Süddeutsche Zeitung

Freizeit am Karlsfelder See:Ärger am Grill

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Am Karlsfelder See wird es immer enger, Konflikte nehmen zu. Kreispolitiker und Gemeinderäte fordern Maßnahmen.

Von Christiane Bracht

Die Sonne strahlt vom Himmel. Doch über dem See hängen dicke Rauchschwaden. Es ist Sonntag. Familientag am Karlsfelder See: Vom Kleinkind bis zum Opa, alle sitzen auf Decken zusammen in großer Runde. Die Männer stehen am Grill, beobachten die brutzelnden Fleischstückchen und trinken Bier. Man ratscht und lacht, eingehüllt in dichten Nebel. Der Duft ist verführerisch. Doch der Rauch beißt in den Augen. Das schätzen nicht alle, aber jene, die sich hier niedergelassen haben, sind vergnügt. Das Treiben ist bunt. Manche Familien sind sogar mit Tisch und Stühlen angerückt - einige haben Sonnenpavillons aufgebaut. Die Anhänger ihrer Wagen stehen praktischerweise gleich daneben. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber die Großfamilien drumherum stört das wenig. Ästhetik definiert eben jeder anders. Die Leute sitzen dicht an dicht - dazwischen stehen die Grills. Die Nachbarn drehen sogar ein ganzes Lamm über einer halben Blechtonne mit glühenden Kohlen darin. "Es ist Sankt-Georgs-Tag", sagen die Männer. "An diesem Tag kommen wir jedes Jahr hierher." Über dem ganzen Trubel hört man gelegentlich auch Musik - fremdländische Töne. Einige rauchen Shisha. Der Sonntag am Karlsfelder See - er ist wie eine riesengroße Party, zumindest nahe dem Parkplatz Jahnstraße. Nicht jeder schätzt das. Das ist klar.

Des einen Freud, des anderen Leid: Grillen am See ist für viele der Beginn der Sommersaison.

Ein Spaß unter Freunden oder Kollegen, aber auch ein Familienfest.

Andere hassen den beißenden Rauch...

... den Trubel...

...und vor allem den Müll, der nicht selten einfach liegen bleibt.

"Das sind Gelage", klagt eine 55-jährige Dachauerin. Sie wäre gern in Ruhe mit ihrem Mann am Ufer des Sees spazieren gegangen, hätte gern ein bisschen Stille und Natur genossen. Der Trubel, das ist ihr entschieden zu viel. "Wo kommen diese ganzen Leute her?" fragt sie erzürnt. Das gesamte Westufer des Sees ist voller Griller, und auch am Ostufer liegen nicht nur Sonnenanbeter auf ihren Matten. "Es werden immer mehr", sagt die 55-Jährige. "Da muss was geschehen, bevor der ganze Münchner Norden sich dort ansiedelt." Zweiter großer Grillschwerpunkt am Karlsfelder See ist am Moosgraben nahe dem Parkplatz. Wer mit Kind und Kegel feiern will, schleppt die vielen Utensilien nicht gern weit. "Erholungssuchende werden hier einfach vertrieben", klagt die Dachauerin, die zumindest an diesem Tag das Nachsehen hat. Mit ihren Beschwerden steht sie keineswegs allein da. Im Karlsfelder Rathaus ist man leidgeprüft. Dort häufen sich die Klagen.

"Es ist schlimmer geworden", bestätigt auch der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die keinen Garten haben und deshalb an den See gehen. Aber es gibt Spielregeln." Auch er ist leicht erzürnt. Vor allem wenn er an die Einweggrills denkt, die die Leute gerne stehen lassen, wenn sie fertig sind mit ihrem Essen. "Und die nächsten flacken sich in Glut und Asche. Das ist nicht Sinn und Zweck des Erholungsgebiets", schimpft er. Die Hinterlassenschaften der Griller machen der Gemeinde schon lange große Probleme. Doch Kolbe sind die Hände gebunden. Nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt ist für den See zuständig - zumindest was den Unterhalt angeht. "Wenn wir zu sehr Einfluss nehmen, heißt es: Ihr müsst zahlen", sagt Kolbe. Und das kann die klamme Gemeinde nicht.

Vier ausgewiesene Grillplätze

Doch der Landkreis hat das Problem auch schon erkannt. Vier ausgewiesene Grillplätze reichen einfach nicht. Die Satzung soll geändert werden. Man will den Bereich erweitern. Das soll die Konflikte mit anderen Besuchern verringern. Kolbe ist skeptisch, dass das den nötigen Frieden bringt. "Wenn die Grillzonen nicht kontrolliert werden, macht die Ausweisung weiterer Flächen keinen Sinn", mahnt der Karlsfelder Bürgermeister im Kreistag. Das Landratsamt verweist indes auf die Security, die man engagiert habe. In Zweier-Teams patrouillieren sie am See, doch wie oft sie dort sind, kann Wolfgang Reichelt, der Sprecher der Kreisbehörde, nicht sagen. "Sie sind nicht laufend dort. Die Einsatzzeiten werden individuell festgelegt", erklärt er auf Nachfrage. Schweigen bewahrt Reichelt auch, wenn es darum geht, wie viele Sicherheitskräfte insgesamt ihre Runden um den See drehen, um die Leute zur Ordnung zu mahnen. Ihre Rechte sind eingeschränkt. Widersetzt sich jemand, müssen sie die Polizei zu Hilfe rufen. "Wir können nur an die gegenseitige Rücksichtnahme und Vernunft appellieren", erklärt Reichelt. Bußgelder verhängt die Polizei.

"Aber die Polizei macht gar nichts", klagt die 55-jährige Dachauerin, die bei ihrem Spaziergang auch eine Streife angesprochen hatte. "Die zwei Beamten sind wieder abgehauen, ohne für Ordnung zu sorgen. Wahrscheinlich haben sie gar keine Chance." Björn Scheid, der bei der Dachauer Polizei für allgemeine Sicherheit zuständig ist, sagt nur: "Wir können uns bei dem Ausmaß nicht um jeden einzelnen Grillverstoß kümmern. Das Landratsamt muss das mit eigenem Personal in den Griff kriegen." Bei körperlichen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten sei man sofort da, sagt der Polizist. Doch um nicht korrektes Grillen zu unterbinden, reiche das Personal einfach nicht. Bei schönem Wetter hätten die Streifen ohnehin mehr zu tun als sonst, weil alle draußen sind.

CSU-Kreisrat und Karlsfelder Gemeinderat Wolfgang Offenbeck fürchtet, dass der vom Landratsamt engagierte Ordnungsdienst bei Weitem nicht ausreicht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Er hat deshalb den Antrag gestellt, See-Scouts zur Unterstützung loszuschicken, die mit Flyern die Leute auf die Regeln am See aufmerksam machen. "Ein positiv pädagogischer Ansatz", wirbt Offenbeck für seine Idee. "Es geht schließlich um Freizeit, und wir wollen den Leuten nicht den Spaß verderben. Verbotsschilder gibt es schon genug." Schüler oder Studenten könnten als Ferienjob etwa, freundlich und nett die Leute anreden und dabei etwas Geld verdienen, so stellt sich Offenbeck die Scouts vor. Auf diese Weise könne man vermitteln und jedem seinen Freiraum lassen: Jung und Alt, sowie Großfamilien und Singles, Ruhebedürftigen und Partyfreudigen. "Man sollte nicht mit dem Holzhammer vorgehen", sagt er. "Als Junge habe ich auch viel Zeit am Karlsfelder See verbracht. Wir haben versucht, nach der Grillparty aufzuräumen, aber manchmal ging's halt nicht mehr so gut." Ob der Kreistag die Idee aufgreifen will, bleibt abzuwarten. Der Antrag wird erst in einer der kommenden Sitzungen behandelt.

Ankauf weiterer Flächen vorgeschlagen

Mechthild Hofner, ÖDP-Kreisrätin und ebenfalls Gemeinderätin in Karlsfeld, hat indes einen anderen Vorschlag zur Befriedung der Situation: Zusätzliche Grillzonen gingen zulasten anderer Besucher des Karlsfelder Sees und angesichts der Tatsache, dass immer mehr Leute dorthin kämen, um sich zu erholen, schlug sie in der jüngsten Kreistagssitzung vor, das Naherholungsgelände auszuweiten. Vielleicht sei ein Ankauf der Flächen möglich, sagte sie. Landrat Stefan Löwl (CSU) glaubt das nicht. Und auch der Erholungsflächenverein, der das rund 58 Hektar große Gelände innehat, äußerte sich skeptisch: "Ein paar landwirtschaftliche Flächen dazukaufen, das muss erst einmal finanziert werden", sagt der Geschäftsführer des Vereins, Jens Besenthal. "Über die Grundstückspreise brauche ich nichts zu sagen. Der Verein hat das Geld nicht."

16 Hektar Liegewiese hat das Areal am Karlsfelder See. Dass es jedes Jahr Ärger gibt, weil jeder unterschiedliche Interessen hat, ist für ihn nichts Neues. Vor allem das Grillen ist am Anfang der warmen Saison immer ein Streitpunkt: "Es ist wohl ein allgemeines Bedürfnis, wenn der Frühling kommt, hinauszugehen. Da nimmt das Grillen besondere Formen an. Aber das pendelt sich ein", sagt er mit der Gelassenheit des Erfahrenen. Vor allem Leute, die in sehr kleinen Wohnungen in Hochhäusern leben, suchen die Weite des Sees, um mal mit der ganzen Familie entspannt zu feiern. "Das muss man verstehen", sagt Offenbeck.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2018
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