Gebäude:Historisches Erbe zum Verkauf

Der Bund besitzt seit 1964 ehemalige SS-Häuser in Dachau in der Nähe der Gedenkstätte. Nun muss er das marode Ensemble loswerden

Von Viktoria Großmann, Dachau

Fünf Wohnhäuser für zwei Millionen Euro in guter Verkehrslage in Dachau, das klingt nach einem guten Angebot. Wo ist der Haken? Es gibt mehrere: Die gelben zweistöckigen Häuser an der Hebertshausener Straße am Ortsausgang in Dachau-Ost sind stark sanierungsbedürftig, und stehen seit 1992 unter Denkmalschutz. Als ehemalige Wohnungen von SS-Unterführern, die im nahen Konzentrationslager arbeiteten, gehören sie zu dessen historischem Umgriff. Vom Käufer wird ein "sensibler und verantwortungsvoller Umgang mit dieser Thematik erwartet".

So heißt es im Exposé, das die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz Bima, verfasst hat. Sie ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt und leitet den Verkauf. Seit 1964 schon gehören die Häuser auf dem 8672 Quadratmeter großen Grundstück dem Bund, der sie einst vom Freistaat Bayern übernahm. Als Vermieter hat der Bund all die Jahre nicht viel an den Häusern getan, nicht einmal Heizungen eingebaut.

Die Mieter haben wesentliche Erhaltungsmaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten selbst getroffen. Dafür dürften Mieten wie diese in Dachau sonst kaum zu finden sein: der Quadratmeter kostet durchschnittlich vier Euro. Zwei von 24 Wohnungen stehen leer, weil es durchs Dach geregnet hat. Auch im Treppenhaus ist der Wasserschaden sichtbar.

Häuserverkauf

Jedes der fünf 100 Jahre alten Häuser an der Hebertshausener Straße in Dachau sieht ein bisschen anders aus.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Denkmalschutz, historische Bedeutung oder bezahlbare Mieten sind aber für den Bund kein Grund, die Häuser zu behalten. Laut Gesetz muss die Bima "nicht betriebsnotwendiges Vermögen" zu Geld machen. Das dürfte allerdings in diesem Fall gar keine so leichte Aufgabe sein.

Die Häuser sind 100 Jahre alt, errichtet wurden sie 1916 im Auftrag des Kriegsministeriums als Wohnhäuser für Unteroffiziere. Die Häuser gehörten zur Pulver- und Munitionsfabrik. Nach der Schließung der Pulverfabrik wurden sie höchstwahrscheinlich zu Wohnungen für Privatleute, sagt Stadtarchivar Andreas Bräunling. Bereits 1933 zum Zeitpunkt der Einrichtung des Konzentrationslagers Dachau bezogen SS-Leute die Häuser. Aus jener Zeit, von 1935, stammen die letzten Umbauten an den Häusern. Heute stehen Gartenzwerge im Vorgarten und hängen Satellitenschüsseln an den Fenstern. Der Blick geht zwar idyllisch ins Grüne, besonders ruhig ist aber die Lage am Stadtrand an der viel befahrenen Alten Römerstraße nicht mehr.

Die historische Belastung mag nicht jedem behagen. Durch den Denkmalschutz sind Eingriffen in den Bestand Grenzen gesetzt. Zwei potenzielle Käufer haben bereits abgelehnt: Weder Stadt noch Landkreis wollten die fünf Häuser kaufen. Anfang März hatte die Bima die Anwesen sowohl der Stadt als auch dem Landratsamt angeboten. Die Gründe, den Kauf abzulehnen sind auf beiden Seiten die gleichen: "Unter dem Aspekt, zusätzlichen Wohnraum schaffen zu wollen, hilft uns das nicht", sagt Gerd Müller vom Landratsamt. Die Wohnungen sind ja schon vermietet, die meisten wohnen schon sehr lange in den Häusern und genießen daher einen gewissen Schutz. Außerdem, sagt Müller: "Der Sanierungsaufwand ist gewaltig."

Häuserverkauf

Teils sind die Dachgeschosse ausgebaut, teils nicht.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt: "Die Häuser würden uns keine Entlastung bringen." Die Mitglieder im Haupt- und Finanzausschuss seien sich in nicht öffentlicher Diskussion schnell einig gewesen, dass es sinnvoller ist, in Neubauten zu investieren, um zusätzliche Wohnungen zu schaffen, statt sanierungsbedürftige Bestandsbauten anzukaufen. Ein Beschluss war nicht nötig, die Frage der Stadtverwaltung, ob sie tätig werden solle, wurde mit Nein beantwortet.

Ebenfalls nicht in Frage kommt eine Investition aus Sicht der Stiftung bayerische Gedenkstätten. "Die ehemaligen SS-Wohnhäuser liegen nicht in dem vom Comité International de Dachau definierten Umgriff des Geländes", sagt Stiftungsdirektor Karl Freller. Anders, als der Kräutergarten, der zwar nicht zur Gedenkstätte gehört. Hier gibt es aber Gespräche mit der Stadt wie dieser Ort, an dem von der SS Tausende Menschen zu schwerster Arbeit gezwungen wurden und starben, in die Gedenkarbeit einbezogen und vor allem, wie er erhalten werden kann. Das ist eine Geldfrage, die seit Jahren ungelöst ist, während die historische Anlage verfällt. "Es würde unsere Dimensionen überschreiten, die Gebäude an der Hebertshausener Straße auch noch einzubeziehen", sagt Freller. Und scherzt: "Aber das Geld aus dem Verkauf der Häuser könnten wir für die Gedenkstätte gut gebrauchen." Bis zum 26. August will die Bima Angebote einholen.

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