Süddeutsche Zeitung

Für die Sicherheit von Kindern:Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen

Stadt Dachau und Polizei fordern vor neun Kitas, Schulen und Altenheimen eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Die CSU-Fraktion lehnt das ab: "Wir wollen nicht überall die Verkehrsteilnehmer schikanieren." Die Mehrheit der Stadträte spricht sich aber für sechs Standorte aus

Von Petra Schafflik, Dachau

Mehr Sicherheit für Kinder: Dafür sollen Autofahrer künftig auch in Dachau runter vom Gaspedal. An sechs Stellen in der Stadt werden mit diesem Ziel jetzt vor Kindertagesstätten und Schulen neue Tempo-30-Zonen ausgewiesen. Zusätzliche Blinklichter sollen Fahrzeuglenker auf die Gefahrenstellen aufmerksam machen. Die Tempolimits betreffen Hauptstraßen, wo derartige Geschwindigkeitsbegrenzungen bislang nicht möglich waren. Doch nach einer Änderung der Straßenverkehrsordnung im vergangenen Jahr hat die Verwaltung alle Standorte überprüft. Die Stadträte im Umwelt- und Verkehrsausschuss folgten aber nicht allen Empfehlungen. Vor allem der CSU war die Liste mit neun potenziellen Schutzbereichen zu umfangreich. "Wir wollen nicht überall die Verkehrsteilnehmer schikanieren", sagte Peter Strauch (CSU), dessen Fraktion nur drei Standorte für sinnvoll hält. Mehrheitlich gebilligt wurden dann aber sechs Tempo-30-Zonen.

Viele Kommunen im Landkreis haben nur darauf gewartet, endlich vor ihren Kitas, Schulen, Kliniken oder Pflegeheimen auch auf Hauptstraßen die Geschwindigkeit zu drosseln. Die neue Option hat auch der Landkreis Dachau sofort genutzt, um an sieben Stellen für Kreisstraßen eine Geschwindigkeitsbegrenzung zu erlassen. In der Stadt hat die Behörde mit der Polizei 50 Einrichtungen überprüft. Viele davon liegen schon innerhalb von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten - doch an neun Stellen wurde Handlungsbedarf erkannt. Aber Peter Strauch (CSU) kritisierte das Vorgehen scharf als "unreflektiert", denn es würden pauschal "alle Kindergärten und Altenheime ohne jegliche Bewertung vorgeschlagen". Ein Vorwurf, gegen den sich Ordnungsamtsleiter Stefan Januschkowetz verwahrte. Jeder Standort sei gemeinsam mit der Polizei einzeln geprüft und begründet worden. Tatsächlich gehe es bei der Beurteilung nicht allein um die Lage an einer viel befahrenen Straße, sondern auch um die alltägliche Praxis, sagte Januschkowetz. Deshalb ist aus Sicht der Experten am Ignaz-Taschner-Gymnasium kein Tempo-Limit nötig, da die Schule zwar an der Schleißheimer Straße liegt, aber der Zugang über die ruhige Jahn- und Landsberger Straße erfolgt.

Verkehrsreferent will die Bewohner des Altenheims Marienstift schützen

Auch der Kindergarten Prinz Adalbert steht nicht auf der Vorschlagsliste, obwohl er an die häufig frequentierte Münchner Straße grenzt. Auch dort liegt der Eingang in der verkehrsberuhigten Nebenstraße. Anders die Kita Steinlechner Hof. Die werde zwar über eine separate Zufahrtsspur erreicht, wie Stadtrat Norbert Winter (Bürger für Dachau) kritisch anmerkte. Dennoch bleibe ein Tempo-Limit wichtig, erklärte der Ordnungsamtsleiter. "Weil nach der Beobachtung der Polizei oft Eltern und Kinder die viel befahrene Augsburger Straße queren." Aber bei Gymnasien hält Winter ein Tempo-Limit generell für unnötig, "denn die Schüler dort sind alt genug". Die CSU befürwortete die Geschwindigkeitsbegrenzung nur für Schulen und Kita an der Geschwister-Scholl-Straße, den Integrationskindergarten an der Konrad-Adenauer-Straße und das Josef-Effner-Gymnasium wegen des stark frequentierten Zebrastreifens, wie Strauch erklärte. Bei Tempo 30 sei die Verkehrssicherheit ganz generell größer, betonte dagegen Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD). Und ein Schutzkonzept gerade für Kinder und Senioren müsse auch diejenigen im Auge behalten, die sich vielleicht falsch verhielten. Tatsächlich würden etwa Bewohner des Altenheims Marienstift über die Schillerstraße "einfach quer drüber laufen", obwohl es bis zur Fußgängerampel nur wenige Meter sind. So habe er es selbst oft beobachtet.

"Bei Tempo 50 ist ein Aufprall tödlich"

Trotzdem gelte es, auch diese Passanten zu schützen. "Es geht darum, Unfälle zu vermeiden", sagte Koch. Auch beim Kindergarten Nazareth parken Eltern ihre Fahrzeuge auf der Thoma-Wiese. Vor dem Eingangstor soll ein Gitter verhindern, dass die Kleinen auf die Fahrbahn geraten. "Trotzdem kann immer mal ein Kind rauslaufen", warnte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Der Rathauschef erinnerte an den tödlichen Unfall am Bahnübergang 2017, der nach menschlichem Ermessen so eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Für Bernhard Sturm (Bündnis für Dachau) ist die Sache klar: "Bei Tempo 50 ist ein Aufprall tödlich, bei Tempo 30 nicht, also sind alle Standorte sinnvoll." So sahen es aber nicht alle Stadträte. Bei der Abstimmung gab es für jeden Standort andere Mehrheiten. Das Ergebnis: Neue, maximal 300 Meter lange Tempo-30-Zonen, die von Montag bis Freitag zwischen sieben und 17 Uhr gelten, gibt es für das Montessori-Kinderhaus (Brucker Straße), die Montessori-Schule, Grundschule und das Kinderhaus Augustenfeld (Geschwister-Scholl-Straße), die Kita Steinlechner Hof (Augsburger Straße), den Integrationskindergarten am Himmelreich (Konrad-Adenauer-Straße), den Sonnenwinkel (Wallbergstraße) und das Josef-Effner-Gymnasium (Erich-Ollenhauer-Straße).

Norbert Winter (Bürger für Dachau) regte an, dass nach dem Vorbild anderer Gemeinden dort auch Warnleuchten montiert werden, die für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Dagegen bleibt es vor dem Caritas-Altenheim Marienstift (Schillerstraße), den Kindergärten Nazareth (Ludwig-Thoma-Straße) und Little Footprint (Augsburger Straße) bei Tempo 50.

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SZ vom 10.02.2018/lela
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