Flüchtlinge im Landkreis:Das Zelt steht

Die erste Traglufthalle für Flüchtlinge im Landkreis wird in Karlsfeld eingeweiht. Auf 2600 Quadratmetern sollen bis zu 300 Menschen untergebracht werden. Aufgestellt hat die Halle eine Firma aus Berlin

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

In Karlsfeld ist am Dienstag die erste Traglufthalle im Landkreis eingeweiht worden. Etwa 250 Bürger, darunter viele Gemeinderäte, nutzten die Gelegenheit, die mobile Unterkunft mit einer Grundfläche von knapp 2600 Quadratmetern im Gewerbegebiet zu besichtigen; die Traglufthalle bietet Wohnraum für bis zu 300 Flüchtlinge. Einquartiert wird dort zunächst ein Teil der alleinstehenden Männer, die derzeit noch in den Notunterkünften in der Dachauer Berufsschulturnhalle und der Indersdorfer Tennishalle leben. "Wer genau kommt, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen", erklärte Landrat Stefan Löwl (CSU) bei der Einweihung.

Die Inbetriebnahme der Traglufthalle markiert eine neue Stufe in der Bewältigung der Flüchtlingskrise: Der Landkreis muss nun erstmals Notlösungen im großen Stil anwenden, um die Flüchtlinge unterzubringen. "Traglufthallen - das hätten wir uns vor einem dreiviertel Jahr noch nicht vorstellen können", räumte der Landrat ein. Damals ging seine Behörde noch davon aus, dass der Landkreis bis Jahresende 1200 Menschen unterbringen muss. Inzwischen rechnet Löwl mit knapp 2000 Flüchtlingen. Noch im November soll auf dem Gada-Gelände, im nächsten Jahr in Dachau eine Traglufthalle aufgestellt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. "Für uns als Landkreis ist das eine große Herausforderung - größer als die Wiedervereinigung."

Diakon Josef Enthofer erinnerte daran, dass viele alte Karlsfelder am eigenen Leib Flucht und Vertreibung erfahren hätten. Viele Migranten, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren als Gastarbeiter nach Karlsfeld gekommen seien, hätten maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik beigetragen. "Ohne sie würde Deutschland heute nicht dort stehen, wo es steht." Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) bekräftigte, dass sich seine Gemeinde der Aufgabe stellen wolle, den Flüchtlingen nach Kräften zu helfen. Zugleich appellierte er noch einmal an die Bürger: "Unterstützen Sie die Gemeinde, unterstützen Sie den Helferkreis."

Die Traglufthalle ist durch Sanitärcontainer in zwei Bereiche geteilt: In einem befinden sich Wohncontainer mit jeweils drei Stockbetten und Spind. Aus Gründen des Brandschutzes und der Sicherheit gibt es keine Türen und Decken. Vorhänge sollen ein Minimum an Privatsphäre gewähren. Der andere Bereich der Halle ist für das Gemeinschaftsleben gedacht. Es gibt einfache Tische und Stühle, neun gemütliche Sofas, zwischen denen Yucca-Palmen für etwas Grün sorgen. "Come-Together-Bereich" nennt das Jürgen Wowra, Geschäftsführer der Berliner Firma Paranet. Für eine Notlösung findet der Bürgermeister die Traglufthalle recht akzeptabel. "Ich möchte das nicht mit einem Zeltlager tauschen", sagte er. Das Wichtigste sei schließlich, die Flüchtlinge "warm, sicher und trocken" durch den Winter zu bringen.

Traglufthalle

Im Gewerbegebiet von Karlsfeld an der Ottostraße, Ecke Einsteinstraße ist die erste Traglufthalle im Landkreis aufgebaut worden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Halle wird mit einem Warmluftgebläse beheizt, mit dem auch die insgesamt sechs Tonnen schwere Folienkonstruktion in Form gehalten wird. Pro Stunde werden 30 000 Kubikmeter Luft umgewälzt. Im Inneren der Halle herrscht ein permanenter, leichter Überdruck, weshalb jeder Eingang zwei Türen hat: eine Luftschleuse. Bei hoher Schneelast erhöht sich die Heizleistung automatisch, bei Wind wird der Druck in den Wänden erhöht, um die Halle auszusteifen und zu stabilisieren.

Ursprünglich wurden Traglufthallen vor allem für sportliche Events wie Tennisturniere verwendet. Vor zweieinhalb Jahren übernahm Paranet den Auftrag von der Stadt Berlin, innerhalb von 48 Stunden eine Traglufthalle für Obdachlose aufzustellen. Inzwischen kann sich das Unternehmen vor Aufträgen kaum noch retten. 30 Traglufthallen sind nach Angaben von Wowra beauftragt, die Karlsfelder Einrichtung sei die zehnte, die das Unternehmen errichte. Wegen der Nachfrage werde die Kapazität nun auch massiv ausgeweitet. "Derzeit errichten wir eine Halle pro Woche", sagte Wowra der SZ. "Bis nächstes Jahr wird es schon eine am Tag sein." Der Geschäftsmann sieht sehr zufrieden aus. "Wir schaffen das."

Traglufthalle

Vorher wurde sie von Diakon Josef Enthofer und Pfarrer Christoph Hilmes gesegnet.

(Foto: Niels P. Joergensen)
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