Folk & Rock:Mal rockig, mal lyrisch

Tollhaus Dachau

Ein wuchtiger und persönlicher Auftritt: Die US-amerikanische Sängerin Erin Austin gab auch Details aus ihrem Leben preis.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die US-Sängerin Erin Austin verzückt das Café Gramsci mit ihrer Stimme

Von Renate Zauscher, Dachau

So winzig die Bühne, so beachtlich das, was häufig auf ihr stattfindet: Das Café Gramsci ist immer wieder für eine Überraschung gut. Am vergangenen Samstag präsentierte hier der Verein Tollhaus um Kai Kühnel die US-amerikanische Sängerin Erin Austin: eine junge Frau, die ihre erst vor wenigen Tagen erschienene zweite CD mit eigenen Songs in Dachau vorstellte.

Erin Austin tritt unter der Bezeichnung OK Sweetheart auf. So nämlich heißt die Band, die sie zu Hause in den USA leitet, wobei das "OK" für Oklahoma steht, dem Staat, in dem sie an der Oral Roberts University Gesang studierte und acht Jahre lang gelebt hat.

Austin leitet die 2009 gegründete, heute mehr als ein Dutzend Mitglieder starke Band und ist ihre Lead-Sängerin. Auf ihrer diesjährigen Europa-Tour, die sie quer durch Deutschland, nach Österreich und die Schweiz führt, wird Austin von Jeremy Buller begleitet, der zuständig ist für das, was er selbst als "a lot of knob fiddeling" bezeichnet: für die Knöpfe an der Synthesizer-Anlage und damit für den technischen Support von Erin Austin, die sich selbst am Keyboard begleitet, für musikalische Hintergrundstimmungen oder den gelegentlich Einsatz einer "Drum Machine". Auf ihrer ersten Tournee durch Deutschland und angrenzende Länder nämlich war Austin vier Wochen am Stück allein unterwegs gewesen - und das sei dann doch zu viel Einsamkeit gewesen, sagt die Sängerin.

Nach Stationen in Texas und San Francisco lebt Austin heute in Seattle, wo auch die Band ihre Basis hat.

Erin Austins Liebe zur Musik und zum Singen insbesondere ist ganz offensichtlich tief in ihren Genen verankert: Schon als ganz kleines Kind sei sie singend durchs Haus gelaufen und habe gelernt, sich auf einem alten Kassettenrecorder selber aufzunehmen, erzählt sie. Mit vier Jahren habe sie - genauso wie ihre zwei Schwestern, mit denen sie auf einer Farm im Staat New York aufgewachsen ist - Musikunterricht bekommen und so ab elf, zwölf Jahren war bereits die Oper das große Ziel. Nach dem Studium folgten Jahre, in denen sie dieses Ziel nie aus den Augen verlor, hart arbeitete, häufig als Solistin bei Chor-Aufführungen auftrat - und diesen Druck dann eines Tages nicht mehr aushielt. "I hatet it", sagt sie heute über diese Zeit: "I wanted to get back to my roots". Deshalb wandte sie sich schließlich einem ganz anderen musikalischen Bereich zu, dem des Pop. Ein halbes Jahr lang hörte und analysierte sie, was andere Musiker in diesem Bereich machen, beschäftigte sich mit Texten und Strukturen - dann war 2011 ihre erste, gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Rob Gungor produzierte CD fertig, die den Titel "Home" bekam. Eine Art Initialzündung war für sie der Sieg bei einem wichtigen Wettbewerb: Sie gewann den John-Lennon Songwriting Contest for Pop. "This really sent me on my way", sagt Austin. Ihr Weg war bereitet.

Nicht nur abseits der Bühne erzählt Erin Austin viel von sich selbst, sondern auch in ihren Texten oder im Gespräch mit dem Publikum. Vom inzwischen beigelegten Streit mit einer ihrer Schwestern berichtet sie ebenso offen wie von ihrer Scheidung oder ihrem Verhältnis zu den Eltern. Inhaltlich handeln ihre Songs, in denen sich Pop mit Folk- und Rock-Elementen mischt, fast immer von Beziehungen - den eigenen, aber auch jenen, die andere Menschen untereinander haben.

Es geht dabei um die oft schwierige Liebe, auch um das Verlassen-Werden, um Gespräche zwischen Mann und Frau oder um die Sicht aufs Leben und das, was wichtig ist darin. Die erste CD von Austin bekam nicht zufällig den Titel "Home": Der Song handelt davon, dass "Heimat" nicht nur ein physischer Ort ist, sondern vielmehr das, was einen mit nahestehenden Menschen verbindet. "Some Space" heißt das erst vor wenigen Tagen erschienene zweite Album, das viele der in Dachau vorgetragenen Lieder enthält.

Auch politisch äußert sich Austin gelegentlich. "It`s a rough thing to have him", sagt sie über Trump als Präsidenten der USA und singt ein Lied, das den ironischen Titel "We can have it all" hat.

Was an diesem Abend aber am meisten beeindruckt, das sind nicht die Inhalte der Songs von Erin Austin, sondern der Umfang, die Ausdruckskraft und die Modulationsfähigkeit ihrer Stimme. Zwar gibt es anfangs Probleme mit der Technik, die Austins Stimme in den hohen Lagen zu viel Schärfe verleihen, und partienweise ist die Wirkung der Verstärkeranlage insgesamt zu heftig. Von der Stimme der Sängerin aber ist das Publikum begeistert.

Es ist eine starke Stimme, mit der Austin unterschiedlichste Emotionen transportieren kann, die mal rockig und mal lyrisch klingen. Und die, ohne jeden Zweifel, sehr viel größere Räume als das kleine, intime Café Gramsci füllen könnte und zuhause in den USA auch füllt. In München ist Erin Austin demnächst ebenfalls zu hören: Am 14. März tritt sie in der Bar Gabányi am Beethovenplatz auf.

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