenießbare Suppe erhielten, stellten sie das Fließband ab und verweigerten die Arbeit.

Der Gedenkgottesdienst beginnt um 11 Uhr; die Predigt hält Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Vorsitzende des internationalen Kuratoriums der Versöhnungskirche. Mirela Delić, Journalistin beim SWR, und Sanja Tolj, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, berichten von den Ergebnissen ihres Forschungsprojekts "Sex-Zwangsarbeiterinnen im Lagerbordell des Konzentrationslagers Dachau" für die virtuelle Ausstellung "Münchner Leerstellen" (www.muenchner-leerstellen.de/archives/450). Zur musikalischen Gestaltung trägt der Chor "Kornelius Voices" aus Karlsfeld bei.

Kirchenrat Björn Mensing erinnert an eine der vier ersten Frauen im KZ Dachau. Ursula Krause wurde am 8. Juli 1920 in Königsberg in einer evangelischen Familie geboren. Als "Fürsorgezögling" wuchs sie unter schwierigen Bedingungen in Ostpreußen auf und erlernte das Handwerk der Damenschneiderin. Im November 1941 wurde Ursula Krause in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Als Grund findet sich in den NS-Akten der Hinweis, dass sie als ledige junge Frau zwei Mal "geschlechtskrank" gewesen sei. Seit 1938 wurden Prostituierte und Frauen mit Geschlechtskrankheiten "wegen lockeren Lebenswandels" als "Asoziale" mit dem Schwarzen Winkel stigmatisiert und in Konzentrationslager gesperrt.

Ursula Krause kam in Ravensbrück in den Block II, den "Hurenblock", in dem die Haftbedingungen noch schlechter waren als in den anderen Baracken. Seit Mitte 1942 wurden immer wieder Frauen aus dem "Hurenblock" für die Häftlingsbordelle in den Männerkonzentrationslagern rekrutiert. Den Frauen wurden bessere Haftbedingungen versprochen. Ursula Krause, die unter den Zuständen in diesem Block litt, meldete sich. Am 13. Oktober 1942 traf sie im KZ Dachau ein. Der SS-Arzt Rascher stellte bei ihr "einwandfrei nordische Rassemerkmale" fest. SS-Reichsführer Heinrich Himmler stimmte zu, dass diese junge Frau wohl noch als künftige "arische" Mutter "für das deutsche Volk" zu retten sei. Am 8. Dezember 1942 wurde Ursula Krause aus Dachau entlassen. Über ihr weiteres Schicksal konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden.

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SZ vom 06.10.2017 / SZ
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