Süddeutsche Zeitung

Freiwillige Feuerwehr:Retter schlagen Alarm

Die Karlsfelder Feuerwehr klagt über Personalmangel. Während die Aufgaben der freiwilligen Helfer gestiegen sind, ist die Zahl der Aktiven seit Jahren konstant. Eine Kampagne und ungewöhnliche Aktionen sollen um Nachwuchs werben

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Die freiwilligen Helfer schlagen Alarm: Noch ist die Karlsfelder Feuerwehr in der Lage, im Notfall adäquat zu helfen - doch in ein oder zwei Jahren, wenn das Ludl-Gelände an der Münchner Straße erst bebaut ist, womöglich nicht mehr. Kommandant Michael Peschke fehlen Männer und Frauen, die einsatzbereit sind. Seit 1987 ist die Zahl der Aktiven konstant bei etwa 70 geblieben. In der gleichen Zeit wuchs die Gemeinde aber um etwa 70 Prozent auf 23 000 Einwohner und mit den Menschen vergrößerte sich der Aufgabenbereich der Feuerwehr enorm. Heute müssen die Kameraden 270 Prozent mehr Einsätze fahren als noch 1987. "Das ist die dreifache Belastung für jedes Mitglied", veranschaulichte Michael Konrad, Gruppenführer der Truppe, die Situation im Karlsfelder Hauptausschuss.

Das Ludl-Gelände wird nach Berechnungen der Feuerwehr etwa 20 Prozent mehr Einsätze nach sich ziehen. Das wäre ein Plus von 40 bis 50 pro Jahr. Gleichzeitig hören in den kommenden zehn Jahren etwa 15 Aktive auf, denn die gesetzliche Altersgrenze liegt bei 65 Jahren. Kurz gesagt: Die Situation ist prekär. Die Karlsfelder Feuerwehr will deshalb nun professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Allerdings nicht in Form von Hauptamtlichen, die die Ehrenamtlichen unterstützen, so wie es von Januar an in Dachau praktiziert werden wird. Die Karlsfelder wollen bei der Freiwilligkeit bleiben, schon allein deshalb weil Hauptamtliche viel Geld kosten. Geld, das die Gemeinde nicht hat. Eine Dachauer Marketingagentur soll die Ehrenamtlichen aber bei ihren Bemühungen unterstützen, neue, aktive Feuerwehrler zu finden. Ganz ohne Hilfe der Gemeinde wird dies allerdings auch nicht gehen. Mit 25 000 Euro soll sich die Kommune an den entstehenden Kosten beteiligen. Etwa 10 000 Euro will die Truppe mit Hilfe von Sponsoren auftreiben, so der Plan.

"Wir sollten nichts unversucht lassen", warb Konrad für das neue Konzept. In den vergangenen Jahren habe man bedauerlicherweise immer wieder feststellen müssen, dass Einzelaktionen, wie ein Tag der offenen Tür oder ein paar Flugblätter nicht zielführend waren. Zwar kommen immer wieder Jugendliche zur Feuerwehr, die sich auch auf ihre Einsätze freuen und begeistert mitmachen. Aber wenn sie beruflich eigene Wege gehen oder eine Familie gründen wollen würden, müssten sie meist Karlsfeld verlassen, weil der Ort inzwischen zu teuer geworden sei für normalverdienende junge Leute, erklärte Konrad. CSU-Gemeinderat Stefan Theil, der seit 22 Jahren Feuerwehrmann ist, erinnert sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass er seinerzeit mit 15 anderen in der Jugendfeuerwehr angefangen hatte. Zehn gingen in den aktiven Dienst über. "Inzwischen sind nur noch drei dabei", sagt er. "Das Hinterland ist einfach günstiger zum Wohnen." Und von den neu Zugezogenen erreiche man niemanden, der sich für das Ehrenamt begeistern könne - höchstens die Jugendlichen, so Konrad. Väter und Mütter seien tagsüber in ihren Jobs sehr gefordert und hätten abends keine Lust mehr auf ein Ehrenamt. "Dann konzentrieren sie sich lieber auf ihre Familie und die Freizeit." Deshalb sei die Gewinnung neuer Mitglieder eine Herausforderung geworden, sagt Konrad. Vor zwei Jahren hatte er zusammen mit einem harten Kern angefangen, sich Gedanken zu machen, wie man die 20- bis 35-Jährigen animieren kann, zur Feuerwehr zu kommen. Die Idee ist nun, mit Hilfe der Marketingagentur Weimar und Paulus eine Kampagne zu starten. Die Dachauer Profis hätten auch das Siedlerfest innerhalb von zwei Jahren wieder attraktiv gemacht, deshalb verspricht sich auch die Freiwillige Feuerwehr wichtige Impulse von den Spezialisten. "Sie haben ein sehr gutes Netzwerk im Landkreis", wirbt Konrad.

Beginn der Kampagne ist nach der Kommunalwahl am 16. März. Neben einer großen Plakataktion und Flugblättern wollen die Feuerwehrler auch mit ungewöhnlichen Aktionen auf ihre Not aufmerksam machen. Etwa ein leerer Eimer vor jeder Haustür, so Stefan Theil. Außerdem sollen Probeübungen für Interessierte stattfinden. Damit jeder, der auch nur mit dem Gedanken spielt, sich ohne Verpflichtung einfach mal dem Thema annähern kann.

Aber es geht auch darum, dass der Verein sich öffnet. "Früher waren die Feuerwehrler in jedem Dorf hoch geachtet", sagt Theil. Heute hätten sie gerade in Vorstadtkommunen wie Karlsfeld den Ruf, sehr konservativ zu sein. Dem will man nun entgegentreten. Die Aktiven bestehen in ihrem Kern seit Jahrzehnten aus bestimmten Familien. Das soll sich ändern. Die Feuerwehrler wollen frisches Blut, neuen Schwung. Sie wollen sich modern, freundlich und offen präsentieren und nicht nur ein neues Corporate Design ausarbeiten.

Der Hauptausschuss hat einstimmig beschlossen die Truppe finanziell zu unterstützen. Außerdem haben die Kommunalpolitiker die Aufwandsentschädigung für Einsätze erhöht. Die letzte Anpassung war 1997. Seither gibt es 6,50 Mark beziehungsweise 3,32 Euro für die Ehrenamtlichen. Die Politiker fanden es beschämend, den finanziellen Ausgleich so lange vernachlässigt zu haben. 2020 erhält die Feuerwehr nun eine Einsatzpauschale von 12 000 Euro, die regelmäßig angepasst werden soll.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4672977
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.