Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Freistaat setzt Dachau unter Druck

Lesezeit: 2 min

Vielleicht schon am Wochenende muss eine Vielzahl von Asylbewerbern aus dem Kosovo im Landkreis untergebracht werden. Regierung stellt Landrat Löwl vor vollendete Tatsachen, ohne wesentliche Fragen zu klären.

Von Helmut Zeller, Dachau

Hektische Tage im Landratsamt Dachau: Vielleicht schon vom Wochenende an kommt eine große Zahl weiterer Asylsuchender im Landkreis an, für 200 bis 300 Menschen müssten dann sofort Unterkünfte bereitgestellt werden. Das erfuhr das Landratsamt erst am Mittwoch. Ein fast unmögliches Unterfangen angesichts der Lage im Landkreis, der zurzeit 539 Flüchtlinge beherbergt.

120 bis 140 Asylsuchende könnten relativ rasch in der Tennishalle in Markt Indersdorf untergebracht werden. Deshalb will Landrat Stefan Löwl (CSU), der mit allen anderen oberbayerischen Landräten für Freitag in die Regierung von Oberbayern einbestellt wurde, darauf drängen, dass die Zahl deutlich reduziert wird. Sonst müsste das Landratsamt noch auf eine der kreiseigenen Turnhallen an weiterführenden Schulen, Gymnasien und Berufsschule, zurückgreifen. Das soll aber verhindert werden, da der Schul- und Vereinsbetrieb empfindlich gestört würde.

Dass sich die Zahl der Flüchtlinge im Laufe dieses Jahres mehr als verdoppeln wird, war keine Frage mehr. Landrat Löwl gab im Januar bekannt, dass der Landkreis mindestens noch weitere 600 Unterkünfte brauche. Im Rahmen des Winterfallnotplans hatte seine Behörde im November 2014 mögliche Unterkünfte für die Bezirksregierung aufgelistet. Der Winternotfallplan lief an, und nun muss wieder einmal alles rasend schnell gehen: Am Mittwoch forderte die Bezirksregierung eine Aktualisierung und lud die oberbayerischen Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte sofort zum Gespräch. Der Landkreis hatte eine Reihe von Objekten gemeldet, die allerdings nach Auskunft von Pressesprecher Wolfgang Reichelt erst in ein paar Wochen bezugsfertig wären. Zunächst müsse man sich auch mit den privaten Eigentümern der Gebäude beraten. In Markt Indersdorf steht die Halle zwar frei. Die dort untergebrachten Asylbewerber sind im Dezember ausgezogen. Aber es würde einige Tage dauern, bis man Duschen und Container wieder installiert und aufgestellt hat.

Am Freitag, die Uhrzeit stand am Donnerstag noch nicht fest, sprechen die Kommunalpolitiker in der Bezirksregierung in München darüber, welche Kommune wie viele Flüchtlinge und wann aufnehmen muss. Die Vertreter der Kommunen wissen nicht, nach welchen Kriterien die Zuteilung erfolgt. Möglich wäre aber, dass die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck aufgrund ihrer Nähe zu München besonders in die Pflicht genommen werden. Schon früher brachte der Transport der Menschen aus den Auffanglagern in der Landeshauptstadt in die Landkreise und Städte in Oberbayern erhebliche logistische Probleme mit sich. Der Brucker Landkreis hält kurzfristig 260 Plätze bereit. 5000 Menschen sind bis vergangenen Montag in München eingetroffen, wie eine Sprecherin des Sozialministeriums mitteilt. Seitdem sollen noch einmal 800 Flüchtlinge nach München gekommen sein.

Die Stimmung ist aber noch aus einem anderen Grund geladen: Der Brucker Landrat Thomas Karmesin (CSU), Sprecher der oberbayerischen Landräte, hat sich schon im Vorfeld mit drastischen Worten gegen die Aufnahme von Asylbewerbern vom Balkan ausgesprochen. 80 Prozent der Flüchtlinge, die jetzt untergebracht werden müssen, stammen aus dem Kosovo und Albanien. In der politischen Debatte wird ihnen Asylmissbrauch vorgeworfen: Anders als die Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak und afrikanischen Ländern oder politisch Verfolgten kämen die Kosovaren, um hier Sozialleistungen zu kassieren und eine Unterkunft zu haben. Nach drei Monaten kehrten sie in ihre Heimat zurück. Karmesin bezeichnete die Flüchtlinge als "Winterurlauber aus dem Kosovo". Sein Dachauer Kollege Löwl sieht in den Kosovaren Flüchtlinge ohne Fluchtgrund. Am Freitag beraten sich die Innenminister in einer Telefonkonferenz über die stark gestiegene Zuwanderung aus dem Kosovo und Albanien. Bayern hat eine Bundesratsinitiative angekündigt, derzufolge die beiden Länder wie schon zuvor Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als "sichere Herkunftsstaaten" klassifiziert werden sollen.

Die Landräte treibt indes auch die Frage der Kosten der Unterbringung um, egal aus welchem Land die Asylsuchenden kommen. Die Landkreise müssen in Vorleistung gehen und können selbst zusehen, wie sie ihre Ausgaben erstattet bekommen. Die Regierungsvorgaben, wonach ein Landkreis keine kurzfristigen Verträge abschließen darf, belasten zusätzlich. Landrat Löwl traf sich deshalb am Donnerstagabend zur Klärung der Finanzierungsfrage mit dem Regierungspräsidenten Christoph Hillenbrand in München.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2348977
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.02.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.