"Für mich sind das alles Schikanen":Konrad Höß im Abseits

Der FC Pipinsried muss zahlreiche Auflagen für das Stadion erfüllen, um den sensationellen Aufstieg in die Regionalliga wahr zu machen. Aber der Präsident attackiert zum Entsetzen seiner Mitarbeiter kurz vor der Entscheidung maßgebliche Funktionäre und Behörden wie das Landratsamt

Von Benjamin Emonts, Pipinsried

Präsident Konrad Höß verlängert den Ball über den eigenen Torhüter hinweg. Doch mit einer beherzten Grätsche können seine Mitspieler das Eigentor in letzter Sekunde verhindern. In einem Fußballbericht würde man die absurde Szenerie im 500-Einwohner-Dorf Pipinsried wohl genau so beschreiben. Der kleine Fußballverein im Dachauer Hinterland ist vor wenigen Wochen sensationell als erste Mannschaft des Landkreises in die vierthöchste Spielklasse, die Regionalliga Bayern aufgestiegen. Um die Auflagen dafür zu erfüllen, arbeiten sie seit Wochen mit Baggern, Planierraupen und jeder Menge Herzblut an ihrem großen Projekt.

"Für mich sind das alles Schikanen": Die Tribüne des Stadions an der Reichertshausener Straße bekommt 300 blau-gelbe Sitzschalen.

Die Tribüne des Stadions an der Reichertshausener Straße bekommt 300 blau-gelbe Sitzschalen.

(Foto: Toni Heigl)

Doch ausgerechnet einen Tag vor der Abnahme des Stadions durch die Behörden und den Bayerischen Fußballverband an diesem Freitag setzte Präsident Konrad Höß zu einer öffentlichen Tirade gegen die allzu strengen Behörden an - und machte auch vor dem Dachauer Kreisbrandrat Franz Bründler nicht halt. Die Reaktionen der Angegriffenen reichen von verblüfft bis schockiert. Das "Projektteam Regionalliga-Lizenz" innerhalb des Vereins entschuldigte sich öffentlich für die Attacke von Konrad Höß.

"Für mich sind das alles Schikanen": Der 76-jährige Präsident Konrad Höß könnte es in der Regionalliga mit 1860 München zu tun bekommen.

Der 76-jährige Präsident Konrad Höß könnte es in der Regionalliga mit 1860 München zu tun bekommen.

(Foto: Toni Heigl)

Die Nerven liegen dieser Tage blank beim bayernweit bekannten Dorfclub. Bis zu diesem Freitagabend muss er eine Erklärung an den Bayerischen Fußballverband (BFV) abgeben, worin er die zahlreichen Auflagen erfüllt. Dazu benötigt der Verein das schriftliche Einverständnis des Landratsamts Dachau, des Bayerischen Roten Kreuzes, des Ordnungsamts, der Gemeinde Altomünster, der Polizei, der Brandschutzstelle und des Ordnungsdiensts.

Den großen logistischen und finanziellen Aufwand, um das Sportgelände regionalligatauglich zu gestalten, haben die Pipinsrieder unterschätzt, wie sie in einem öffentlichen Brief an Landratsamt und SZ zugeben. In weniger als einem Monat mussten das Stadion umgebaut, Fluchtwege geschaffen und ein großer Parkplatz aus dem Erdboden gestampft werden. Um das schaffen zu können, bat der Verein seine Fans über Facebook öffentlich um Hilfe. Lokale Bauunternehmen arbeiteten angeblich zu Freundschaftspreisen. Für den großen Traum von der Regionalliga packen sie alle mit an.

"Für mich sind das alles Schikanen": Insgesamt müssen am Ende 2500 Zuschauer in das Stadion passen.

Insgesamt müssen am Ende 2500 Zuschauer in das Stadion passen.

(Foto: Toni Heigl)

Doch der Präsident und Patriarch Konrad Höß torpediert das Gemeinschaftsprojekt. Er, der den Verein vor 50 Jahren gegründet hat und seit Jahrzehnten am Leben hält, sagt Sätze wie: "Wenn ich es zurückdrehen könnte, würde ich es zurückdrehen." - "Regionalliga ist für Pipinsried zu hoch." - "Die Mannschaft hat mir keinen Gefallen getan." Oder: "Die Situation belastet mich schwer." Mit seiner öffentlichen Kritik hat er eine Welle der Empörung ausgelöst. Er attackiert Feuerwehr und das Bayerische Rote Kreuz, weil sie dem Verein nach seiner Ansicht zu große Steine in den Weg legten. "Für mich ist das alles Schikane", sagte Höß am Donnerstag der SZ. "Bei den Auflagen meinst, der dritte Weltkrieg bricht aus." Seine Mitstreiter im Verein, das Projektteam Regionalliga-Lizenz, nahmen Höß bei Ortsbegehungen zuletzt bewusst nicht mit, weil sie befürchteten, der streitbare Präsident könnte aufbrausend werden. Seine öffentlich geäußerte Kritik ist den Pipinsrieder Verantwortlichen ziemlich sauer aufgestoßen. Die Stimmung im Verein ist ganz unten.

"Für mich sind das alles Schikanen": Zu den Auflagen gehört ebenfalls, dass zwei neue Stellplätze speziell für Rettungsfahrzeuge vorhanden sein müssen.

Zu den Auflagen gehört ebenfalls, dass zwei neue Stellplätze speziell für Rettungsfahrzeuge vorhanden sein müssen.

(Foto: Toni Heigl)

Einige maßgebliche Mitglieder befürchten gar, Höß könnte die Regionalligaträume damit endgültig zum Platzen bringen. In einem öffentlichen Brief schreiben Roland Küspert, Werner Schuster, Robert Steurer, Roman Plesche und Christian Schweiger: "Wir möchten herausstellen, dass wir von allen behördlichen Stellen außerordentlich unterstützt werden, unsere Pflichtaufgaben noch rechtzeitig zu schultern." Mitarbeiter des Landratsamts, darauf weisen sie hin, hätten extra den Betriebsausflug entfallen lassen, um den Pipinsriedern zu helfen. Kreisbrandrat Bründler, den Höß kritisiert hatte, bescheinigen sie gar einen "besonderen Einsatz".

"Der Vorwurf hat uns getroffen", sagt Stefan Löwl (CSU) am Donnerstagnachmittag. Der Landrat war am Tag des großen Aufstiegs live mit dabei im Stadion im fränkischen Fürth und präsentierte sich als Fan des Dorfvereins. Löwl glaubt, Höß könnte ein emotionales Problem haben, weil er sein Stadion nach den Umbauarbeiten kaum noch wiedererkenne und viele der Auflagen einfach nicht einsehe. Das Landratsamt und viele Ehrenamtliche aber würden alles dafür tun, damit es mit dem Traum Regionalliga denn auch klappt. "Wir helfen, wo es nicht mehr geht." Und: "Wir waren auf einem sehr guten Weg."

Ob sich nach Höß' Kritik daran etwas geändert habe? Löwl verneint. "Wir sind nicht nachtragend. Wir werden uns nicht trotzig zeigen." Die endgültige Entscheidung fällt der Bayerische Fußballverband am Montag, 3. Juli. Dessen Pressesprecher Thomas Müther sagt: "Wir haben ein großes Interesse, dass der FC Pipinsried in der Regionalliga spielt." Er berichtet, dass der Verband fast täglich mit dem Vorbereitungsteam des Vereins in Kontakt sei.

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