Feiern wie um 1900:Ein Hauch von gestern

Die Thoma-Gesellschaft feiert den 150. Geburtstag des bayerischen Schriftstellers und erinnert an ihre frühen Sommerfeste

Von Dorothea Friedrich, Mariabrunn

Diese "hochgradige Festversammlung" im Biergarten von Mariabrunn hat es in sich. Wann bitte kann man schon mal den "Dignhauser Jungfernbund Sittsam, Tugendhaft und Gsund" oder die "Burschenschaft Friede und Eintracht" live erleben? Ganz zu schweigen vom "Veteranenverein Dreißgerschuss" oder den Vertretern der Dorfgemeinschaften Kraglfing und Dingharting? D'Ampertaler und d'Schlossbergler haben sich ebenfalls mit großen Abordnungen an den mit blau-weiß-karierten Decken und bunten Blumen geschmückten Biertischen niedergelassen. Schließlich gilt es gleich zweierlei zu feiern: den 150. Geburtstag von Ludwig Thoma und das Revival der einst legendären Sommerfeste der Ludwig-Thoma-Gemeinde.

Die fanden in den 1970er Jahren im heute verwaisten ZK-Biergarten auf dem Dachauer Schlossberg statt. Den Biergarten gibt es nicht mehr, aber einen rührigen Vorsitzenden der Ludwig-Thoma-Gemeinde: Edi Hörl. Für ihn war es eine Herzensangelegenheit, dem Namensgeber des engagierten Kultur- und Theatervereins eine posthume Geburtstagsfeier auszurichten - ganz im Stil früherer Feste und im Outfit der Zeit um 1900 respektive in der immer angesagten Tracht.

Eine gute Idee, wie sich am Samstagnachmittag beim Anblick der fröhlich-entspannten Festgesellschaft zeigt: Bezirkstagspräsident Josef Mederer und seine Frau kommen in Dachauer Tracht, die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki in feiner Spitze, Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter in einem lindgrünen Robentraum. Viele Mitglieder der Ludwig-Thoma-Gemeinde spielen in ihren Theaterkostümen vor und auf der Freilichtbühne ihre Rollen als wahre Improvisationskünstler weiter. So schnöselt das Ehepaar Liebermann (Angelika Mauersich und Dominik Härtl), das in "Thoma - eine Selbstzerstörung" eine wichtige Rolle spielte, aufs Stichwort bühnenreif arrogant vor sich hin. Brigitte Fiedler bleibt ihrer Rolle als resolute Magd auch jenseits der Spielszene aus "Waldfrieden" treu. Monika Kron hat es sich nicht nehmen lassen, als "letzte überlebende Jungfer", wie sie sagt, die schwere Fahne des Jungfrauenbunds beim feierlichen Einzug zu tragen. Volkstanzexperte Erich Müller schwenkt gekonnt das schon fast historische Gegenstück des Burschenvereins. Womit spätestens jetzt klar wird, dass alle diese hochlöblichen Vereinigungen - mit Ausnahme der real existierenden Ampertaler und Schloßbergler - pure Fiktion sind. Denn sie haben ihre literarischen Vorbilder in Thomas Werk. Was jedoch nicht für den "Dreißgerschuss" gilt. Der sei entstanden, als einige nun schon reifere Herren ihren dreißigsten Geburtstag gefeiert hätten, erzählt Hörl.

Der Tanzboden füllt sich schnell, wenn D'Scheebrunna Danzlmusi zu Walzer und Polka aufspielt. D' Ampertaler geben neugierigen Biergartenbesuchern bereitwillig Auskunft über die Besonderheiten ihrer Tracht. Das von Edi Hörl hochgepriesene "heil bringende Wasser" des ehemaligen Kurorts Mariabrunn verfehlt ebenso wenig seine Wirkung wie der "gesundheitsfördernde Hopfentrank".

Für dessen Genuss hat Hörl aber wohl kaum Zeit. Er scheint an diesem luftig-leichten Frühsommernachmittag über die Gabe der Omnipräsenz zu verfügen. Charmant begrüßt er jeden "hochgradigen Gast". Immer wieder schaut er auf die Uhr, weil sein sorgsam geplantes Fest zeitlich etwas aus dem Ruder läuft. Macht aber gar nichts, wie er schnell feststellt. Dann wird das Programm eben angepasst, und die Stimmung ist sowieso heiter und gelöst. Für die Szenen aus Thomas' bissigen Stücken trommelt Hörl seine Mitspieler zusammen und steht anschließend tiefenentspannt mit ihnen auf der Bühne. Die komischen - eigentlich viel zu kurzen Schnipsel - aus "Fahnenweihe" oder "Waldfrieden" zeigen wieder einmal, warum Thoma so lange eine unantastbare Ikone der bayerischen Literatur war und lassen kurz dessen dunkle Seiten vergessen.

Aber wo bleibt der Jubilar? Die Zeit wird knapp, denn die Musi hat am Abend eine weitere Verpflichtung. Die Münchner Française muss also ausfallen. Das finden die Tanzpaare zwar schade, aber sie werden reichlich entschädigt: Noch einmal formiert sich der Festzug, und Ludwig Thoma erscheint.

Wolfgang Möckl, grandioser Hauptdarsteller der "Selbstzerstörung", spielt den Zerrissenen noch einmal und findet die schönsten Worte an diesem schönen Nachmittag: "Lasst uns fröhlich sein, wenigstens heute". Die Theaterfigur entschwindet, die Musi packt ihre Instrumente ein. Die Festversammlung löst sich ganz allmählich auf. Edi Hörl strahlt - und plant schon das nächste Sommerfest der Ludwig-Thoma-Gemeinde.

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