Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingsarbeit:Forderung nach Integrationsbeirat

Es gibt viele, die sich um Flüchtlinge kümmern, trotzdem gibt es Lücken im Netz. SPD, Grüne und ÖDP fordern deshalb ein Gremium, das alle an einen Tisch holt.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Behörden, Ehrenamtliche, Sozialträger und Schulen im Landkreis sollen beim Thema Integration von Einwanderern besser zusammenarbeiten - auch die Betroffenen sollen mitreden. Das ist das Ziel eines Asyl- und Integrationsbeirates, den Grüne, SPD und ÖDP im Kreistag fordern. Ihren Antrag haben sie mit allen Asylhelferkreisen im Landkreis abgestimmt. "Die Politik muss sich mit kritischen Fragen der Ehrenamtlichen auseinander setzen", erklärt Marese Hoffmann, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Kreistag. "Aber auch die Helfer müssen verstehen, wie das politische System funktioniert."

Der Anstoß zu diesem Gremium kam, wie Hoffmann sagt, nicht nur von Ehrenamtlichen, sondern sei auch Wunsch einiger Fachleute etwa von Volkshochschule und weiterführenden Schulen gewesen. Es gehe um eine bessere Abstimmung bei allen Themen, die nicht nur Flüchtlinge, sondern alle Migranten, etwa auch EU-Einwanderer oder Spätaussiedler betreffen. Allein im Landratsamt gibt es neben der Ausländerbehörde schon lange auch eine Asylkoordinatorin, dazu einen Beauftragten für Schutz und Sicherheit in den Unterkünften, in denen wiederum jeweils ein Mitarbeiter des Landratsamtes als Kümmerer arbeitet. Erst kürzlich hat das Landratsamt noch eine Stelle für eine Bildungskoordinatorin geschaffen. Jugendamt, Sozialamt, Jobcenter und Caritas kümmern sich ebenfalls um Flüchtlinge und Einwanderer. Die Schulen leisten die Sprachvermittlung und Eingliederung ins Bildungssystem. Es scheint also für jedes Anliegen Stellen zu geben, das Netz ist groß.

Doch das Zauberwort heißt nicht Netz, sondern Netzwerk. Max Eckardt vom Helferkreis Karlsfeld, selbst SPD-Mitglied, setzt große Hoffnungen in einen Integrationsbeirat. "Wir müssen mehr voneinander lernen", sagt er. "Es wird oft nebeneinander, sogar gegeneinander gearbeitet. Eine ausreichende Kommunikation fehlt." Durch diese könne man manches beschleunigen, so hofft er und zudem auch Lücken füllen. Um manche Dinge kümmere sich keiner, um andere gleich drei. Die wichtigsten Themen seien Deutsch lernen und Arbeit finden, sagt Eckardt.

Seniorenbeirat als Vorbild

Nicht alle hätten gleichermaßen Zugang zu Deutschkursen, erklärt auch Hoffmann. Erst recht zu denen, für die es Bescheinigungen gibt, die wiederum für Ämter, Arbeit, Schule nötig sind. Der Antrag zielt auf ein nicht öffentlich tagendes Gremium ab, das politisch Einfluss nehmen darf. Es soll Anträge stellen dürfen, die dann im Kreistag behandelt werden müssen. "Wir möchten als Kommunalpolitiker in Prozesse eingebunden werden", sagt Hoffmann. Dem viermal im Jahr tagenden Gremium sollen Vertreter aller sechs Kreistagsfraktionen angehören. Dazu der Landrat, Bürgermeister-Obmann Stefan Kolbe (CSU), Vertreter aller Schulen, auch der VHS und vier Ehrenamtliche aus den Helferkreisen. Ein zentrales Anliegen des Antrags lautet: "Vertreter von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund (sollen) als stimmberechtigte Mitglieder in den Integrationsbeirat entsendet werden können". Hinzu könnten je nach Thema Verwaltungsmitarbeiter kommen. Als Vorbild nennt Hoffmann den Seniorenbeirat.

Landrat Stefan Löwl sieht ein anderes Vorbild: Die von ihm installierten unregelmäßigen Treffen unter dem Titel "Asyl, was dann?" Diese Runden sind deutlich größer, auch Vertreter von Jobcenter, Caritas, Sportvereinen und Feuerwehr sind dabei. Bei der Idee seiner Kreistagskollegen kommen Löwl die Kommunen zu kurz. Er wünscht sich eine "fachlichere und breitere Basis" eines solchen Gremiums. Deshalb möchte er sich mit den Antragstellern Hoffmann, Harald Dirlenbach (SPD) und Georg Weigl (ÖDP) eigens treffen, um wie er sagt, den Antrag zu konkretisieren.

Waltraud Wolfsmüller, Leiterin des Arbeitskreises Asyl Dachau legt jedoch gerade auf das kleine und nicht öffentlich beratende Gremium wert. Es soll vertraulich über Einzelfälle und konkrete Probleme gesprochen werden können. Anders als Löwl sind Wolfsmüller und Hoffmann schon der Meinung, dass das Landratsamt einige Befugnisse hat. Es gehe um Ermessensentscheidungen und Spielräume und wie man sie am besten nutzt, erklärt Wolfsmüller. Wichtig ist es ihr, Flüchtlingen und Einwanderern Möglichkeiten zu geben, sich am öffentlichen Leben und an Entscheidungen zu beteiligen: "Wir müssen mit den Migranten reden. Nicht nur über sie."

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SZ vom 22.03.2017/gsl
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