Fußball in Pipinsried:Ein echter Mittelstürmer

Konrad Höß war in seiner aktiven Zeit stets als Sturmspitze unterwegs. Diese Eigenschaften prägen auch seine Zeit als Präsident und Platzwart des FC Pipinsried, den er vor 50 Jahren gegründet hat

Von Benjamin Emonts, Altomünster

Die Halme wachsen hier dicht an dicht. Es riecht nach frisch gemähtem Gras, das satt grün aussieht. Der Präsident und Platzwart des FC Pipinsried, Konrad Höß, kennt vermutlich jeden einzelnen Grashalm persönlich. Als er von seinem Rasenmäher-Bulldog absteigt, zeigt der Mann mit Gummistiefeln und Schiebermütze auf die akkurat gezogenen Kalklinien, die das Spielfeld markieren. "Da muss erst einmal ein Bundesligist kommen, der das genauso hinbekommt", sagt der Präsident. Und er schwärmt: "Einfach sensationell."

Wie ist es möglich, dass sich in diesem kleinen Dorf im Dachauer Hinterland ein Fußballplatz befindet, der mehr nach Champions League als nach Kreisklasse aussieht? Und wie ist es möglich, dass in der 500-Seelen-Ortschaft, die verschlafen in einer Talmulde drei Kilometer vom Markt Altomünster entfernt liegt, ein Verein in der Bayernliga spielen kann? Die Antwort weiß nur einer: Konrad Höß. Der Platzwart und Patriarch.

Der FC Pipinsried, sein Lebenswerk, ist in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. Seit 1999 hat der Verein durchgehend in der Landesliga, der dritthöchsten Amateurklasse, gespielt. Kein Verein aus dem Landkreis, auch nicht in der Stadt Dachau, vermochte, mit den Pipinsriedern Schritt zu halten. Im Jahr 2013 gelang der Mannschaft sogar der Aufstieg in die Bayernliga. Dort steht sie derzeit auf Platz drei und macht sich berechtigte Hoffnungen auf einen Aufstieg in die Regionalliga.

Fußball in Pipinsried: Zwei- bis dreimal die Woche mäht Konrad Höß seinen heiligen Rasen.

Zwei- bis dreimal die Woche mäht Konrad Höß seinen heiligen Rasen.

(Foto: Toni Heigl)

In den Antworten feiert sich Konrad Höß selbst: "Was ich hier geleistet habe, ist einfach sensationell." - "Einen Greenkeeper wie mich gibt es in keinem Stadion." Oder: "Mit ein paar Verrückten habe ich den Verein im Februar 1967 gegründet." Zwei Landwirten schwatzte er damals zwei Wiesen ab, aus denen er notdürftig einen Bolzplatz zusammenschusterte. Die Nachbarn aus Tandern und Altomünster, das erzählt Höß immer wieder, hätten ihn ausgelacht und belächelt. Und dann spricht er in der Er-Form von sich: "Aber den Konny haben sie unterschätzt."

Ohne dieses ausgeprägte Selbstbewusstsein wäre eine solche Leistung vermutlich nicht möglich gewesen. Dabei wüsste man schon gerne, wie Höß dieses Unternehmen seit Jahrzehnten finanziert. Er schweigt sich aus und sagt in deftigen Worten: "Ich spare wie die Sau." Dazu kommen Zuschauereinnahmen und die Bandenwerbung. Sein einnehmendes Wesen hat zeitweise sogar das Klinikum in Dachau zum Fan werden lassen. Dort wurde Höß nach einem schweren Herzinfarkt vor sechs Jahren behandelt. Seither ist der 76-Jährige etwas ruhiger geworden und hat seinen Stammplatz hinter dem Tor, von dem aus er so manchen Spieler zusammengefaltet hat, aufgegeben.

Fußball in Pipinsried: Konrad Höß

Konrad Höß

Ehrgeiz und bäuerlich-schlauen Charme brauchte der junge Höß auch im Jahr 1971, als er mit dem Bau des heutigen Stadions begann. Nach und nach beschaffte er sich immer mehr Grundstücke und baute das Sportgelände immer weiter aus. Es folgten das Sportheim, ein Trainingsplatz, eine Stockschützenbahn, ein Parkplatz. Höß, der fast 50 Jahre als landwirtschaftlicher Leistungsprüfer für Milchprodukte tätig war, bat überall um Unterstützung und trieb Geld ein. Das schmucke Sportgelände entstand nahezu in Eigenleistung. Heute misst es knapp 10 000 Quadratmeter und ist penibel gepflegt.

In den Gründungsjahren spielte Höß noch als Mittelstürmer, und natürlich sagt er: "Ich war immer der Beste in Pipinsried." Was aber zeichnet einen Mittelstürmer aus? Er ist durchsetzungsfähig und hat einen guten Riecher. Letzteren stellte Höß unter Beweis, als er Ende der Siebzigerjahre den Odelzhausener Hermann Brunner zum Spielertrainer machte, der die Mannschaft schnell zum Erfolg brachte. "Die Leute wussten damals noch gar nicht, was ein Spielertrainer ist. Das war der allererste in ganz Deutschland", ist Höß felsenfest überzeugt. Der 76-Jährige setzt mit Vorliebe junge Spieler aus höheren Ligen als Trainer ein. "Die kosten nicht so viel und können sich bei uns einen Namen machen."

Durchsetzungsvermögen bewies er im Jahr 2004, als er vor dem Verbandssportgericht auf rechtlichem Wege den sportlich besiegelten Abstieg aus der Landesliga verhinderte. Gemeinsam mit seinem Sohn, einem Juristen, hatte Höß einen schwammigen Paragrafen in der Abstiegsregel ausgemacht und erfolgreich angefochten. Höß gilt gemeinhin als Schlitzohr, auf bayerisch würde man wohl sagen: Er ist ein Fuchs. Er kämpft und leidet für seinen Verein, und wehe es kommt etwas dazwischen. Nachdenklich erlebt man Höß allerdings, wenn es um die Zukunft seines Vereins geht. "Bayernliga wird's ohne meine Person nicht mehr geben", sagt er. Am Sonntag, 16 Uhr, steht aber erst einmal das Spiel gegen Hankofen an. Der Rasen ist bereits gestriegelt.

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