Fastenzeit:Starkbier statt Steak

Früher hatte das Fasten religiöse Motive. Wer heute auf deftiges Essen verzichtet, will etwas für seine Gesundheit tun.

Andreas Baumer und Carolin Bischof

Fastenzeit: Ein saftiges Wammerl ist schon was Feines. Aber in der Fastenzeit verzichten viele auf Fleisch.

Ein saftiges Wammerl ist schon was Feines. Aber in der Fastenzeit verzichten viele auf Fleisch.

(Foto: Toni Heigl)

Kartoffeln, Gemüse, Milch. Vielleicht auch mal Käse oder aufgewärmte Mahlzeiten. Fleisch hingegen eher selten. Es ist beileibe kein kulinarisches Festmahl, das Leben im Dachauer Kloster Karmel Heilig Blut. Im Gegenteil: Freiwillige Armut war schon in der Benediktsregel zentraler Bestandteil. Kein Leben in Luxus und Ausschweifung, sondern eines in materieller Bescheidenheit und Selbstdisziplin wurde dort eingefordert. Möchte man dem Fasten auf den Grund gehen, führt deshalb kaum ein Weg vorbei am Klosterleben, einer der letzten Inseln der selbst auferlegten Askese in einer zunehmend materialistisch denkenden Welt.

Schwester Lucia lebt im Kloster Karmel Heilig Blut. Auch sie fastet. Zur Zeit noch mehr als sonst. Keine Süßigkeiten, keinen Kaffee. Dazu Freitagmittag einen Gemüse- oder Linseneintopf. Oder Mittwochabend gerade mal Butterbrot mit Tee - kein Salat, kein Käse. Unter Fasten im Kloster verstehe man, dass man sich nur einmal am Tag satt esse, sagt sie. Gerade jetzt in der Fastenzeit. 40 Tage lang vom Aschermittwoch bis zur Auferstehung Jesu Christi. Sonntage ausgenommen. In Erinnerung an die 40-jährige Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Und an das Fasten Jesu während der 40 Tage in der Wüste.

Ganz ähnlich läuft die Fastenzeit auch in der griechisch-orthodoxen Kirche ab. "Wir fasten dieses Jahr fünf Wochen später", erklärt der Erzpriester der Gemeinde des heiligen Stephanos in Dachau, Antonios Vichos, da in seinem Glauben Ostern heuer erst am 5. Mai stattfindet. Die Grundsätze sind aber fast die gleichen: kein Fleisch, kein Fisch, unter der Woche kein Alkohol und für sehr streng Gläubige keine mit Öl zubereiteten Gerichte.

Jedoch stellt der Erzpriester fest, dass immer weniger Menschen sich an diese strikten Vorschriften halten. Viele fasteten nicht mehr oder nur noch in der Karwoche. Unter den Fastenden hätten sich heute die Motive geändert. Das Fasten ist "auch eine Art, sich gesund zu ernähren", erklärt Vichos, und dieser Aspekt stehe mittlerweile eher im Vordergrund als der religiöse.

Dass das Fasten im Christentum lange nicht mehr so ernst genommen wird wie beispielsweise im Islam, wo während des Ramadan tagsüber auch heute noch viele auf Nahrung verzichten, zeigt auch eine Umfrage der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK). Im Jahr 2012 gaben gerade einmal 17 Prozent der Befragten an, sie würden fasten. Fastenwillige verzichteten der Studie zufolge vor allem auf Genussmittel wie Süßigkeiten (64 Prozent) oder Alkohol (48 Prozent), während Fleisch mit 16 Prozent abgeschlagen den dritten Rang belegte. Nur 34 Prozent der Befragten gaben an, dass sie aus religiösen Gründen fasten würden. Bei knapp der Hälfte (47 Prozent) stand hingegen der Aspekt der Disziplin im Mittelpunkt.

Doch wie fastet man am besten, um dem Körper auch noch etwas Gutes zu tun? Um diese Frage beantworten zu können, lohnt es sich, jemanden vom Fach hinzuzuziehen. Die Dachauer Heilpraktikerin Claudia Biela, die zur Fastenzeit mehrere Kurse zu diesem Thema gibt, bevorzugt "das Dinkelfasten nach Hildegard von Bingen". Denn, wie Biela erklärt, handelt es sich dabei um "die urreine Getreideform, die schonend für den Körper" verzehrt werden kann. Auf diese Weise zu verzichten hält Biela für "nicht so scharf wie beispielsweise das Saftfasten", weshalb sie auch ihren Patienten, die sich nach Behandlungen oft noch zu einem Fastenkurs anmelden, zum Dinkelfasten rät. Sie versucht, ihren Patienten und Kursteilnehmern zu vermitteln, wie wichtig das Fasten für die Gesundheitserhaltung und -förderung ist. Es tut "Körper, Geist und Seele" gut, da durch den Entzug von Nahrung einmal nicht die körperlichen, sondern die seelischen Bedürfnisse im Vordergrund stünden.

Auch wenn die Heilpraktikerin ihren Kurs religionsneutral gestaltet, damit jeder daran teilnehmen kann, bemerkt sie, dass für manche Menschen der Glaube wichtig ist, um sich überwinden zu können. Für viele Menschen steht nach Aussage von Biela heute jedoch eher der Verlust überflüssiger Pfunde im Vordergrund. "Zum Abnehmen ist das Fasten aber eigentlich nicht gedacht", erinnert sie.

Das weiß auch die Wirtin des Altstadthotels Zieglerbräu, Andrea Schneider, die ein spezielles Fastenmenü anbietet. Seit Aschermittwoch steht täglich ein Fischmenü auf der Speisekarte des Restaurants. Auch das jährliche Bierfest gehört seit Urzeiten zum Fasten. Diese Verbindung mag für manche paradox klingen, doch schon im 15. Jahrhundert wichen Mönche während der Fastenzeit auf den "Verzehr" von Starkbier aus, um trotz Nahrungsverzichts satt zu werden.

Bei den Gästen des Zieglerbräus kommt das heute noch gut an. Viele achteten tatsächlich streng darauf, ihre Ernährung in der Fastenzeit umzustellen und wählten ganz bewusst das angebotene Fischmenü, um auf Fleisch zu verzichten, sagt Andrea Schneider. Andere richten sich der Wirtin zufolge jedoch eher "nach dem Körpergefühl oder der Jahreszeit". Bestellt wird, "was schmeckt" und in die Saison passt.

Nicht nur der Zieglerbräu hat sich für die Zeit zwischen Fasching und Ostern etwas einfallen lassen. Auch die Katholische Landvolkshochschule Petersberg hat gerade wieder zwei einwöchige Fastenkurse organisiert. Gefastet wurde eine Woche lang mit klarer Brühe, Tee, Obst- und Gemüsesäften. Die Kurse seien seit Jahren sehr beliebt, sagt Katharina Baldauf von der KLVHS Petersberg, die Teilnehmerobergrenze von 18 bis 19 Personen demnach immer schnell erreicht.

Auch die Ordensschwestern von Karmel Heilig Blut wollten eigentlich in einem gemeinsamen Projekt mit der Tafel am 11. März ins Kloster einladen, um sich Zeit zum Einkehren und Nachdenken zu nehmen. Doch mangels Beteiligung wurde die Veranstaltung abgesagt. Ein Zeichen abnehmender Bedeutung der Fastenzeit? "Tatsächlich sind früher durchschnittlich 30 Personen zu dieser Veranstaltung gekommen, in den letzten Jahren haben sich hingegen meistens nur noch zwischen zwölf und 15 Menschen beteiligt", erzählt Schwester Lucia. Dabei geht es für sie um einen tieferen, spirituellen Sinn: "Das Fasten weitet den geistigen Horizont und schafft eine engere Beziehung zu Gott."

Viele Bürger im Landkreis und darüber hinaus denken aber offensichtlich anders: Für sie geht es nicht mehr nur um religiöse Traditionen, sondern vor allem um das eigene körperliche Wohlbefinden.

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