WM in Katar:Das Fußballfieber bleibt aus

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Die Wirtsleute Christof und Karin Wieckhorst werden die Spiele der Fußball-WM 2022 in ihrem Lokal zeigen. Im "Luja" in der Frühlingstraße ist es nämlich quasi schon Tradition. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In zwei Wochen startet die umstrittene Weltmeisterschaft in Katar. Die Frage, ob man sie anschauen sollte, beschäftigt viele Menschen. Manche Lokale in Deutschland boykottieren die Veranstaltung. Wie gehen Dachauer Wirte damit um?

Von Ayça Balcı und Paulo Plautz, Dachau

Fan-Schals, Panini-Hefte und Public-Viewing: Alle vier Jahre überkommt Deutschland das Fußballfieber. Normalerweise. Denn in diesem Jahr ist einiges anders. Die Fußballweltmeisterschaft findet zum ersten Mal in ihrer Geschichte im Winter statt - und in dem höchst umstrittenen Gastgeberland Katar. Dem Wüstenemirat werden massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, auch in Bezug auf die WM: So soll es etwa beim Bau der Stadien durch Gastarbeiter zu mehreren Tausend tödlichen Unfällen gekommen sein. In öffentlichen Debatten wurde deshalb hitzig über einen Boykott der Sportveranstaltung diskutiert.

Während es in erster Linie die Entscheidung eines jeden einzelnen Fußballfans ist, sich die diesjährige WM anzusehen oder nicht, haben sich bundesweit aber auch rund 100 Gaststätten dem Aufruf der Fan-Initiative "#BoycottQatar2022" angeschlossen - bei ihnen bleiben die Bildschirme zu den WM-Spielzeiten zwischen dem 20. November und 18. Dezember aus. Die Wirte und Wirtinnen im Landkreis Dachau gehen mit der Situation unterschiedlich um.

Viele Gastronomen sind auf den Umsatz angewiesen

"Eigentlich müsste man die WM wegen der Menschenrechtsverletzungen boykottieren", sagt Ingolf Matthias Berger, der Inhaber des "Jokers Pub" in der Sudetenlandstraße in Dachau. Er könne seine Gäste, die die Spiele schauen wollen, aber nicht einfach wegschicken. "Ich habe ja auch Kosten, und diese steigen jeden Tag", so der Wirt. Deshalb werde er die Spiele in seinem Pub zeigen. Eine große Sache wolle er aber nicht daraus machen.

In Altomünster geht es der Inhaberin des "Barwerk 3" ähnlich. Bisher hat Isemann Nevenka immer die Spiele der deutschen und kroatischen Nationalmannschaft in ihrem Lokal gezeigt, das hat sie auch bei dieser WM vor. Ein Boykott sei nicht geplant. "Wenn Deutschland spielt und ich nicht übertrage, dann schade ich eigentlich nur mir selbst und keinem anderem", sagt die Wirtin aus Altomünster. Nach zwei schweren Pandemie-Jahren sei sie auf die Gäste und den Umsatz angewiesen.

So geht es vielen Gastronomen in Bayern, bestätigt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bayern. Durch Corona seien viele Betriebe noch verschuldet, dazu kämen jetzt "die explodierenden Energie-, Lebensmittel- und Personalkosten." Gleichzeitig sei ein zurückhaltendes Konsumverhalten bei Gästen zu spüren. "Das ist eine toxische Mischung, die sich gerade zusammenbraut", so Geppert.

Daher könnten die meisten Gastronomen auf den Umsatz, den die Fußballspiele einbringen könnten, nicht verzichten. Boykotte gebe es in Bayern deshalb nahezu keine. Genauere Daten dazu will die Dehoga erst noch erheben. Aus seiner Sicht sollten die Gastronomen nicht dafür verurteilt werden, so der Landesgeschäftsführer. "Es fragt ja auch keiner, warum das deutsche Fernsehen die Fußballspiele überträgt. Wieso sollten dann die Gastronomen als letztes Glied in der Kette dafür herhalten?"

Ungünstig ist auch der Zeitpunkt der WM

Unglücklich sei außerdem, dass diese WM in die Vorweihnachtszeit fällt, die Hauptsaison für viele Lokale. "Dadurch wird es keine größeren Zusatzeffekte im Umsatz geben", vermutet Geppert, da die Lokale in dieser Zeit grundsätzlich gut besucht seien, auch wegen der zahlreichen Weihnachtsfeiern. Diese überschneiden sich in diesem Jahr allerdings auch mit den Fußballspielen der WM. "Wenn ich eine Weihnachtsfeier habe, werde ich mit Sicherheit kein Fußball zeigen", sagt auch Wirtin Nevenka aus Altomünster.

Dass die WM genau in die besinnliche Festzeit fällt, sei auch für das Zieglerbräu in Dachau ein Grund, die Spiele nicht zu zeigen. "Wir haben so viele Weihnachtsfeiern im Haus, da ist das für uns gar kein Thema gewesen", erklärt Inhaberin Andrea Schneider. Dazu kämen die Lizenzkosten für die Übertragung, die sich in diesem Fall nicht lohnen würden und die Anstoßzeiten, die für das Lokal auch eher ungünstig wären. Ein Großteil der Spiele findet nämlich schon am frühen Nachmittag statt. Für viele Lokale ein Ausschlusskriterium.

Das Problem sieht auch Yonca Erdem, sie ist die Wirtin der ASV-Gaststätte "Lara's Team": "Es rentiert sich eigentlich nicht, wenn unter der Woche mittags die Spiele bei uns laufen." Die Vereinsgaststätte öffnet erst um 17 Uhr. Ob sie die Weltmeisterschaft übertragen werden, sei daher noch unsicher. Persönlich sieht Erdem die WM in Katar kritisch: "Ich will als Wirtin eigentlich keinen Umsatz machen, während auf der anderen Seite Menschen unter katastrophalen Bedingungen arbeiten müssen." Privat werde sie sich die Spiele jedenfalls nicht ansehen.

Sicher ist man sich hingegen im "Luja" in der Frühlingsstraße, wie man mit der schwierigen WM verfahren wird. Dort wird man als Besucher das eine oder andere Tor bejubeln können. Lange Zeit hatte Fußballschauen hier Tradition. Nach ihrer Eröffnung 2014 lockte die WM viele Fußballfans vor die großen Bildschirme des Lokals. "Inzwischen zeigen wir eigentlich keinen Fußball mehr, aber wenn EM oder WM ist, machen wir eine Ausnahme", sagt die Inhaberin, Karin Wieckhorst. Bedenken bei der Entscheidung habe man nicht gehabt, auch wenn die die WM "natürlich unter einem Schatten" stehe.

Kein großer Ansturm erwartet

Wenn eines der größten Sport-Events der Welt ansteht, erwartet man auch und vor allem von einer Sportbar, die Veranstaltung zu übertragen. In der "Skyline Billard Sportbar" in der Münchner Straße hat man sich trotzdem Gedanken über die umstrittene Weltmeisterschaft gemacht: "Es ist schwierig, aber wir sind nun mal auch eine Sportbar", so der Geschäftsführer. Man habe sich jedoch bewusst dazu entschieden, keine explizite Werbung auf Facebook oder anderen Plattformen zu schalten. Mit einem großen Ansturm rechnet der Geschäftsführer der Bar sowieso nicht, da die WM von den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen wird.

Das große Public-Viewing-Event, wie man es sonst bei einer Weltmeisterschaft gewohnt ist, bleibt in diesem Jahr wahrscheinlich aus. Dem gemeinsamen Schauen in Gaststätten oder Bars steht jedoch wenig im Wege. Ob bei den Dachauern dabei großes WM-Fieber aufkommt, bleibt allerdings abzuwarten.

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