Fachkräftemangel:Abschiebestopp für Pflegehelfer

Auch in Altenheimen werden Flüchtlinge als Arbeitskräfte dringend gebraucht. Eine neue Regelung erleichtert das Bleiben

Von Marie Groppenbächer, Dachau

Beinahe hätte das Franziskuswerk Schönbrunn einen gerade angelernten Pfleger verloren. Dem Mann aus Nigeria drohte die Abschiebung. Er könnte nun von einer neuen Regelung profitieren, die Asylsuchende in Bayern, die eine Ausbildung in Pflegeberufen machen, besser schützen soll. So haben es Bayerns Innenminister Joachim Hermann und Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) beschlossen. Bisher gilt, dass Auszubildende in einer qualifizierten Ausbildung, also einer Lehre, die mindestens zwei Jahre dauert, trotz Abschiebebescheid eine Ausbildungsduldung erhalten. Genannt wird dieses Verfahren auch 3+2-Regelung, drei Jahre Berufsausbildung und zwei Jahre Berufstätigkeit, falls zum Ende der Ausbildung ein Arbeitsvertrag vorliegt. Der neue Beschluss bezieht sich in erster Linie auf die Pflegehelferausbildung. Diese dauert nur ein Jahr. Asylbewerber, die sich zum Beispiel in einer Ausbildung zum "Pflegefachhelfer Altenpflege" befanden, und deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, mussten die Ausbildung abbrechen und in ihre Herkunftsländer zurückkehren.

Doch es herrscht Personalmangel in allen sozialen Berufen. Besonders akut ist die Situation in der Pflege. Vor gut einem Monat erst wurde auf dem Schrannenplatz in Dachau gegen den Pflegenotstand demonstriert. Dabei ging es vor allem um fehlendes Personal am Helios-Amper-Klinikum. Auch das Franziskuswerk Schönbrunn hat schon rosigere Zeiten gesehen.

"Ich habe einen solchen Notstand, ich brauche jeden qualifizierten Mitarbeiter", sagt Heilerziehungspflegerin Petra Akoh. Sie leitet verschiedene Gruppen am Franziskuswerk und bildete im letzten Jahr auch einen Asylsuchenden aus Nigeria zum Altenpflegefachhelfer aus. Davor absolvierte er einen Pflegevorkurs. Anschließend konnte er seine Ausbildung zum Pflegefachhelfer in Altenpflege antreten und im Juli dieses Jahres abschließen. Migranten erhalten während der Ausbildung an der Akademie Schönbrunn zusätzlich Deutschunterricht durch eine qualifizierte Lehrkraft. So konnte der Mann aus Nigeria gleichzeitig ein B1-Zertifikat über seine Sprachkenntnisse erwerben. Der Grundstein für eine berufliche Laufbahn im Bereich der Altenpflege und Eingliederungshilfe am Franziskuswerk ist damit gelegt. Doch Nigeria wird von der deutschen Regierung als sicheres Herkunftsland eingeschätzt. Glücklicherweise erteilte ihm das Landratsamt eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer der Beschäftigung von einem Jahr. Der befristete Vertrag vom Franziskuswerk Schönbrunn liegt vor. "Wir brauchen den Mann definitiv", bekräftigt Petra Akoh, "er hat sich einen Platz im Kollegium fleißig erarbeitet. Über ihn habe ich noch nie eine Beschwerde gehört".

Die Heilerziehungspflegerin und Ausbilderin wäre dankbar, wenn sich gesetzlich endlich etwas ändern würde. Da die Altenpflegehilfeausbildung nicht bezahlt wird und keine Sicherheit vor einer Abschiebung bietet, entscheiden sich nur sehr wenige Asylbewerber dafür. Dabei bietet sie den perfekten Einstieg in den Pflegeberuf. Für die Ausbildung zum Altenpfleger oder Heilerziehungspfleger benötigen Auszubildende mindestens ein C1 Sprachniveau. Das bedeutet, Migranten müssten eine ganze Weile Deutsch lernen, ohne gleichzeitig einer Tätigkeit nachgehen zu können, bevor sie diese Ausbildung beginnen dürfen. Bei der Altenpflegehilfeausbildung ist das anders. Außerdem lernen sie hierbei direkt fachspezifisches Vokabular.

Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb im kommenden Schuljahr weitere sieben Asylbewerber von insgesamt 13 neuen Auszubildendeneine Ausbildung zum Altenpflegefachhelfer an der Akademie Schönbrunn beginnen. Einer davon lernt den praktischen Teil im Franziskuswerk. Die Zahl zeigt: Mehr als die Hälfte der Auszubildenden sind Migranten. Doch das liege nicht daran, dass sie Einheimischen die Plätze wegnehmen, erläutert Petra Akoh. Es bewerbe sich schlicht kaum noch jemand für die Pflegehelferausbildung. "Hier herrscht das absolute Stellenchaos und eine dringende Personalnot". Akoh kann nicht verstehen, warum man Steuerzahler überhaupt abschieben wolle, wo doch ohnehin Bewerber fehlten. Sie hofft, dass sich das mit der neuen Regelung ändert.

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