Geburtstag einer Ordensgründerin:Teresas mutige Schwestern

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Die Priorin des Karmel-Klosters in Dachau, Schwester Irmingard, mit einer Faksimile-Ausgabe der Handschriften von Teresa von Ávila. (Foto: Toni Heigl)

Das Karmel-Kloster in Dachau begeht den 500. Geburtstag seiner spirituellen Gründerin aus dem spanischen Ávila. Elija Boßler hat an einer Ausstellung über die Mystikerin, Kirchenlehrerin und Autorin mitgearbeitet. Sie und die anderen Nonnen erzählen, was sie an der couragierten Frau und Heiligen beeindruckt.

Von Helmut Zeller, Dachau

Im Karmel-Kloster an der KZ-Gedenkstätte Dachau tritt der Besucher in eine wärmende Stille ein. Dieser Ort der Kontemplation hat seinen spirituellen Ursprung im Spanien des 16. Jahrhunderts, er geht zurück auf die Heilige, Mystikerin und Schriftstellerin Teresa von Ávila. Nach ihren Ordensregeln der Zurückgezogenheit und Demut leben die 17 Schwestern in Dachau, die im März des Geburtstages der Ordensgründerin vor 500 Jahren gedenken. In Deutschland sind es etwa 30 Brüder und 250 Schwestern. "Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles vergeht, Gott nur besteht", zitiert Schwester Irmingard aus einem Gedicht der Heiligen. Diese Zeilen sind ihr zum Leitmotiv geworden. Zwei Stunden verbringt die Priorin, die seit 1972 im Kloster lebt, mit den anderen Schwestern täglich im inneren Gebet. Der Karmel ist ein Ort der Freundschaft mit Gott, sagt die Priorin. Teresa von Ávila hat es gelebt und gelehrt: Liebe gegen Hass.

Vielleicht gerade deshalb, weil sie aus der Verzweiflung kam. Der marmorne Sarkophag der Königin Isabella und Ferdinands II in der Krypta der Capilla Real in Granada in Andalusien ist glatt und kalt, wie auch ihr Herz gewesen sein muss. Die katholischen Machtpolitiker schufen das Weltreich Spanien, in dem nach der (Wieder-)Entdeckung Amerikas 1492 die Sonne nicht mehr unterging - und dennoch Finsternis auf dem Land lag. Konquistadoren verübten in den neuen Ländern Völkermord, im Kernland folterten Inquisitoren Juden und Muslime, kerkerten sie ein und verbrannten sie zu Tausenden. 1492 wurden alle Juden vertrieben oder gezwungen, zum Christentum überzutreten - die Getauften wurden trotzdem wie die Muslime weiter brutal verfolgt. 1502 wurden die letzten Muslime ausgewiesen. 700 Jahre lang hatten christliche, muslimische und jüdische Gemeinden in gegenseitiger Toleranz gelebt. Spanien sollte sich auf Jahrhunderte hinaus nicht mehr von den Folgen dieser Herrschaft erholen.

Knapp elf Jahre nach dem Tod Isabellas wurde in Kastilien Teresa von Ávila am 28. März 1515 geboren. Mütterlicherseits entstammte sie einer adligen Familie. Ihr Vater kam aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die konvertiert war. Teresa von Ávila erfuhr selbst den Hass ihrer Zeitgenossen: Bis ins 18. Jahrhundert wurden die Nachfahren der Konvertiten verfolgt und diskriminiert. Auch als Mysterikerin war sie vor der Inquisition nicht sicher, allein schon deshalb, weil sie als Frau den fanatischen Glaubenshütern der Kirche verdächtig war. Wie muss man sich die Heilige vorstellen? Mutig, bodenständig, vernünftig war sie - und als Feministin, wie man sie heute bezeichnen würde, kämpfte sie gegen die Diskriminierung der Frauen in Kirche und Gesellschaft.

Zu ihrem 500. Geburtstag hat das Provinzialat des Teresianischen Karmel in Deutschland eine Wanderausstellung erarbeitet - mit vielen Texten der großen Mystikerin, die zur Weltliteratur zählen. "Sie lesen sich wie ein Kommentar zur Situation des Menschen, insbesondere der Frau, in einer von Macht, Geld, Statussymbolen und Prestigedenken beherrschten Welt und Kirche", sagt Stephan Bachter, Kurator der Ausstellung. An ihrer Konzeption hat auch Schwester Elija Boßler aus dem Dachauer Karmel mitgearbeitet. Das Provinzialat bat sie aus gutem Grund um ihre Mitarbeit: Schon 1981/82, zum 400. Todestag der Ordensgründerin hatte sie eine Ausstellung erarbeitet, deren handwerklicher Standard und überzeugende Konzeption ein großes Echo fand. Damals stand das Leben von Teresa von Ávila im Mittelpunkt - das Schwester Elija, wie sie sagt, besonders angezogen hat. Die Konstellation aus innerem Gebet und Zurückgezogenheit war ein Grund ihres Eintritts in das Kloster. Der andere war der Ort, an dem im Konzentrationslager Dachau mehr als 200 000 Menschen aus ganz Europa gefangen waren. Ein Zeichen zu setzen, ist die Intention der Ordensgemeinschaft, gegen das Unrecht von gestern und heute. Denn "die Welt steht in Flammen", wie Teresa von Ávila geschrieben hat.

Neben dem Nachbau eines Besucherzimmers, mit einem Gitter, das die Gäste von den Ordensfrauen trennt, zeigt ein Video in der Ausstellung das Erbe der Ordensgründerin: das Leben der Karmeliterinnen in unmittelbarer Nachbarschaft zur KZ-Gedenkstätte. Diese räumliche Nähe wurde von der Gründerin Mutter Maria Theresia 1964 bewusst gewählt. "Es ging ihr darum, an diesem Ort schrecklichen Unheils eine Stätte des Gebets, ein Zeichen der Hoffnung zu errichten, Sühne als ein Versöhnungsgeschehen zu verstehen durch die Hineinnahme vergangenen und gegenwärtigen Unheils in die Erlösungswirklichkeit Jesu Christi", heißt es im Selbstverständnis des Ordens.

Schwester Irmingard verweist darauf, dass sich in den Schriften der Heiligen zwar der Begriff Sühne nicht finden lasse. Die Verbrechen der Nationalsozialisten könne man auch nicht sühnen, sagt sie, aber ein Zeichen der Hoffnung setzen, die aus der Spiritualität Teresa von Ávilas erwächst. Nicht nur das. In den Begegnungen mit den KZ-Überlebenden aber auch allen anderen Trost Suchenden schenken die Karmel-Schwestern Wärme und Liebe entsprechend den drei Leitideen von Teresa von Ávila: ein freundschaftlich-liebevoller Umgang miteinander, das Loslassen aller materiell-irdischen Bindungen, um Freiraum für Gott zu schaffen, und Demut. Liebe und Demut sind wichtiger als Strenge wie auch das Gebet und Gefühl näher zu Gott führen, als eine theologische Auseinandersetzung. Solche Lehre macht Teresa von Ávila zu einer Vertreterin der Moderne, von der sich Menschen noch heute angesprochen fühlen. Es ist schon ein ungeheurer Zufall, dass einer der engsten Freunde des Karmel-Klosters und häufiger Gast der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer ist. Die Vorfahren des Vizepräsidenten des Internationalen Dachau-Komitees stammten aus Spanien und wurden von Königin Isabella 1492 vertrieben.

Texte und interaktive Elemente der digitalisierten Ausstellung, an der noch der Karmeliterpater Ulrich Dobhan und Peter Betscher mitgearbeitet haben, stellen das Leben und die Schriften der Kirchenlehrerin vor. Teresa de Ahumada trat am 2. November 1535 gegen den Willen ihres Vaters in das Karmelitinnenkloster von Ávila ein. Drei Jahre später überstand sie eine schwere Krankheit. Mit 39 Jahren erfuhr sie ihre "zweite Bekehrung": In einer Vision sah sie einen Engel, der mit einem brennendem Speer ihr Herz berührte. Viele Maler gestalteten dieses Motiv. Die Ausstellung zeigt auch einige Bilder, die meisten aus dem Besitz der Karmeliter. Um 1562 gründete die Nonne ein Kloster, einen Ort der intensiven Begegnung mit Jesus im inneren Gebet. Einige Jahre später folgte die Gründung eines Männerklosters nach ihrem neuen Ordensideal. Weltweit leben heute etwa 14 000 Ordensleute nach den Regeln des Teresianischen Karmel.

Priorin Irmingard liest gerade wieder ein Buch über Teresa von Ávila, das den Titel "Agentin Gottes" trägt. Der gefällt der Schwester Oberin sehr gut. Die Heilige war dem Weltlichen nicht entrückt, hübsch war sie, charmant und auf dem diplomatischen Parkett an den Höfen der Fürsten verstand sie es, gewandt aufzutreten. Sie war eine große Frau - großartig wie die 17 Schwestern in Dachau, die in ihre Fußstapfen getreten sind.

Die Ausstellung in der ehemaligen Karmeliterkirche in der Münchner Karmeliterstraße 2 läuft bis 29. März. Montag bis Samstag, jeweils von 12 bis 19 Uhr, Sonntag von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Am 28. März wird um 10 Uhr ein Gottesdienst in der Kirche St. Theresia in München, Dom-Pedro-Straße 39, mit Kardinal Reinhard Marx zu Ehren der Heiligen Teresa von Ávila gefeiert.

© SZ vom 06.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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