Forstarbeiten in Dachaus Amperauen:Es werde licht

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Im Amperauwald wurden viele große Bäume gefällt, schwere Maschinen haben breite Schneisen im Unterholz hinterlassen: Es sieht aus wie ein blindwütiger Kahlschlag. Die Abteilung Stadtgrün erklärt, warum die massiven Eingriffe dennoch notwendig und sinnvoll sind: Mittelfristig sollen sie für mehr Artenvielfalt sorgen

Von Julia Putzger, Dachau

Wenn Gerd-Rüdiger May mit seiner Hündin Ponyo derzeit durch den Amperwald spaziert, gefällt ihm einiges nicht. Er klagt über gefällte Bäume und Schneisen, die ins Unterholz geschlagen wurden. Er wundert sich über den massiven Eingriff - seit 1992 sei das noch nie vorgekommen. Wenn hingegen Stefan Tischer und Marcus Baumann von der Abteilung Stadtgrün durch den Amperauwald spazieren, dann sehen sie Bäume, die besonders erhaltenswert sind und solche, die schnellstmöglich gefällt werden müssen, damit sie niemand gefährden. Sie verteidigen die Fällarbeiten und sagen, bald schon werde keine Schneise mehr zu sehen sein.

Bei Spaziergängern erfreut sich das Gebiet großer Beliebtheit. (Foto: Toni Heigl)

Der Amperauwald ist ein Landschaftsschutzgebiet; er erstreckt sich nördlich der Erich-Ollenhauer-Straße entlang der Amper, im Norden und Osten begrenzt von der Roßwachtstraße. Durch das Gebiet führen Rad- und Spazierwege, es gibt natürlich gestaltete Sitzinseln und sogar in Regenbogenfarben bemalte Bäume. Für den Dachauer Gerd-Rüdiger May ist das eine "Erlebnismeile", er würde weniger Gestaltung durch den Menschen begrüßen.

Als er schließlich Anfang dieses Jahres die aus seiner Sicht massiven Forstarbeiten beobachtete, wurde es ihm zu bunt; er wandte sich an verschiedene Parteien und den Bund Naturschutz. Doch kaum einer reagierte, die Erklärungen, die er erhielt, waren ihm zu dürftig. May sagt, er wolle die Sinnhaftigkeit nicht generell in Frage stellen, aber zumindest verstehen, nach welchem Plan vorgegangen werde.

Der Wald an der Amper ist ein ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet. (Foto: Toni Heigl)

Für Stefan Tischer, den Leiter der Abteilung Stadtgrün in Dachau, sind Einwände und Entrüstung über die forstlichen Maßnahmen nichts Neues. Er kann das verstehen, sagt selbst, dass der Wald unmittelbar nach den Arbeiten erschreckend aussehe. Trotzdem appellieren er und Marcus Baumann, einer von zwei forstwirtschaftlichen Mitarbeitern der Stadt Dachau, dass man auf ihre Expertise vertrauen solle. Denn selbst wenn ein Baum oder dessen abgesägter Stumpf für den Laien gesund aussehen, seien fast immer Krankheiten oder Pilzbefall der Grund für das Fällen.

Was derzeit ím Wald zu sehen ist, erschreckt viele. (Foto: Toni Heigl)

Tatsächlich sieht es an einigen Stellen entlang des Weges im Amperauwald, dessen Erscheinungsbild sonst zarte Eschenstämme, Haselnusssträucher und vereinzelt hoch in den Himmel ragende Ulmen, Eichen, Buchen, Fichten und Pappeln prägen, ziemlich wild aus: Ein offenbar monströses Gefährt hat seine Reifen in den weichen Waldboden gegraben und mehrere gut drei Meter breite Schneisen hinterlassen. Mindestens 50 Meter reichen sie ins Unterholz, manche sind auch doppelt so lang. Links und rechts davon liegen abgesägte Äste, der Boden ist platt. Dass um diese Jahreszeit noch keine Blätter an den Bäumen sind, macht das Bild nicht besser - eine Passantin spricht vom "durchsichtigen Wald". May ist entrüstet darüber, was mit dem Amperauwald passiert ist, er fürchtet, dass mit den Bäumen auch andere Pflanzen und vor allem die Tiere verschwinden.

Nicht nur Kettensägenund Forstmaschinen haben ihre Spuren hinterlassen: (Foto: Toni Heigl)

Eine unbegründete Sorge, beschwichtigt Tischer. Denn tatsächlich sei es so, dass ein lichter Wald "einer der besten Lebensräume" sei und die Artenvielfalt besonders fördere. Hingegen gebe es in einem zu dichten Wald zu wenig Licht am Boden. "Arten-Hotspots" seien daher Saumbereiche, wie beispielsweise rund um das kleine Biotop inmitten des Amperauwalds. Damit die kleinen Wassertümpel auf dem Gelände sich erwärmen können, brauchen sie direkte Sonneneinstrahlung - und somit möglichst keine Abschattung durch umstehende hohe Bäume. Außerdem erzählt Tischer: "Es gibt ein paar Biologen, die hätten sogar im Amperauwald entlang der Wege gerne mehr natürliches Licht."

Die forstwirtschaftlichen Arbeiten im Amperauwald, aber auch in anderen städtischen Wäldern, orientieren sich grundsätzlich an einem 20-jährigen Forstwirtschaftsplan, einem Jahresbewirtschaftungsplan und drei wesentlichen Punkten: Sogenannte Zielbäume werden besonders gefördert, der Laie kann sie mancherorts an Markierungen erkennen, die in grüner Farbe am Stamm angebracht wurden. "Das sind die Bäume, die 150 Jahre alt werden sollen", erklärt Tischer. Sie werden in besonderem Maße gepflegt, möglicherweise störende Bäume im direkten Umfeld entfernt. Häufig fällt Marcus Baumann, der sich um die Umsetzung aller Maßnahmen kümmert, dann Fichten - die gehören biologisch gesehen nämlich eigentlich nicht in den Amperauwald. Den "ökologischen Waldumbau" nennen Tischer und Baumann sodann auch als einen weiteren Grund für das Fällen von Bäumen.

Der Sturm hat einige schwere Schäden an den Bäumen angerichtet. (Foto: Toni Heigl)

Der letzte und derzeit wohl aufwendigste Punkt ist allerdings die Verkehrssicherungspflicht, der Tischer und Baumann nachkommen müssen. Keine einfach Sache in Zeiten, in denen ein Sturmtief das nächste jagt und sich noch ein weiterer Feind im Amperwald eingenistet hat: der Pilz mit dem zungenbrecherischen Namen "Falsches weißes Stängelbecherchen", Verursacher des Eschentriebsterbens. Infizierte Bäume können Äste verlieren oder einfach umkippen - das ist allerdings nur der Fall, wenn der Baum auf sehr feuchtem Untergrund steht.

Erste Anzeichen für das Eschentriebsterben sind welke, fleckige Blätter und abgestorbene Triebe, infolgedessen treibt der Baum zunächst an vielen anderen Stellen aus. Blickt man im Amperauwald hinauf in die Baumkronen, sieht man - trotz bereits gefällter Eschen - noch viele weitere kranke Bäume. "Wenn wir mit dem Steiger oben unterwegs sind, sehen wir noch viel mehr", sagt Baumann. Hinzu kommen andere Pilze, Käfer, Trockenheit und eben Stürme, die den Bäumen zusetzen. "Wir kommen momentan gar nicht hinterher, es ist noch viel zu tun", sagt Baumann.

Oberste Priorität hat demnach derzeit die Verkehrssicherung, also dass keine Bäume auf die Wege stürzen. Das betrifft nicht nur die Bäume direkt am Wegesrand, sondern auch weiter entfernt stehende Bäume, abhängig von ihrer Höhe. "Ich muss natürlich auch auf die Sicherheit meiner Mitarbeiter achten, die sich überall im Wald bewegen", so Tischer. Für all diese Arbeiten sind schließlich auch die von May beklagten Schneisen notwendig: Denn um die gefällten Stämme abzutransportieren, rückt ein Forstbulldog mit Rückanhänger an und lädt die entlang seiner Rückegasse gelagerten Bäume auf. "Wir könnten natürlich auch kleinere Schleichwege befahren statt neue Gassen zu schaffen, aber im Endeffekt würden wir dann das Drei- bis Vierfache der Fläche befahren und verdichten. Das wollen wir natürlich überhaupt nicht", erklärt Peter Göttler, der als Geschäftsführer der Dachauer Waldbauernvereinigung die Oberaufsicht über die Maßnahmen hat. - "Bis jetzt hatten wir einen sehr jungen Bestand", sagt Baumann, dementsprechend würde die Arbeiten weniger ins Auge stechen. Denn aller drei bis fünf Jahre wird durchgeforstet: "lieber öfter, dann sind die Eingriffe weniger gravierend". Denn obwohl die Experten beruhigen, dass bald wieder alles zuwachse, geben sie zu: Derzeit sieht es wirklich ein bisschen wild aus im Amperauwald.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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