Gedenken an KZ-Überlebenden:"Danke, Max!"

Max Mannheimer bei Buchvorstellung in München, 2016

Ein Mahner wider das Vergessen, ein begnadeter Erzähler und eine große Persönlichkeit: Max Mannheimer wenige Monate vor seinem Tod.

(Foto: Robert Haas)

Holocaust-Überlebende und Akteure der Dachauer Erinnerungsarbeit erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen mit Max Mannheimer.

Von Helmut Zeller, Dachau

Die Stadt Dachau nimmt Abschied von einem ihrer Ehrenbürger: "Danke Max! Deine Botschaft werden wir weitertragen", steht neben einem Foto von Max Mannheimer auf schwarz-weißen Plakaten, die im gesamten Stadtgebiet und in Banken aufgehängt wurden. Der Dachauer Künstler Michael Braun hat sie gestaltet und die Plakataktion mit Unterstützung des Runden Tisches gegen Rassismus auch initiiert. Der Name des Auschwitz-Überlebenden, der am 23. September im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar im Alter von 96 Jahren starb, ist eng mit Dachau verbunden - neben anderen KZ-Überlebenden wie Nikolaus Lehner verdankt die Stadt Max Mannheimer den Wandel in ihrer Gedenkkultur, oder besser gesagt, überhaupt erst die Entwicklung einer Gedenkkultur Ende der 1990er Jahre. Bis dahin wurde das NS-Erbe verschwiegen und einer wirklichen Auseinandersetzung ausgewichen.

Am Donnerstag, 17. November, findet um 18 Uhr im Max-Mannheimer-Studienzentrum im Jugendgästehaus Dachau eine Veranstaltung statt: "Begegnungen mit Max Mannheimer". Die KZ-Gedenkstätte Dachau hat sie initiiert. Im Vordergrund steht die persönliche Begegnung von Akteuren der Dachauer Erinnerungsarbeit mit dem Zeitzeugen. Unter den vielen Mitwirkenden sind die Holocaust-Überlebenden Abba Naor und Ernst Grube, der als stellvertretender Vorsitzender die Lagergemeinschaft bis zur Wahl eines Nachfolgers von Max Mannheimer leitet. Außerdem nehmen unter anderen teil: Jean-Michel Thomas, Präsident des Internationalen Dachau-Komitees (CID), Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sowie Diakon Peter Klentzan, der Max Mannheimer seit 1988 kannte. Ola Kuhn erzählt von ihrem "Adoptiv-Opa" Max Mannheimer, mit dem sie seit ihrem Freiwilligendienst bei Aktion Sühnezeichen in Dachau 2005/2006 eng verbunden war, wie Björn Mensing, Pfarrer an der Evangelischen Versöhnungskirche, mitteilte.

Die Gedenkfeier gliedert sich in drei Blöcke: "Max' Botschaft", "Max als Akteur" und "Im Dialog mit Max". Die Moderation übernehmen die Historikerin und Filmemacherin Sybille Krafft und der Moderator Stefan Scheider. Außerdem wird von der Gedenkstätte eine szenische Lesung vorbereitet. Die Veranstaltung ermöglichten neben der KZ-Gedenkstätte das CID, das Dachauer Forum, die Versöhnungskirche, der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung, die Lagergemeinschaft Dachau, die Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte, das Max-Mannheimer-Studienzentrum, die Stadt Dachau, die Stiftung Bayerische Gedenkstätten sowie das Kloster Karmel Heilig Blut. Schwester Elija Boßler war seit Jahrzehnten eine besonders enge Vertraute von Max Mannheimer.

Bestürzung auch bei der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten

Max Mannheimer beeinflusste den Wandel der Geschichtspolitik nicht nur der Stadt Dachau, sondern des ganzen Landes Bayern - und für die KZ-Gedenkstätte Dachau war er Herz und Kopf der Erinnerungsarbeit. Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann erklärte zu seinem Tod: Wie kein Zweiter habe er sich mit seiner ganzen Person eingebracht, um gegen das Vergessen anzukämpfen und gleichzeitig als Versöhner aufzutreten. Auf Mannheimers Tod reagierten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck mit Bestürzung.

Für seine Verdienste um die Stadt wurde der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau und Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees (CID) im Jahr 2011 vom damaligen Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) mit der Ehrenbürgerwürde geehrt, der höchsten kommunalen Auszeichnung in Dachau. Max Mannheimer ist der zwölfte Ehrenbürger seit der ersten Auszeichnung, die im Jahr 1856 erfolgte. Der Zeitzeuge verfolgte die Geschichtspolitik zuerst unter OB Kurt Piller (SPD), dann vor allem unter Peter Bürgel (CSU), den er bei seinen Bemühungen um eine israelische Partnerstadt unterstützte.

Scharfe Auseinandersetzungen um Internationale Jugendbegegnungsstätte

Aber Max Mannheimer sparte auch nicht mit Kritik - vor allem in früheren Jahren, als die Stadtpolitik zur KZ-Gedenkstätte eine ablehnende Haltung eingenommen und in jahrelangen Auseinandersetzungen den Bau einer Internationalen Jugendbegegnungsstätte zu verhindern versucht hatte. Seine Wegbegleiterin in all diesen Jahren des Kampfes - der mitunter in schärfsten öffentlichen Auseinandersetzungen gipfelte - war Barbara Distel, die die KZ-Gedenkstätte von 1975 bis 2008 leitete. Seine Integrität und sein politisches Geschick siegten über die breiten Widerstände.

Mannheimers Engagement war alles andere als selbstverständlich, denn er hätte nach seinem Verfolgungsschicksal wie viele andere Überlebende dem Land der Täter und Dachau, das sich lange Jahre in der Opferrolle gefiel, den Rücken kehren können. Max Mannheimer wurde nach Theresienstadt, Auschwitz und Warschau, im Jahr 1944 nach Dachau deportiert und im KZ-Außenlager Allach sowie später in Mühldorf-Mettenheim zur Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie gepresst. Im Holocaust verlor Max Mannheimer, der aus dem mährischen Neutitschein stammte, sechs seiner engsten Angehörigen, nur sein jüngerer Bruder Edgar und er überlebten den Massenmord an den europäischen Juden mit sechs Millionen Toten.

Ein großer Zeitzeuge und wunderbarer Mensch

Aber Max Mannheimer hat sich anders entschieden - es ging ihm immer und vor allem um die den Tätern nachfolgenden Generationen. Als Zeitzeuge, er war ein begnadeter Erzähler, hat er seit den 1980er Jahren unzählige Schüler und Jugendliche über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufgeklärt - und sie ermutigt, für Freiheit und Demokratie, gegen Rassismus und Antisemitismus einzutreten. "Max Mannheimer hat mich in meinem Leben und Aufwachsen als Dachauer so sehr beeinflusst. Sein jetziger Tod hat mich dazu bewogen, ein Plakat zum Gedenken an ihn und seine Botschaft gegen das Vergessen zu entwickeln", erklärte der Künstler Michael Braun. Das Foto des Zeitzeugens auf dem Plakat schoss der Fotograf Alexander Richi, der Max Mannheimer noch kurz vor seinem Tod porträtiert hat.

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern ehrte Max Mannheimer vier Wochen nach seinem Tod, am 23. Oktober, als den großen Zeitzeugen und wunderbaren Menschen, der er war. In der Gemeinde am Sankt-Jakobs-Platz in München sprachen unter anderen Max Mannheimers Sohn Ernst, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter und Mannheimers langjähriger Freund Hans-Jochen Vogel. Der Münchner Altoberbürgermeister hielt auf der würdigen Gedenkfeier eine bewegende Rede, bevor er sich vor seinem Bild verneigte. Das soll nun auch in Dachau geschehen.

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