Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck/Dachau:"Es kann schon zu Verzögerungen kommen"

Die Baufirmen im Landkreis Fürstenfeldbruck haben viele Aufträge abzuarbeiten. Sie sind aber zuversichtlich, dass lange Lieferzeiten und Materialmangel sie nicht aufhalten werden.

Von Erich C. Setzwein

Bauherren müssen sich offenbar keine Sorgen machen, dass ihre neue Immobilie auch rechtzeitig fertig wird. Denn die Baufirmen in den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau sind, wenn man sich deren Vertreter anhört, einerseits zwar gut ausgelastet, aber andererseits in der Lage, die Aufträge abzuarbeiten. Lieferkettenprobleme hin oder Kriegs- und Krisenfolgen her. Das größte Problem, das Firmen wie Innungen gleichermaßen benennen, ist die derzeitige Entwicklung der Preise. Statt der gewohnten, alle paar Wochen oder monatsweise erscheinenden Preislisten, würden Tagespreise aufgerufen, die ständig stiegen, sagt Raffael Diepold, stellvertretender Obermeister der Bau-Innung im Landkreis Dachau. Und auch der Fürstenfeldbrucker Bau-Obermeister Markus Krabacher kennt die Entwicklung, sieht aber keinen Hinderungsgrund, warum es auf dem Bau eng werden sollte. Sofern man sich entsprechende Strategien zu Grunde gelegt habe.

"Was sich auswirken könnte, sind die Spritpreise", sagt Markus Krabacher, der in Germering ein Baugeschäft mit sechs Mitarbeitern hat. Er baut zwar keine Häuser neu, aber er baut alte um und saniert die noch älteren. Das tut der eben erst gewählte Obermeister der Bau-Innung Fürstenfeldbruck in einem Umkreis von etwa 50 Kilometern seit 2008. Doch noch nie zuvor schlugen die Fahrten zu den Baustellen so zu Buche wie jetzt. Seine Kunden hat Krabacher vorwiegend in der Landkreisen Fürstenfeldbruck, Starnberg und München, auch in der Landeshauptstadt realisiert er Projekte. Da kommen trotz Regionalität viele Kilometer auf den Straßen zusammen. Seine Firma bringt unter anderem Reihenhäuser auf den neuesten Stand, erhält somit den Bestand - und damit auch die sogenannte graue Energie. Krabacher arbeitet dabei mit Installateuren und Elektrikern zusammen und weiß, was auf den Baustellen fehlt - oder eben auch nicht. Er selbst schaut, dass er rechtzeitig die Baustoffe einkaufen kann, und er lagert die Ware selbst. "Größere Firmen lassen sich das Material oft direkt auf die Baustelle liefern, da kann es schon mal zu Verzögerungen kommen", weiß Fürstenfeldbrucks Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer. Krabacher hat die Erfahrung gemacht, dass der Einkauf bei Firmen in der Region Vorteile bringt.

Krabacher, der in seiner Innung 28 Mitglieder mit sehr unterschiedlichen Betriebsgrößen hat, kann sich vorstellen, dass die kleineren Firmen es derzeit etwas leichter haben. "Wir haben keine Materialschlachten", benutzt er einen militärischen Begriff und erläutert ihn so: Bei Umbauten und Sanierungen mache die Arbeitszeit etwa zwei Drittel des Auftrags aus, das Material nur ein Drittel. Bei den großen Hochbaufirmen sei es genau umgekehrt. Dort würden weniger Arbeiter, aber mehr Material benötigt - mit allen Folgen, wenn etwas nicht rechtzeitig geliefert werden kann.

So ist Baustahl für den Wohnungs- und Gewerbebau wichtig, er sei schon während der Pandemie knapper und teurer geworden, sagt Höfelsauer, auch der Holzpreis sei in die Höhe gegangen. Dennoch sind wohl kaum Bauprojekte gestoppt worden. "Beim Rohbau haben wir keine Lieferschwierigkeiten", hält Raffael Diepold fest.

Tatsächlich herrscht in vielen Bereichen Mangel. Ein Hersteller für Dachziegel kann nichts mehr von seinem Werk in der Ukraine bekommen, die Kunden müssen entweder auf ein anderes Produkt aus selbem Haus oder von einem anderen Hersteller ausweichen. Auch der Rollladenbau hat Probleme und Einbauverzögerungen, wenn kleine Motoren fehlen. Denen geht vielleicht nur ein Chip ab, aber deshalb müssen der Handwerker und sein Kunde eben warten. Oder es sind Abwasserrohre, die als Erstes in den Boden kommen, wenn gebaut wird. Dann steht erst einmal der ganze Bau still. Es sei schon vorgekommen, dass auch diese Rohre schwer zu bekommen seien, sagt Christian Huber vom Baustoffzentrum Olching. Bei Dämmmaterial sei es schon länger so, dass man bei Herstellern nur bestimmte Kontingente bestellen könne.

Auch Dachziegel gehören zu den Produkten, die mal mehr, mal weniger in den Regalen vom BZO zu finden sind. Huber sieht nicht allein den Krieg in der Ukraine als derzeit gern genannte Ursache für Lieferengpässe und Preissteigerungen. Es seien eine Vielzahl von Gründen und Entwicklungen, die dazu geführt hätten. So treffe es etwa die Heizungsbauer besonders hart, wenn Geräte nicht lieferbar seien, weil den Herstellern bestimmte Bauteile fehlten. Raffael Diepold verweist in diesem Zusammenhang auf die Einbaugeräte im Haushalt, die lange im Rückstand seien, bis sie endlich beim Kunden ankommen.

Auch wenn Eisenprodukte durch Tagespreise schwer kalkulierbar sind, Zement und Ziegel mit hohem Energieaufwand produziert und damit teurer verkauft werden, scheint die Baubranche noch zu boomen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) listet auf, dass im vergangenen Jahr 750 neue Wohnungen allein im Landkreis Fürstenfeldbruck gebaut worden seien - vom Einfamilienhaus bis zum Mehrparteiengebäude. Sie bezieht sich auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach in den Neubau Investitionen in Höhe von rund 333 Millionen Euro flossen. "Zusätzliche Wohnungen sind ein wichtiger Beitrag gegen steigende Mieten. Wichtig ist dabei das bezahlbare Segment. Und es kommt vor allem darauf an, dass im sozialen Wohnungsbau noch mehr getan wird", sagt Harald Wulf, Bezirksvorsitzender der IG Bau Oberbayern. Aber auch die Gewerkschaft weist auf die knapp gewordenen Baumaterialien hin. Steigende Energiepreise, Inflation und steigende Bauzinsen erschwerten derzeit den Neubau, so die Gewerkschaft.

Diese Tendenz kann auch Raffael Diepold aus Dachau bereits erkennen. "Bis ins nächste Jahr sind die Auftragsbücher voll, aber es ist jetzt schon zu sehen, dass das Interesse am Bau neuer Wohnhäuser nachlässt." Weniger Aufträge erwartet Diepold, dessen Firma unter anderem schlüsselfertige Wohnhäuser anbietet, auch bei gewerblich genutzten Neubauten. Aber Diepold ist froh, dass der enorme Druck der vergangenen Jahre etwas geringer zu werden scheint. Weil bei der Firma Diepold mit ihren 20 Festangestellten derzeit alle voll eingespannt sind, könnte weiteres Fachpersonal nicht schaden. Das sehen auch andere Firmen und die Innungen so. Sowohl Krabacher in Fürstenfeldbruck, als auch Diepold in Dachau, halten für ihr Handwerk fest, dass sich die vergangenen beiden Pandemiejahre nicht positiv ausgewirkt hätten. Es fehlten die Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler direkt anzusprechen und sie für die vielfältigen Berufe im Bauhandwerk zu begeistern.

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SZ vom 13.06.2022
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