Gebhard Schmidl war einer der ganz Großen. Mit Felix Plahl und der exzentrischen gigi gehörter er zur ersten Generation von Künstlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Dachau kamen und mit ihrer Arbeit ganz neue Akzente setzten. „Er hat sich wahnsinnig gut mit der Wirkung von Farben und ihrer psychologischen Wirkung ausgekannt“, sagt die Dachauer Kunsthistorikerin Bärbel Schäfer über Gebhard Schmidl, zweifellos gehöre er zu den „Meilensteinen“ der Dachauer Kunstgeschichte. Nun ist auch er gegangen wie zuvor schon gigi und Felix Plahl. Bereits Ende Januar ist der Maler, Zeichner und Bildhauer im Alter von 93 Jahren gestorben, vergangene Woche fand die Urnenbeisetzung statt.
Gehen konnte der betagte Künstler schon eine Weile nicht mehr, aber noch bis vor einem Jahr habe er gezeichnet, erzählt sein Sohn, Martin Schmidl. Schon wenn man sein Atelier in der Kleinen Moosschwaige besucht, bekommt man einen lebhaften Eindruck von der Schaffenskraft des Malers: ein hoher Raum, vollgestopft mit alten Möbeln und Werken aller Art, heitere dralle Holzskulpturen, steinerne Gargylen, Gemälde von luzider Fantastik, Bilder in Öl und Acryl und zahlreiche Lithografien, Schmidls bevorzugte Technik in der Druckgrafik.
Und dann ist da noch das alte Holzregal, Herzstück des Schmidl‘schen Ateliers: Ein Gläschen reiht sich hier ans andere, Preußischblau, Eisenoxid, Chromgelb, selbst das hochgiftige Schweinfurter Grün gibt es im Repertoire, alles aus eigener Herstellung. Schon mit 14 rührte der Könner - denn Kunst kommt ja bekanntlich von Können - seine eigenen Pigmentfarben an.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie unter sz.de/datenschutz.
Gebhard Schmidl ist Jahrgang 1931. Als er im schwäbischen Städtchen Weißenhorn das Licht der Welt erblickt, geht es mit der Weimarer Republik schon langsam zu Ende. Zur Kunst kommt Schmidl über das Kunsthandwerk, 1947 machte er eine Ausbildung als Kirchenmaler, 1957 schließt er sie mit Meisterprüfung und Diplom ab. Bis 1963 studiert er an der Akademie der Bildenden Künste in München, anschließend arbeitet er bis 1976 als Assistent in der Mal- und Zeichenklasse von Professor Franz Nagel. Während dieser Zeit malt er Kirchendecken nach Nagels Entwürfen, unter anderem im Regensburger Dom und in der Kirche Heiligkreuz in Dachau-Ost.




Ein Atelier zu unterhalten, ist Gebhard Schmidl zu Beginn seiner Laufbahn als Künstler noch nicht möglich. Er arbeitet in seiner Dachauer Privatwohnung, die Druckerpresse für die Lithografien steht im Keller. 1980 kann er schließlich sein Atelier in der Kleinen Moosschwaige beziehen. In der Dachauer Kunstszene wird er schnell zu einer festen Größe, gemeinsam mit Otto Fuchs (1911-2000), auch „Akt-Fuchs“ genannt, arbeitete er an Wandbildern, etwa an der Fassade der Klosterschule Dachau. Mit seinen Malerkollegen lässt er die Kleine Moosschwaige, in der früher auch schon die Malerin Paula Wimmer (1876-1911) gearbeitet hat, wieder als künstlerisches Zentrum der Stadt aufleben.
Nach dem Krieg habe es für einen Künstler „nur zwei besondere Orte“ in Deutschland gegeben, sagt Martin Schmidl zur Wahlheimat seines Vaters: Berlin und Dachau, letzteres der Geschichte wegen. Die Natur in und um die Amperauen bot dem Vater zudem Entspannung und Abwechslung zum Kunstbetrieb, Schmidl war passionierter Angler und ging gerne Pilze sammeln. Wenn er mit der Familie nach Italien fuhr, dann höchstens um Museen und Kirchen zu besichtigen, erinnert sich der Sohn. Das „Konzept Urlaub“ habe sein Vater nie verstanden, er mache doch sowieso nur das, was er wolle. Nur dass Gebhard Schmidl es auch richtig gut machen will.
„Ein pädagogisches Naturtalent“
Auch wissenschaftlich beschäftigt er sich mit Malerei. Von 1976 bis 1994 ist er Leiter der Studienwerkstätte für Maltechnik an der Akademie der Bildenden Künste in München. Das für Kunststudenten und Künstler unentbehrlichen Standardwerk „Werkstoffe und Techniken der Malerei“ überarbeitet er neu. „Ein pädagogisches Naturtalent“ sei er gewesen, sagt der Sohn über Gebhard Schmidl, sein Wissen habe mit größter Selbstverständlichkeit weitergegeben, und so verwundert es nicht, dass Martin Schmidl schon als Jugendlicher in die Fußstapfen des Vaters tritt, ohne dass ihn jemand dazu gedrängt hätte.
Inzwischen ist er nicht nur selbst Künstler, sondern auch Professor für Kunstwissenschaft und seit 2021 Rektor der Kunsthochschule Kassel. Schon seit Längerem teilt er sich das Atelier in Dachau mit seinem Vater und will es auch künftig nutzen. Vielleicht könne man noch einmal eine Retrospektive zu seinem Vater machen, sagt Martin Schmidl. Doch erst einmal muss er den Bestand sichten und systematisch erfassen. Das könnte noch eine Weile dauern: Den Nachlass seines Vaters schätzt Martin Schmidl auf mehr als 1000 Gemälde, noch mehr Zeichnungen, Druckgrafiken und Aquarelle und eine noch kaum zu beziffernde Zahl an Skulpturen.