Flüchtlinge auf Wohnungssuche:"Eine Schwarze kann ich im Haus nicht gebrauchen"

Anerkannte Flüchtlinge scheitern bei der Wohnungssuche in den meisten Fällen an den Vorurteilen der Vermieter. Aber das grundsätzliche Problem sehen die Helferkreise in den jahrelangen Versäumnissen der Kommunen beim sozialen Wohnungsbau

Waltraud Wolfsmüller atmet schwer aus. "Erfolge? Da muss ich lange nachdenken." Es ist mehr als ein Jahr her, dass die Sprecherin des Arbeitskreises Asyl Dachau eine Wohnung für einen ihrer Schützling gefunden hat. Immer mehr der Asylsuchenden, die ihr Helferkreis in den vier Unterkünften in Dachau betreut, werden als Flüchtlinge anerkannt. Von insgesamt 1750 Menschen im Landkreis hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 180 ein Bleiberecht zugesprochen. Sie müssten oder dürften aus den Notunterkünften ausziehen. Doch für die allermeisten ist eine eigene Wohnung eine Utopie. Weil es im ganzen Landkreis zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt - für Flüchtlinge und Einheimische. Und weil so mancher Vermieter keine Flüchtlinge als Mieter will.

Viele Helferkreise haben Arbeitsgruppen gebildet, die Wohnungsportale im Internet und Anzeigenblätter durchforsten. Waltraud Wolfsmüller nimmt immer selbst Kontakt zu den Anbietern auf. "Wenn die Flüchtlinge anrufen, werden sie gleich abgelehnt." Doch auch sie wird abgewiesen: "Wenn ich sage, dass es um Flüchtlinge geht, heißt es plötzlich, die Wohnung sei doch schon vergeben." Dabei machen sich die Vermieter völlig grundlos Sorgen: Bei Sozialhilfeempfänger übernimmt das Jobcenter die Wohnkosten, solange sie "angemessen" sind. Für den Landkreis heißt das: eine Kaltmiete von 8,69 Euro pro Quadratmeter in Dachau und Karlsfeld, in allen anderen Gemeinden von 6,65 Euro. Auch die Nebenkosten werden berücksichtigt. Die Wohnfläche darf für eine Person höchstens 50 Quadratmeter groß sein, für zwei Personen 65, für drei 75 und für vier 90. Die tatsächliche Miete ist aber häufig deutlich höher. Der offizielle Mietspiegel, der die Durchschnittsmiete von nicht preisgebundenen Wohnungen einer Kommune beschreibt, liegt in Dachau bei 9,10 Euro, in Karlsfeld bei 9,39 Euro. Erschwingliche Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen sind im Landkreis Mangelware. Mit dem Zuzug, der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum rechnet mit 26 000 zusätzlichen Einwohnern bis 2034, erhöht sich der Druck auf den Markt weiter. Viele Gemeinden haben es seit Jahren versäumt, rechtzeitig Sozialwohnungen zu bauen, weshalb auch der Vorwurf, Flüchtlinge nähmen angeblich Wohnungen weg, unbegründet ist.

Flüchtlinge auf Wohnungssuche: Auch anerkannte Flüchtlinge bleiben häufig in der Unterkunft (im Bild Petershausen), weil sie keine Wohnung auf dem freien Markt finden können.

Auch anerkannte Flüchtlinge bleiben häufig in der Unterkunft (im Bild Petershausen), weil sie keine Wohnung auf dem freien Markt finden können.

(Foto: Toni Heigl)

Anerkannte Flüchtlinge, die sozialrechtlich allen anderen Bürgern gleichgestellt sind, haben aber mit zähen Vorurteilen zu kämpfen. "Ich beobachte eine zunehmende Flüchtlingsfeindlichkeit", sagt Wolfsmüller. "Das kann ich meinen Nachbarn nicht zumuten", hört sie oft. Dagmar Hendorfer vom Helferkreis Schwabhausen hört schon man einen unverblümten Satz wie: "Eine Schwarze kann ich hier im Haus nicht gebrauchen." Die Helfer sehen die Lösung des Problems deshalb vor allem im staatlich geförderten Wohnungsbau. "Auf die privaten Vermieter zähle ich nicht", sagt Wolfsmüller. Der allgemeine Wohnungsmangel ist das grundsätzliche Problem. "Da ist viel verschlafen worden", sagt Monika Sedlatschek vom Erdweger Helferkreis. Seit Januar fördert der Freistaat den Bau von bezahlbaren Wohnungen mit dem "Wohnungspakt Bayern". 2,6 Milliarden Euro stellt er dafür zur Verfügung - für Einheimische wie Flüchtlinge. Die Kommunen greifen aber nur zögerlich zu; zum Teil auch deshalb, weil es ihnen an Bauland fehlt. Sedlatschek plädiert dafür, dass die "angemessenen Unterkunftskosten" angeglichen werden. "Wenn ein Quadratmeter in Erdweg neun Euro kostet, bringen 6,65 Euro wenig."

Für die anerkannten Flüchtlinge ist es unter diesen Umständen sogar ein Glück, dass sie weiter in den Unterkünften wohnen können. Eine dauerhafte Lösung ist es aber nicht. Gerade Familien würden sich eine eigene Wohnung und mehr Privatsphäre wünschen, sagt Peter Barth aus Hebertshausen. Ein syrischer Familienvater mit einem behinderten Kind hat sogar seinen Job in einer Bäckerei aufgegeben, um auf Wohnungssuche zu gehen. Besonders schwierig wird es, wenn Familienmitglieder nachkommen. Sie dürfen nicht in die Unterkunft ziehen. Der Erdweger Helferkreis musste die Frau eines Syrers notfallmäßig in einer privaten Ferienwohnung unterbringen. 16 Flüchtlinge aus Erdweg sind inzwischen anerkannt, darunter eine Familie mit sechs Kindern. Im Vergleich zu Dachau sind das wenige: Dort leben 77 anerkannte Flüchtlinge. Dachau und Karlsfeld seien auch bei anerkannten Flüchtlingen aus Schwabhausen beliebt, meint Dagmar Hendorfer. Auch dort fehlen Wohnungen. Außerdem gibt es weniger Jobs, das MVV-Ticket ist teurer und man braucht eigentlich ein Auto. Trotzdem: "Im Endeffekt ist ihnen egal, wo. Hauptsache Wohnung", sagt Hendorfer. Kommunalpolitiker wie der Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl (CSU) wollen das Problem angehen. Er blickt auf die rund 1800 leer stehenden Wohnungen im Landkreis, die meisten davon in der Stadt Dachau. "Es gäbe genug", sagt Reischl, auf dessen Agenda der soziale Wohnungsbau für Einheimische wie Flüchtlinge ganz oben steht. Aber Neubauten brauchen ihre Zeit.

Eine eigene Wohnung - geschafft haben das bislang nicht viele Flüchtlinge. Manche sind zu Verwandten in andere Städte gezogen, andere in Wohngemeinschaften nach München. "Studenten sind offener", sagt Wolfsmüller, "sie nehmen gerne auf." Manche haben tatsächlich in und um den Landkreis herum eine Bleibe gefunden. Sie suchen überall, nicht nur in der Gemeinde, der sie zugewiesen wurden. In Dachau leben inzwischen drei Familien unabhängig von Sozialhilfe. Die meisten fangen mit Aushilfsjobs an, arbeiten sich hoch oder machen mehrere Jobs gleichzeitig. "Irgendwann werden die Leute selbständig", sagt Wolfsmüller. "Sie wollen raus aus der Abhängigkeit. Ich kenne keinen, der nicht froh ist, wenn er irgendwann kein Geld vom Jobcenter mehr beziehen muss."

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